Finanzen / Bilanzen

Landespolitiker favorisieren Reform der Schuldenbremse mit Investitionsklausel

Die Corona-Pandemie belastet die öffentlichen Haushalte in Deutschland beträchtlich. Dennoch genießt inmitten der Krise die Schuldenbremse in den Landesparlamenten einen hohen und relativ stabilen Rückhalt: Gut zwei Drittel der Abgeordneten sprechen sich für eine Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt nach dem Ende der Corona-Pandemie aus. Mehr als die Hälfte der befragten Landespolitiker/innen sind dabei aber offen für eine Reform der Schuldenbremse, die Defizite für höhere Investitionen zulässt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage, die das ZEW Mannheim gemeinsam mit der Universität Mannheim zwischen Mai und Juli 2020 unter Abgeordneten aller 16 deutschen Landesparlamente durchgeführt hat. Die seit 2009 in den Artikeln 109 und 115 des Grundgesetzes verankerte Schuldenbremse begrenzt seit dem Haushaltsjahr 2016 die strukturelle, also konjunkturbereinigte, Neuverschuldung des Bundes auf 0,35 Prozent des BIP. Für die Bundesländer trat das gesetzliche Gebot des Haushaltsausgleichs ab 2020 in Kraft – mit Ausnahmenregelungen. „Die Schuldenbremse hat im letzten Jahrzehnt mit dazu beigetragen, den deutschen Schuldenstand zu begrenzen. Diese Konsolidierung in den konjunkturell guten Zeiten hat Deutschland erst in die Lage versetzt, in der Krise wie kaum ein anderer Industriestaat eine entschlossene Stabilisierungspolitik finanzieren zu können“, sagt Prof.  Dr.  Friedrich Heinemann, Forschungsbereichsleiter am ZEW und Ko-Autor der Studie. Der gravierende fiskalische Schock der Corona-Pandemie ist eine solche Ausnahme von der Regel und hat nun die Debatte darüber intensiviert, inwieweit die Schuldenbremse für die Post-Corona-Zeit ökonomisch erwünscht ist. Vor diesem Hintergrund hat das ZEW zum dritten Mal alle 16 deutschen Landesparlamente zur Schuldenbremse und ihrem Reformbedarf befragt. An dieser Umfrage haben sich rund 30 Prozent aller deutschen Landtagsabgeordneten beteiligt.
Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt nach Ende der Pandemie
Die dritte Befragung zeigt am Vorabend der Covid-19-Pandemie eine gewachsene Zuversicht, dass Bund und Länder die Verpflichtungen der Schuldenbremse einhalten werden können. Rückblickend waren gut 80 Prozent aller Politiker/innen optimistisch, dass ihr Bundesland die Verpflichtung zum Haushaltsausgleich gemäß Schuldenbremse erfüllen würde. Diese Zuversicht ist im Vergleich zu vorherigen Umfragen seit dem Jahr 2011 deutlich gestiegen. Auch in der Pandemie genießt die Schuldenbremse immer noch eine hohe Akzeptanz: Eine Mehrheit von 68 Prozent aller Befragten begrüßt eine prinzipielle Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt nach dem Ende der Corona-Pandemie. Nur 22 Prozent haben eine negative Haltung gegenüber einer Rückkehr zur Schuldenbremse.

Corona-Pandemie könnte bei Fiskalregeln zu Reformen führen
Dennoch hat die Corona-Krise zu einer erkennbar größeren Bereitschaft geführt, eine Reform der Schuldenbremse zu befürworten. Der Anteil der Abgeordneten, die für die gänzlich unveränderte Fortgeltung der Schuldenbremse votieren, ist in Folge der Pandemie von 47 Prozent auf 30 Prozent gefallen. Im Einzelnen unterstützt nach Ausbruch der Corona-Krise eine Mehrheit von 56 der Befragten eine Reform, bei der eine Verschuldung zu Gunsten von Infrastrukturinvestitionen möglich würde. Gegenüber einer solchen neuen Investitionsklausel genießt eine Lockerung der grundgesetzlichen Schuldengrenze zu Gunsten von schuldenfinanzierter Klimapolitik (32 Prozent) einen geringeren Rückhalt. Noch geringer ist mit 26 Prozent die Quote der Abgeordneten, die eine allgemeine Lockerung im Hinblick auf den vorgeschriebenen strukturellen Budgetausgleich begrüßen würden. „Die Abgeordneten identifizieren sich zwar grundsätzlich noch mit der Schuldenbremse, im Zuge der Corona-Krise wachsen aber die Zweifel an ihrer bisherigen Ausgestaltung“, erläutert Heineman. „Insgesamt deuten die Umfrageergebnisse darauf hin, dass die Corona-Pandemie auch bei Fiskalregeln zu Reformen führen könnte. Änderungen der Schuldenbremse benötigen allerdings Zweidrittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Ein derartig breiter Rückhalt auf Länderebene für eine Reform der Schuldenbremse mit Fokus auf den investiven Staatsausgaben rückt eine solche Reform aber in den Bereich des Möglichen.“

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