Stoppt Corona den Neoliberalismus im Sport?
„Dass Sprengsätze im Dienst einer Finanzspekulation gegen Leib und Leben von Stars explodierten, kann als Höhepunkt der Neoliberalisierung im Sport gesehen werden“, sagt Klaus Zeyringer. Die Entwicklung, die in den siebziger Jahren begann, sei schon im Namen der Dortmunder Arena erkennbar. Der Signal Iduna Park hieß früher Westfalenstadion, nun steht er im Zeichen eines Konzerns für Finanzdienstleistungen und Versicherungen. Das bringt dem börsennotierten Verein geschätzt fünf Millionen Euro pro Jahr. Im Sport gelte es heutzutage, alle Räume zu Geld zu machen: „Das Attentat gegen den BVB-Bus führt im Blitzlicht vor Augen, welche gesellschaftliche Bedeutung eine finanzstarke professionelle Sportart hat und wie stark wirtschaftliche und politische Kräfte wirken.“ Zudem zeige eine Folgewirkung, dass der Sportbetrieb an ein Limit gekommen ist, wenn man ihn nicht heillos überlasten will. Das Team war damals auf dem Weg zum Heimspiel im Viertelfinale der Champions League gegen den französischen Meister AS Monaco. Am Tag nach dem Attentat mussten die Spieler gegen Monaco auflaufen – laut Psychologen eine unmenschliche Zumutung für Traumatisierte. Die prall gefüllten Spielpläne aber ließen keine weitere Verschiebung zu.
Sport ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, fasst Klaus Zeyringer zusammen. Die heutige Arena der Profis sei von Kommerzialisierung und Mediatisierung bestimmt. Diese Entwicklung sei eng mit dem Aufstieg des Neoliberalismus verbunden und habe skandalöse Zustände hervorgebracht: Feudalisierung und Machtmissbrauch, Korruption und Manipulation, Doping und Umweltdesaster, sozial unverantwortliche Geldströme. Ändert sich das durch die Corona-Krise? Die Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus legten immerhin den Sportbetrieb lahm. So stieß das neoliberale Modell auch im Sport an Grenzen. Mit einem Mal gerieten die ökonomischen Sicherheiten ins Wanken, vor allem da die Fernsehgelder auszubleiben drohten. Inakzeptable Relationen konnten nicht länger übersehen werden: dass etwa in der deutschen Bundesliga ein guter Spieler fünfzig Mal so viel verdient wie ein für eine Impfung gegen Corona forschender Nobelpreisträger an einer Universität erhalten würde. Oder dass ein durchschnittlicher Kicker dreißig Mal so viel verdient wie eine Krankenschwester. Dass also Unterhaltung um ein Vielfaches höher bewertet und entlohnt wird als Wissenschaft und ein lebensrettender sozialer Dienst. Warum es dennoch wahrscheinlich ist, dass sich Post-Corona die Geldspirale im Sport wieder nach oben dreht, in jene Höhen, die schon zuvor sozial inakzeptabel waren, erzählt Zeyringer in seinem Schwarzbuch Sport.
Klaus Zeyringer ist Publizist, Kulturwissenschaftler, Literaturkritiker und -moderator und emeritierter Professor für Germanistik in Frankreich.
Klaus Zeyringer
Schwarzbuch Sport
2021, 248 S.
Softcover € 24,99 (D) | € 25,69 (A) | sFr 28.00 (CH)
ISBN 978-3-658-32099-7
Auch als eBook verfügbar
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