Vermisst in Benin: eine künstlerische Intervention von Emeka Ogboh
Bei den Benin-Bronzen handelt es sich um Skulpturen aus dem historischen Königreich Benin im heutigen Nigeria. Am Königshof von Benin waren die kunstvollen Messinggüsse Teil der Ausstattung von Gedenkaltären vergangener Königsahnen, gehörten zum rituellen Inventar am Hof oder waren in Form von Messingplatten bildliche kulturelle Dokumente. Die Skulpturen berichten von der Bedeutung Benins in der afrikanischen Geschichte und seiner globalen Vernetzung. Die Bronzen sind von britischen Kolonialtruppen Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge einer sogenannten “Strafexpedition” in Benin City geplündert und nach Großbritannien gebracht worden. In den Jahren darauf gelangten sie auch an das Museum für Völkerkunde Dresden.
Die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen, zu denen das Museum für Völkerkunde Dresden gehört und die seit 2010 Teil der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind, bemühen sich seit vielen Jahren um die Aufarbeitung der Provenienzen ihrer Objekte. Ein bedeutender Teil dieser Objekte steht allein aufgrund des Zeitkontextes seines Erwerbs im historischen Zusammenhang mit dem Kolonialismus. Besondere Aufmerksamkeit gebührt dabei jenen Konvoluten, die unter deutscher Kolonialherrschaft in den Besitz der hiesigen Museen gelangten, oder die von anderen europäischen Kolonialmächten unter Zwang beziehungsweise direkter Gewaltanwendung erworben wurden und zu einem späteren Zeitpunkt in den Bestand der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen gekommen sind. Vor diesem Hintergrund ist die Benin-Sammlung des Museums für Völkerkunde Dresden ein besonders umstrittenes Sammlungskonvolut. Sie ist Teil eines großen Bestandes von Benin-Bronzen, die sich im Besitz europäischer und nordamerikanischer Museen befinden.
Die fünf Bronzen, die im Mittelpunkt von Emeka Ogbohs künstlerischer Intervention stehen, kamen zwischen 1899 und 1904 an das Dresdner Haus. Sie wurden mit Finanzmitteln des bekannten sächsischen Mäzen Arthur Baessler (1857-1907) bei dem britischen Ethnographica-Händler William D. Webster (1868-1913) in London erworben. In seiner Arbeit “Vermisst in Benin” macht Ogboh die Abwesenheit der Bronzen zum Thema. Nicht nur die Geschichte der Plünderung und des Raubs steht damit im Fokus, sondern auch das daraus resultierende Fehlen der bedeutsamen materiellen Zeugnisse dieses kulturellen Erbes im heutigen Nigeria.
Emeka Ogboh wurde 1977 in Enugu in Nigeria geboren. Der Sound- und Installationskünstler, der seit sechs Jahren in Berlin lebt, bedient sich eines sinnlichen Zugangs wie Hören und Schmecken, wenn er Beziehungen zu Orten herstellt. Mit seinen Installationen erforscht er, wie private, öffentliche oder kollektive Erinnerungen und Geschichten in Klang und Geschmack übersetzt werden können, und setzt sich mit Fragen zu Immigration, Globalisierung und Postkolonialismus auseinander. Ogboh hat an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen, darunter die documenta 14 (2017), Skulptur Projekte Münster (2017), die 56. Ausgabe der La Biennale di Venezia (2015), und die Dakar Biennale (2014).
Emeka Ogboh: “’Vermisst in Benin’ ist eine künstlerische Intervention, die versucht, die Restitutionsdebatte um die Kunstwerke aus Benin, die sich gegenwärtig im Besitz des Museums für Völkerkunde Dresden befinden, zu beschleunigen und in den öffentlichen Fokus zu rücken. Ich habe die Intervention aus einem Gefühl der Ungeduld und Notwendigkeit heraus geschaffen, um den stagnierenden und abstrakten Diskurs um koloniale Reparationen mit der Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit einer öffentlichen Bekanntmachung zu versehen. Die Arbeit ist eine grundlegende Annäherung an ein Gespräch, das einfach schon zu lange andauert und das fest ins öffentliche Bewusstsein gehört.”
Léontine Meijer-van Mensch, Direktorin der Völkerkundemuseen in Leipzig, Dresden, Herrnhut: „Seit über einem Jahr sind wir als Museum in Kontakt mit der Nigerianischen Botschaft in Berlin, um uns gemeinsam über mögliche Schritte zu verständigen. Die Botschaft hat uns den Kontakt zu Emeka Ogboh vermittelt. Wir freuen uns außerordentlich, den international bekannten Künstler dafür gewonnen zu haben, eine künstlerische Intervention im Dresdner Stadtraum zu konzipieren und durchzuführen. Wir sind Emeka Ogboh dafür dankbar, dass er mit seiner Aktion uns alle, auch die Museen und die Stadtgesellschaft, sensibilisiert und so deutlich die Dringlichkeit benennt, mit der wir uns zu diesen Sammlungen verhalten müssen.“
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