Winterdienst: Wer muss zur Schaufel greifen?
Wer muss räumen oder streuen?
Gängige Praxis ist es, dass Gemeinden ihre Verkehrssicherungspflicht per Satzung oder Verordnung auf Eigentümer übertragen, deren Grundstücke an die Straßen der Gemeinde grenzen. Sind diese vermietet, überträgt der Eigentümer die Räum- und Streupflicht meist auf einen oder mehrere Mieter. Vermieter müssen diese Pflicht aber schriftlich fixieren – entweder im Mietvertrag oder in einer Hausordnung. Es genügt kein Aushang im Hausflur, um Mieter zum Winterdienst zu verpflichten. Vermieter sind und bleiben diejenigen, die regulär für den Winterdienst zuständig und im Schadensfall mit verantwortlich sind. Daher müssen sie auch regelmäßig kontrollieren, ob ihre Mieter der Verpflichtung nachkommen. Tritt dennoch ein Unfall ein, übernimmt meist die private Haftpflichtversicherung eventuelle Folgekosten wie etwa Schmerzensgeldzahlungen. Bei Vermietern kann die Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung greifen.
Wann muss geräumt werden?
Auskunft über Räum- und Streuzeiten geben meistens entweder das jeweilige Landesgesetz oder die Ortssatzung. Sind diese nicht geregelt, herrscht für Frühaufsteher und Nachteulen Rutschgefahr. Denn an Werktagen kann nicht vor sieben Uhr morgens und nach 20 Uhr abends, an Sonn- und Feiertagen nicht vor neun Uhr morgens und nach 20 Uhr abends mit geräumten Wegen gerechnet werden. Allerdings können nach Auskunft der ARAG Experten unter bestimmten Bedingungen Sonderregelungen gelten. So müssen z. B. Restaurantbesitzer – sobald sie Corona-bedingt wieder uneingeschränkt Gäste empfangen dürfen – während ihrer Öffnungszeiten auch nach zwei Uhr noch darauf achten, dass ihre Wege sicher passiert werden können (Oberlandesgericht (OLG) Naumburg, Az.: 10 U 54/12). Und auch wenn in Anbetracht der Wetterlage zu erwarten ist, dass sich während der Nacht Glatteis bildet, darf nicht etwa bis zum nächsten Morgen gewartet, sondern es muss vorbeugend gestreut werden (OLG Frankfurt (Az.: 21 U 38/03).
Was muss geräumt und gestreut werden?
Generell müssen die wichtigsten zum Grundstück gehörenden Zugänge begehbar sein. Dazu gehört der Hauseingang, aber auch der Zugang zu Garagen oder Mülltonnen. Private Flächen, die von Passanten nur als Abkürzung genutzt werden, gehören hingegen nicht dazu (OLG Hamm, Az.: 6 U 178/12). Der das Gebäude umgebende oder angrenzende Bürgersteig muss nicht komplett von Schnee oder Eis befreit sein. Ein gekehrter Streifen, der es zwei Passanten erlaubt, aneinander vorbeizugehen, reicht nach Auskunft der ARAG Experten aus. Je nach Kommune müssen ein bis eineinhalb Meter Breite geräumt werden. Auf Privatwegen – etwa zum Hauseingang oder zu Garagen – genügt ein halber Meter breiter Streifen. Doch auch die Fußgänger selbst sind zur Achtsamkeit aufgefordert und können nicht erwarten, dass tatsächlich jede kleinste Eis- oder Schneefläche entfernt wird.
Ausnahmen von der Räum- und Streupflicht
Weder Arbeitszeiten noch Krankheit befreien den Zuständigen von seiner Verkehrssicherungspflicht. Im Zweifel muss er für möglichen Ersatz sorgen. Auch bei Dauerschneefall gilt keine konkrete Ausnahmeregelung. Dann muss der Verantwortliche, wenn nötig, auch mehrfach räumen und streuen (Bundesgerichtshof, Az.: VI ZR 49/83). Jedoch muss er während des Dauerschneefalls oder Eisregens nicht permanent in der Kälte stehen, sondern kann eine Beruhigung des Wetters abwarten. Erst wenn es auf den Wegen so glatt ist, dass Streuen keine positive Wirkung mehr zeigen würde, kann darauf verzichtet werden.
Streuen mit Salz?
In den meisten Kommunen ist das Streuen glatter Wege mit Salz verboten, da es die Umwelt schädigen kann. Hier raten ARAG Experten, auf Sand, Kies oder Split als Streugut zurückzugreifen. Auch Asche hilft bei Rutschgefahr. Eine Ausnahme kann es bei Eisglätte, Eisregen oder auf Treppen und an Wegen mit starkem Gefälle geben, wenn andere Streumittel keine Wirkung zeigen. Diese Ausnahmen regelt jede Kommune individuell. Sobald der Winter vorbei ist, ist Frühjahrsputz angesagt. Dann müssen Sand, Kies und Co. wieder zusammengefegt und entfernt werden (Bundesgerichtshof, Az.: VI ZR 260/02).
Wohin mit dem Schnee?
Wer beim Räumen vor lauter Schnee nicht mehr weiß, wohin damit, darf – so komisch es klingt – den Schnee sogar über den Gartenzaun auf das Nachbargrundstück schippen. Zumindest in Maßen und nicht regelmäßig. Ein solcher Fall wurde auch vor Gericht entschieden. Dabei hatte sich ein Mann beschwert, weil ihm sein Nachbar ab und zu einige wenige Schaufeln Schnee über den Maschendrahtzaun auf seinen Rasen gekippt hatte. Dadurch sei der Rasen angeblich zerstört worden. Die Richter wiesen die Klage auf Unterlassung aber ab: Zum einen seien gelegentliche, kleine Mengen unproblematisch, zum anderen habe auf dem Rasen des Nachbarn ohnehin Schnee gelegen, so dass diese zusätzliche geringe Menge keine Beeinträchtigung darstelle (Amtsgericht München, Az.: 213 C 7060/17).
Winterdienst bei Eigentümergemeinschaften
In der Gemeinschaft von Wohnungseigentümern können Entscheidungen bezüglich des Wohnhauses oft ganz demokratisch per Mehrheitsbeschluss gefällt und auch gemeinsam umgesetzt werden. Das gilt allerdings nicht beim Thema Winterdienst. Hier muss der Beschluss einstimmig sein, auch wenn neue Eigentümer hinzukommen. In einem konkreten Fall hatten die Eigentümer mehrheitlich beschlossen, den Räum- und Streudienst turnusmäßig im Wechsel durchzuführen. Ein neues Mitglied der Gemeinschaft beantragte auf einer Versammlung nun die Vergabe des Winterdienstes an eine Fachfirma, weil es sich nicht in der Lage sah, dieser Pflicht nachzukommen. Die übrigen Eigentümer lehnten dies jedoch ab und verwiesen auf den früher gefassten Beschluss. Dieser war wegen des neuen Mitglieds jedoch nichtig (Bundesgerichtshof, Az.: V ZR 161/11).
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