Forschung und Entwicklung

Alles andere als oberflächlich

Kratzfeste Handydisplays, selbstreinigende Backöfen oder festhaftender Korrosionsschutz: Innovative Oberflächen machen’s möglich. Durch die gezielte Veränderung von Oberflächen werden neue Produkteigenschaften ermöglicht, die zur Wettbewerbsfähigkeit in vielen Branchen beitragen. Vor allem in Zukunftsfeldern wie Industrie 4.0, Elektromobilität oder grüne Technologien gewinnt die Oberflächentechnik als Schlüssel- und Querschnittstechnologie zunehmend an Bedeutung. So erforscht Prof. Dr. Katharina Weber an der Hochschule Aalen, wie in elektrischen Antrieben mineralölbasierte durch nachhaltige Schmierstoffe ersetzt werden können. Ihre Forschungsaktivitäten werden jetzt durch das Programm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur gefördert.

Wenn Prof. Dr. Katharina Weber von ihrem Lehr- und Forschungsgebiet erzählt, gerät die junge Wissenschaftlerin schnell ins Schwärmen: „Die Oberflächentechnik ist allgegenwärtig, da sich jeder Gegenstand mit seiner Oberfläche abgrenzt. Das macht das Gebiet so vielseitig und unglaublich spannend.“ Seit rund eineinhalb Jahren hat sie die Professur für „Chemische Oberflächentechnik und Korrosionsschutz“ an der Hochschule Aalen inne. Welche großen Fortschritte ihr Fachgebiet in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat, findet die 35-Jährige immer wieder faszinierend. Hierzu möchte sie selbst ein Stück beitragen – und zwar mit der Entwicklung nachhaltiger, biobasierter oder biologisch abbaubarer Schmierstoffe, beispielsweise für elektrische Antriebsysteme. Denn viele der heutigen Schmierstoffe sind aktuell noch immer mineralölbasiert.

„Wie kann man ein Produkt und den Herstellungsprozess nachhaltiger gestalten? Wie kann man fossile Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe oder synthetische Materialien, die biologisch abbaubar sind, ersetzen? Und wie kann es gelingen, dass die technische Performance gegenüber konventionellen Produkten mindestens gleich, wenn nicht sogar besser ist? Denn nur so lassen sie sich auch verkaufen. Das sind Fragen, die mich umtreiben“, sagt Weber und fügt mit Nachdruck hinzu: „Wir sind an einem Punkt angelangt, wo die Menschen nicht weitermachen können wie bisher. Auch in der Forschung müssen nachhaltige Themen eine Selbstverständlichkeit werden.“ Dabei ist es der Materialwissenschaftlerin wichtig, immer den Gesamtzusammenhang zu sehen und die ökologischen ebenso wie die ökonomischen und sozialen Faktoren miteinzubeziehen.

Dass sie jetzt durch das Programm EXPLOR der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur aus Abtsgmünd ihre eigene Forschungsgruppe im Bereich der chemischen Oberflächentechnik aufbauen kann, findet die junge Professorin klasse. „Das ist eine sehr große Chance, für die ich wirklich dankbar bin. Es ist toll, dass ich meine eigenen Ideen entwickeln und reifen lassen darf“, sagt Weber. „Forschen ist auch ein bisschen wie Reisen – und ich reise sehr gern.“

Auch ihr ungewöhnlicher Lebenslauf ist ein bisschen wie eine Reise, sowohl im wahrsten Sinne des Wortes als auch eine Reise durch das deutsche Bildungssystem. Geboren und aufgewachsen ist Katharina Weber nämlich in Karaganda, der großen Kohle-Stadt Kasachstans. Ihr Vater war als Elektroingenieur im Kohlebergbau tätig, doch als Russlanddeutscher wollte er zu seinen Wurzeln zurückkehren und seinen Kindern eine bessere Zukunft bieten. Weber war 13 Jahre alt, als die Familie in die Gegend von Osnabrück übersiedelte. Deutsch sprach sie da noch nicht, was sie aber innerhalb kürzester Zeit lernte. Schon nach wenigen Monaten wechselte sie von der Hauptschule auf die Realschule, dann aufs Gymnasium. „Ich hatte Glück mit meinen Lehrern, die mich motiviert und immer gefördert haben. Eigentlich ist mein ganzer Lebensweg von Menschen geprägt, die mich gefördert haben“, sinniert die Professorin. Dass Eigenmotivation weiterbringt, das möchte sie auch ihren Studierenden vermitteln. „Wenn ich es schaffe, mein echtes Interesse an den Themen authentisch rüberzubringen, dass ich dafür brenne, dann springt auch der Funke über“, ist Weber überzeugt. „Diesen Schubs zu geben, das ist doch für einen Lehrenden die höchste Bestätigung.“

Naturwissenschaften, Mathe – dafür hatte Weber bereits als Jugendliche ein großes Faible. „Ich mag es, wenn Dinge einen Sinn ergeben und nach Lösungen zu suchen.“ Naturwissenschaften betrachtet sie als eine weitere Sprache: „Natürlich weiß ich nicht alles, aber ich kann sie sprechen. In die elektrotechnischen Fußstapfen ihres Vaters wollte sie aber nicht treten. „Löten, Schaltkreise, das hat nicht so auf mich abgefärbt. Eher die Lötmasse oder der schweflige Geruch“, erzählt die Forscherin schmunzelnd. Chemie war dann das Fach ihrer Wahl. Chemie war dann das Fach ihrer Wahl. „Die Chemie ist einfach faszinierend, sie begegnet uns überall im Alltag. Außerdem ist sie eine interdisziplinäre Wissenschaft“, sagt Weber begeistert.

Nach ihrem Studium an der Universität Münster arbeitete sie zunächst als Doktorandin am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr und forschte zu Katalysatoren für Wasserstoffumsetzung. „Da wird natürlich primär Grundlagenforschung betrieben, deshalb bin ich anschließend bewusst ans Fraunhofer-Institut in Stuttgart gewechselt“, erzählt Weber, „ich wollte unbedingt auch die angewandte Forschung kennenlernen. Schließlich muss man beides mal gemacht haben, um zu sehen, was zu einem passt.“ Danach stand für die Wissenschaftlerin fest: Forschung als Selbstzweck ist nicht so ihr Ding. Und die leise Stimme im Kopf, sich auf eine Professorenstelle zu bewerben, wurde immer lauter. Eine Kollegin hat sie dann auf die Ausschreibung der Professur an der Hochschule Aalen hingewiesen. „Dass das geklappt hat, ist einfach fantastisch. Hier bin ich genau richtig“, freut sich Weber. „Mir gefällt die praktische Anwendung. Es geht nicht nur um die Materie selber, sondern beispielsweise darum, die Entwicklung eines marktreifen Produktes zu unterstützen. Und dabei alle sozialökonomischen und nachhaltigen Aspekte im Blick zu haben. Nur noch schnell die Welt retten? Katharina Weber lacht: „Das wäre vielleicht etwas anmaßend, aber mit meiner Forschung möchte ich schon dazu beitragen, unsere Welt ein Stück nachhaltiger zu machen. Und das möchte ich auch meinen Studierenden mit auf den Weg geben.“

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