Kunst & Kultur

Der wilde Akademie-Professor und seine Schüler – kongenial

„Man stellt eine Behauptung auf, versucht, gegen etwas zu sein. Man hat ein Feindbild, und entwickelt daraus eine neue Malerei!“ Markus Oehlen, einst Junger Wilder, auch Schlagzeuger, ein Untergrund-Beweger par excellence und rotziger Rebell der Golden Eighties, gibt sich heute deutlich reflektierter, wie hier im Interview für seinen brandneuen Katalog (Kerber-Verlag); reflektierter, doch keinesfalls weniger leidenschaftlich. Über drei Jahrzehnte liegt die Zeit der ungebundenen Unbeugsamkeit hinter ihm, die Zeit wilder Bildtitel wie „Vom Stuhl gefallener Akt mit Trompete“ oder „Vaters Hände“. Das Wilde indes hat sich Oehlen bewahrt, in neue Bahn gelenkt, modern und zeitgeistig gemacht, komprimiert korrigiert, subversiv systematisiert. Seine neuen Arbeiten zeugen von einer ausgeklügelten Vorgehensweise, einem Knowhow über Technik und Effizienz, einer ungebändigten Experimentierfreude und einer intensiven Auseinandersetzung mit Gesellschaft, Digitalisierung samt Auswirkung; alles fließt ineinander über, ein und hinaus, auf nahezu kongeniale Weise – genial.
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1956 in Krefeld geboren, studiert Markus Oehlen von 1976 bis 1982 Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Alfonso Hüppi, zieht provokant durch die Lande und landet schließlich 2002 als Professor an der Akademie der Bildenden Künste München. Ausstellungen weltweit seit knapp 40 Jahren, unter anderem im Museum of Modern Art New York, geben ihm Recht, machen ihn berühmt und unverwechselbar: als Vertreter des so genannten Pop Informel, der konstruierten Malerei, die Abstraktion und Figuration gegenüberstellt, die mit fragmentierten Überlagerungen arbeitet, in gemalten, gezeichneten und collagierten Schichten vorgeht und sich fleißig Motiven der Popkultur bedient. Was liegt da näher, als die Thematisierung der Reiz- und Bildüberflutung unserer digitalen Neuzeit wie in Oehlens aktueller Malerei? Erstarrte Körper, psychedelische Kreise, Muster, Raster, Rippen, Rillen, Farbe, Foto und Lack verschmelzen zu einem mehrdeutigen Etwas, das unmittelbar in seinen Bann zieht, unweigerlich.

Kein Wunder, als solch kompetenter wie jugendlich gebliebener Akademie-Professor, dass die jungen Leute nur so strömen in die „Klasse Markus Oehlen“ nach München. Sechs ehemalige Schüler hat der Maestro auserkoren für die aktuelle Top-Schau in der Galerie Noah, die neben neuen Arbeiten Oehlens auch die von Mehmet & Kazim, Andreas Lech, Justin Almquist, zudem Julian Arayapong und Susi Müller präsentiert.

An Originalität wie Brisanz freilich fehlt es den Sechsen kaum: Mehmet & Kazim Akal beispielsweise, die Shooting-Stars unter den Schülern, treten als ihr Alter Ego The Kissing Cousins in Erscheinung, per se wie in ihren Arbeiten, persiflieren tradierte Kategorisierungen wie Übermännlich oder Exotisch und geben dabei ein die Welt mit Küsschen wie Herzchen überschüttendes Duo ab; Justin Almquist rückt das Schöne in poppig-bröckelnder Manier und Papiermaché auf Holz in den Mittelpunkt des Betrachters und verweist so nicht zuletzt auf deren Vergänglichkeit; und Andreas Lech begibt sich in seiner zunehmend monochromen Malerei auf die Suche nach dem figurativsten abstrakten Bild aller Zeiten ­ Die Ausstellung en gros spiegelt ein Spektrum malerischer Möglichkeiten wieder, das die Spannbreite des bildnerischen Ausdrucks in zahlreichen Facetten aufzeigt. Dabei ist die individuelle Position immer auch in einer, in der gemeinsamen Haltung verankert. Fazit: Eine Klasse an der Akademie kann in ihrer Gemeinschaft unterstützend, festigend, und zugleich Motivation für souveräne Eigenständigkeit sein. Individuelles, mutiges Experimentieren mit Technik, Ausdrucksform und Zeitgeist, das ist, was das Oeuvre von Markus Oehlen seit Jahrzehnten auszeichnet. In seiner Rolle als Professor wird er, wenn man so will, zu einem steten Behüter der Malerei, steht für Haltung und Arbeit zum und am bildnerischen Begriff. Progressiv, überzeugt, passioniert.

„Markus Oehlen & Meisterschüler“ in der Galerie Noah im Augsburger Glaspalast ist eröffnet, wartet geduldig auf Interessenten und Besucher, die mit allem rechnen dürfen, nur nicht mit Langeweile oder schlechter Laune – kommen, sehen, staunen und schmunzeln Sie (wieder), wir freuen uns auf Sie!

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