Krebs und Kinderwunsch – Was ändert sich durch die Richtlinie des G-BA?
Krebs ist bei über 80 Prozent der jungen Menschen heilbar. Aber der Preis ist in vielen Fällen hoch, denn Krebsbehandlungen können zu Unfruchtbarkeit führen. Ein erprobter Ausweg ist seit vielen Jahren das Einfrieren von Spermien oder Eizellen für eine spätere künstliche Befruchtung. Die Kosten von bis zu 4.300 Euro mussten die Betroffenen jedoch selbst tragen. Dies wurde mit dem Gesetz vom Mai 2019 grundsätzlich geändert. Am 19. Februar 2021 ist die für die Umsetzung notwendige Richtlinie des G-BA mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger endlich in Kraft getreten.(1)
„In der Gesundheitspolitik hat sich eine unerträgliche Bürokratie breit gemacht“, sagt Prof. Dr. med. Mathias Freund, Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, und fährt fort: „Nach der Freigabe durch das Gesundheitsministerium am 19. Januar hat es noch einmal einen Monat gedauert, bis die Richtlinie im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht wurde und damit endlich in Kraft trat. Wir bekommen täglich Hilfeanfragen von Betroffenen. Die haben nicht so viel Zeit!“, sagt Freund.
Dazu kommt eine weitere schlechte Nachricht: Es wird sich für viele Betroffene durch das Inkrafttreten der Richtlinie nichts ändern. Nur bei knapp einem Drittel der Versicherten zahlen die Krankenkassen nach Informationen der Stiftung schon jetzt. Dies ist jedoch ein Entgegenkommen auf Einzelfallbasis. Die Mehrzahl der Versicherten muss noch selbst zahlen.
„Bei Hilfeanfragen an die Stiftung fallen einige große Krankenkassen besonders negativ auf – darunter die AOK Bayern oder die Barmer“, erklärt Freund. Sie verweigern die Zahlung auf Grundlage von § 87 Abs. 5b Satz 1 SGB V. Dort steht, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) erst noch angepasst werden muss, wenn der G-BA neue Leistungen einführt. Der EBM ist eine Preisliste für ärztliche Leistungen. Für die Anpassung hat der mit Ärzt:innen und Krankenkassen besetzte Bewertungsausschuss sechs Monate Zeit. Wird die Frist nicht eingehalten, könnte das Gesundheitsministerium die Sache per Ersatzvornahme regeln. „Wie wahrscheinlich ist das wohl unmittelbar vor der Bundestagswahl?“, fragt Freund.
Es ist natürlich vernünftig, feste Preise für die Kassenleistungen zu haben. Aber das Einfrieren von Spermien und Eizellen wird seit vielen Jahren praktiziert, und die Leistungen dafür werden bereits in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgebildet. Es gibt also festgelegte Preise. Nur eben nicht im EBM.
„Was spräche dagegen, wenn die Krankenkassen nach der Einführung neuer Leistungen für die Zeit bis zur Anpassung des EBM nach GOÄ zahlen müssten, wenn es dort Ziffern gibt?“, so Freund. „Damit hätte der Bewertungsausschuss auch ein Motiv für schnelle Arbeit, denn die Preise der GOÄ sind höher als die des EBM.“
Die Frist für die Anpassung des EBM endet im August 2021. „Hoffentlich wird die Fruchtbarkeitserhaltung dann endlich als Routine von den Kassen übernommen“, sagt Prof. Dr. med. Diana Lüftner, Vorstand der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. „Das Gesetz ist dann mehr als zwei Jahre alt. Diese Verzögerung verstehen die Betroffenen nicht.“
„Zumal die Richtlinie von den medizinischen Inhalten her bereits im Juli 2020 vollständig ausgearbeitet und durch den G-BA beschlossen war. Sie wurde dann aber zurückgezogen, weil noch Leistungserbringer fehlten. Diese rein technischen Dinge hätte man nachbessern können. Wäre es damals weitergegangen, könnte der EBM bereits jetzt angepasst sein“, ergänzt Freund.
Ein weiterer Punkt: Nicht für alle Leistungen bei der Fruchtbarkeitserhaltung sind neue EBM-Ziffern notwendig. Für notwendige Laborwerte existieren bereits EBM-Ziffern. Wesentliche Kosten für die Eizellkonservierung entstehen mit ca. 1.500 Euro durch Hormone für die Eizell-Stimulation. Arzneimittelpreise werden aber nicht im EBM festgelegt. „Diese Kosten könnten ohne Weiteres übernommen werden. Die pauschale Ablehnung der Kostenübernahme durch einige Krankenkassen ist auf keinen Fall gerechtfertigt“, so Freund.
Die Stiftung bittet einmal mehr die Krankenkassen, die Fruchtbarkeitserhaltung für junge Krebspatient:innen bereits jetzt auf Einzelfallbasis zu übernehmen. „Die Diagnose Krebs stellt viele Hoffnungen und Erwartungen an das Leben mit einem Schlag infrage. Nehmen Sie den jungen Menschen wenigstens die Sorge um eine zukünftige Familie“, appelliert Lüftner an die Krankenkassen.
Jedes Jahr erkranken in Deutschland nahezu 16.500 junge Frauen und Männer im Alter von 18 bis 39 Jahren an Krebs. Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist Ansprechpartnerin für Patient:innen, Angehörige, Wissenschaftler:innen, Unterstützer:innen und die Öffentlichkeit. Die Stiftungsprojekte werden in enger Zusammenarbeit mit den jungen Betroffenen, Fachärzt:innen sowie anderen Expert:innen entwickelt und bieten direkte und kompetente Unterstützung für die jungen Patient:innen. Die Stiftung ist im Juli 2014 von der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. gegründet worden. Alle Stiftungsprojekte werden ausschließlich durch Spenden finanziert. Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist als gemeinnützig anerkannt.
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