Kunst & Kultur

12. März 1737: Der Tod des Herzogs und die Verfolgung Joseph Süß Oppenheimers

Am 12. März 1737, vor genau 284 Jahren, starb Herzog Carl Alexander von Württemberg im Residenzschloss Ludwigsburg – ganz unerwartet. Noch am selben Tag wurde sein Ratgeber und Bankier Joseph Süß Oppenheimer festgenommen. Auf dem Hohenneuffen verhörte man ihn, ehe er in einem Scheinprozess zum Tode verurteilt wurde. Sein Prozess und die Verurteilung zum Tod stehen bis heute als berüchtigtes Beispiel für ein antisemitisches Unrechtsurteil. Deutschlandweit wird in diesem Jahr mit einem großen Jubiläumsprogramm an „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erinnert. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg machen sich auf Spurensuche in den Monumenten des Landes.

Ein antijüdischer Scheinprozess beginnt

Als Herzog Carl Alexander von Württemberg ganz unerwartet am 12. März 1737 im sogenannten Riesenbau des Residenzschlosses Ludwigsburg starb, zögerte man nicht lange: Noch am selben Tag wurde Joseph Süß Oppenheimer, der jüdische Berater des Herzogs, verhaftet. Hochverrat, Beraubung der staatlichen Kassen, Bestechlichkeit, sexuelle Beziehungen mit Christinnen und die Schändung der protestantischen Religion – all das und noch weiteres warf man ihm vor. Der anschließende Gerichtsprozess war eine Farce, das Urteil gegen den jüdischen Ratgeber stand bereits zu Beginn fest: Oppenheimer wurde zum Tode verurteilt. Die Ereignisse um den Berater des Herzogs zählen zu den dunklen Kapiteln der württembergischen Geschichte.

Der Hoffaktor des Herzogs

Josef Süß Oppenheimer (1698-1738) wuchs im kurpfälzischen Heidelberg in einer angesehenen Kaufmannsfamilie auf. Als Finanzier für den Kurfürsten von der Pfalz und den Bischof von Köln kam er zu Wohlstand. 1732 lernte Oppenheimer Carl Alexander, den zukünftigen Herzog von Württemberg, kennen. Der Thronfolger ernannte ihn noch im selben Jahr zu seinem „Hoffaktor“.  Seine Aufgaben: Oppenheimer sollte für Carl Alexander Luxuswaren, Kriegsgüter und Kapital bereitstellen – im Gegenzug stand er unter dem besonderen Schutz des künftigen Herzogs. Denn eigentlich war das jüdische Leben in Württemberg seit dem Ende des 15. Jahrhunderts verboten. Juden waren keine normalen Bürger, sondern „Schutzjuden“, die den ausdrücklichen Schutz des Landesherrn benötigten.

Reformer und Berater

Als Carl Alexander 1733 den Thron bestieg, wurde Oppenheimer zum herzoglichen Ratgeber befördert. Mit umfangreichen Reformen wollte er das Herzogtum modernisieren und die knappen Kassen des Herzogs füllen. Mit den neuen Steuern zog sich Oppenheimer mächtige Feinde zu: die Landstände, die Vertretung des württembergischen Patriziats. Die Probleme lagen jedoch tiefer: Herzog Carl Alexander war seit knapp 300 Jahren der erste Katholik, der das streng protestantische Württemberg regierte. Dass ausgerechnet Oppenheimer – ein Jude – ihn beriet, war eine zusätzliche Provokation. Zudem missachtete der Herzog die Tradition. Er holte nicht, wie vertraglich festgelegt, die Zustimmung der Landstände für seine Gesetze ein: Er erließ sie einfach so. Oppenheimer bemerkte die zunehmende Feindschaft gegen seine Person. Doch aus dem Dienst des Herzogs konnte er nicht ausscheiden. Carl Alexander drohte, dass er ihn ansonsten für vogelfrei erklären würde.

Haft und Verhör auf dem Hohenneuffen

Am 12. März 1737 starb Herzog Carl Alexander im Residenzschloss Ludwigsburg. Oppenheimer verlor plötzlich seinen Schutz. Wenig später wurde sein Personal verhaftet, sein Vermögen konfisziert und alle Schriftstücke beschlagnahmt. Am 30. März wurde er unter strenger Bewachung von zwei Offizieren und 60 Soldaten Landesfestung auf dem Hohenneuffen gebracht. Dort begann man mit dem Verhör. An den Aufenthalt Oppenheimers erinnert heute eine Gedenktafel in der mächtigen Ruine.

Verlegung auf den Hohenasperg und SCheinprozess

Zwei Monate später, am 30. Mai, wurde der ehemalige Berater auf den Hohenasperg verlegt. Akribisch gingen die Behörden jedem möglichen Verdachte nach. Sie wollten aufzeigen, dass Oppenheimer tatsächlich der böse und korrupte Ratgeber war, für den sie ihn hielten. Oppenheimers Pflichtverteidiger, „ein ehrlicher Kerl“, der ihm „mit Eifer und Fleiß und Treue gedient“ habe, verfasste eine Verteidigungsschrift für seinen Mandanten – auf über 400 Seiten versuchte er die die Vorwürfe zu entkräften. Vom Gericht wurde das Dokument nicht einmal zur Kenntnis genommen. Denn das Urteil stand von Anfang an fest. 

Eine Hinrichtung als Spektakel

Im Januar 1738 wurde Oppenheimer in Stuttgart in einem Käfig ausgestellt. Man unterbreitete ihm ein Angebot: Falls er zum Christentum übertreten würde, sollte er begnadigt werden. Oppenheimer blieb jedoch standhaft. Am 4. Februar wurde er schließlich vor den Toren Stuttgarts getötet. Seine Hinrichtung war ein Spektakel: Eigens hatte man Tribünen errichtet, damit die große Volksmenge einen guten Blick haben konnte. Wirte sollen Bier und Wein verkauft haben, reisende Händler Flugblätter, die den zu Tode Verurteilten schmähten. An einem 12 Meter hohen Galgen – der damals höchste im Alten Reich – wurde Oppenheimer mit einem Strick erdrosselt. Seine Leiche wurde anschließend in einen rot gestrichenen Käfig gehoben. Zur Warnung ließ man den Leichnam sechs Jahre lang dort hängen. Erst 1744 verfügte Herzog Carl Eugen bei seinem Regierungsantritt den Galgen abzuhängen.

„Jud Süß“ und die antijüdische Propaganda
Der Fall Oppenheimer wurde immer wieder aufgegriffen, kommentiert und instrumentalisiert. Sowohl Wilhelm Hauff als auch Lion Feuchtwanger setzten sich mit dem historischen Oppenheimer auseinander. Die Skandalgeschichte wurde auch verfilmt: Einmal 1934 für die englischen Kinos als „Jew Süss“ – Oppenheimer ist hier ein selbstbewusster Geschäftsmann, der seine Glaubensbrüder und -schwestern aus ihrer Armut befreien wollte. Einmal als antisemitischer „Jud Süß“ von Veit Harlan 1940. Der Film diente der SS und dem Personal der Vernichtungslager als Lehrfilm. Der Jud Süß des Nazi-Regisseurs Harlan lügt und betrügt, lässt foltern und vergewaltigt. Das Propagandawerk sollte die Hemmungen bei der Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen beseitigen.

SERVICE: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Im Jahr 2021 kann jüdisches Leben in Deutschland auf eine 1700-jährige Geschichte zurückblicken, die im Rahmen eines bundesweiten Themenjahres mit zahlreichen Veranstaltungen beleuchtet werden soll. Seit dem Jahr 321 leben Jüdinnen und Juden nachweislich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands: Ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin erwähnt die Kölner Jüdische Gemeinde. Es gilt als ältester Beleg jüdischen Lebens in Europa nördlich der Alpen. Die baden-württembergische Landesregierung stellt die Vermittlung und die positive Akzentuierung von vielfältigem jüdischem Leben heute und der 1700-jährigen jüdischen Geschichte und Kultur auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands ins Zentrum des Festjahres. Zugleich gilt es, dem wiederauflebenden Antisemitismus in Europa entgegenzuwirken. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg machen sich auf eine Spurensuche in den Monumenten des Landes.

Hinweis
Alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sind nach der aktuellen Corona-Verordnung des Landes mindestens bis zum14. März geschlossen.

www.festungsruine-hohenneuffen.de

www.schloesser-und-gaerten.de

Über Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

KOMMEN. STAUNEN. GENIESSEN. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg öffnen, be-wahren, vermitteln und vermarkten 62 historische Monumente im deutschen Südwesten. 2019 besuchten rund 4 Mio. Menschen diese Originalschauplätze mit Kulturschätzen von höchstem Rang: darunter Schloss Heidelberg, Schloss und Schlossgarten Schwetzingen, das Residenzschloss Ludwigsburg, Schloss und Schlossgarten Weikers-heim, Weltkulturerbe Kloster Maulbronn, Kloster und Schloss Salem sowie die Festungsruine Hohentwiel.

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