Auf frischer Tat ertappt
Etwa 71 Millionen Menschen weltweit sind chronisch mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert. Anders als bei Virusinfektionen wie Erkältung oder Grippe, die vom Immunsystem erfolgreich abgewehrt werden und das Virus eliminiert, kann die Hepatitis-C-Infektion chronisch werden und Leberversagen oder Leberkrebs verursachen. Bis heute gibt es keinen Impfstoff gegen eine Hepatitis-Erkrankung. Die Infektion mit HCV führt zunächst zu den für virale Infektionen typischen Immunreaktionen: Die Virusinfektion wird über verschiedene Mustererkennungsrezeptoren (pattern recognition receptors, PRRs) wahrgenommen, die bestimmte Signalkaskaden des Immunsystems auslösen. Dabei aktivieren sogenannte Transkriptionsfaktoren die Expression von Zielgenen und die Bildung von Proteinen, zu denen beispielsweise auch Interferone gehören. Interferone sind Gewebshormone, die u.a. antivirale Wirkung entfalten, indem sie wiederum die Transkription anderer Gene aktivieren. Die Transkription ist also ein zentraler Schritt bei der Steuerung der Funktionalität der Zelle: Es werden Gene für genau die Proteine abgelesen, die zu diesem Zeitpunkt gebraucht werden. Die Kenntnis über die transkriptionellen Prozesse in der Zelle liefert daher wertvolle Informationen über die zu diesem Zeitpunkt ablaufenden Prozesse in der Zelle und wie sie sich durch bestimmte Einflüsse verändern.
In einer multizentrischen Zusammenarbeit mit anderen Forscherteams aus Deutschland untersuchten Dr. Richard Brown, Leiter der Forschungsgruppe "Virus-Tropismus und Immunogenität" der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, und sein Team die frühe Phase der HCV-Infektion mittels "transcriptional profiling". Die transkriptionelle Profilierung basiert auf "next generation sequencing" (NGS) zellulärer RNAs und liefert Momentaufnahmen der virusvermittelten zellulären Reprogrammierun. Für ihre Untersuchung nutzte die Forschungsgruppe Material von sieben HCV-negativen Patientinnen und Patienten, bei denen aus medizinischen Gründen ein Teil der Leber entfernt wurde (Leberresektion). Die Leberzellen (Hepatozyten) wurden im Labor von Prof. Thomas Pietschmann am TWINCORE in Hannover mit HCV infiziert. Die daraus resultierenden zellulären transkriptionellen Veränderungen wurden zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Infektion analysiert.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten zu den verschiedenen Zeitpunkten komplexe virusinduzierte "Fußabdrücke" in der Transkriptionslandschaft der Zellen, die mit der Zeit an Größe zunahmen. Diese GenDysregulation betraf Prozesse, von denen bekannt ist, dass sie sowohl an derVirusbeseitigung als auch an der Viruspersistenz beteiligt sind. Diese gleichzeitige antagonistische Dysregulation von proviralen und antiviralen Programmen erleichtert die Toleranz des Wirts gegenüber dem Virus, hält die Viruskonzentration in der Leber niedrig und begünstigt so die Progression zur chronischen Infektion. Diese Ergebnisse decken die Signaturen der Wirts-Virus-Interaktionen in der frühen HCV-Infektion auf und werfen ein neues Licht auf die viralen Mechanismen, die genutzt werden, um sich der Eliminierung durch das Immunsystem zu entziehen, was letztlich zur Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs beitragen kann.
Originalpublikation
Tegtmeyer B, Vieyres G, Todt D, Lauber C, Ginkel C, Engelmann M, Herrmann M, Pfaller CK, Vondran FWR, Broering R, Vafadarnejad E, Saliba AE, Puff C, Baumgärtner W, Miskey C, Ivics Z, Steinmann E, Pietschmann T, Brown RJP (2021): Initial HCV infection of adult hepatocytes triggers a temporally structured transcriptional program containing diverse pro- and anti-viral elements.
J Virology Mar 3 [Epub ahead of print].
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