Gesundheit & Medizin

DMP Brustkrebs: IQWiG sieht Aktualisierungsbedarf

Disease-Management-Programme (DMP) sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen: Patientinnen und Patienten mit bestimmten chronischen Krankheiten können sich bei ihrer Krankenkasse in ein DMP einschreiben, damit sie über Einrichtungsgrenzen hinweg nach einheitlichen Vorgaben behandelt werden. Das koordinierte Vorgehen soll dazu beitragen, die Versorgung zu verbessern sowie Komplikationen, Krankenhausaufenthalten und Folgeschäden vorzubeugen. Die Anforderungen an ein DMP regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL).

Das geltende DMP Brustkrebs ist zuletzt zum 1. Oktober 2018 aktualisiert worden. Im Auftrag des G-BA hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun aktuelle evidenzbasierte Leitlinien zu Brustkrebs identifiziert und deren Empfehlungen mit der DMP-A-RL abgeglichen. Demnach sollten fast alle Versorgungsaspekte des geltenden DMP Brustkrebs überarbeitet werden, heißt es im IQWiG-Abschlussbericht, für den das Projektteam insgesamt 905 Empfehlungen aus 26 Leitlinien in die Analyse einbezog. Darüber hinaus verweist das Institut auf zwei relevante Themen, die im DMP Brustkrebs noch nicht berücksichtigt sind.

Mehr als 140.000 gesetzlich Krankenversicherte im DMP Brustkrebs

Brustkrebs ist mit rund 69.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. In seltenen Fällen kann Brustkrebs auch bei Männern auftreten (2016 wurden 710 Neuerkrankungen bei Männern erfasst). Die relative 10-Jahres-Überlebensrate bei Frauen betrug 2016 etwa 82 Prozent, bei Männern etwa 72 Prozent. Das mittlere Erkrankungsalter lag 2016 für Frauen bei 64 Jahren, für Männer bei 72 Jahren.

Im Juni 2020 waren bundesweit insgesamt 144.845 gesetzlich Krankenversicherte im DMP Brustkrebs eingeschrieben.

Neue Erkenntnisse zum Einsatz der Chemotherapie und zu Biomarkern

Vor allem im Bereich der systemischen Therapie des Brustkrebses – also bei Therapien, die wie Chemotherapien über den Blutkreislauf transportiert werden und so im ganzen Körper wirken – gibt es neue Erkenntnisse, die im DMP Brustkrebs bisher noch nicht ausreichend berücksichtigt sind. Dazu zählt der teilweise empfohlene großzügigere Einsatz systemischer Therapien bereits vor der Operation oder auch den Einsatz verschiedener zielgerichteter Therapien (z. B. Antikörper oder Kinaseinhibitoren) insbesondere bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs.

Im Gegensatz zur geltenden DMP-A-RL empfehlen aktuelle Leitlinien darüber hinaus den Einsatz biomarkerbasierter Tests. Der G-BA hatte im Juni 2019 einen ersten biomarkerbasierten Test zur Unterstützung der Therapieentscheidung für oder gegen eine Chemotherapie bei Brustkrebs ohne Lymphknotenbefall in die Regelversorgung aufgenommen (in einer bestimmten Fallkonstellation). Neben dem Oncotype-DX-Test können nach einem G-BA-Beschluss vom Oktober 2020 künftig drei weitere biomarkerbasierte Tests (MammaPrint, EndoPredict und Prosigna) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden, wenn für die Patientin auf Basis klinisch-pathologischer Kriterien keine eindeutige Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie getroffen werden kann. Auch beim Einsatz von biomarkerbasierten Tests sieht das IQWiG deshalb Aktualisierungsbedarf für das DMP Brustkrebs.

Neue Leitlinienempfehlungen gibt es auch zur operativen Lymphknotenentfernung im Achselbereich und im regionären Lymphabflussbereich: Gemäß DMP-A-RL sollen mindestens zehn Lymphknoten aus Level I und Level II entfernt werden. Diese Vorgabe wird durch die aktuellen, in den Abschlussbericht eingeschlossenen Leitlinien nicht länger gestützt – zur Anzahl der zu entfernenden Lymphknoten werden vielmehr keine Angaben gemacht. Zwei Leitlinien definieren zudem Bedingungen, unter denen bei nur einem oder zwei positiven Sentinel-Lymphknoten auf eine Axilladissektion ganz verzichtet werden sollte.

Besonderheiten bei älteren Patientinnen

Ein Versorgungsaspekt, bei dem das Alter der Brustkrebspatientinnen unter anderem eine Rolle spielt, ist die Strahlentherapie. So ist beispielsweise die Indikation zur Durchführung einer Boost-Bestrahlung – also einer kurzen, extra starken Bestrahlung der ehemaligen Tumorregion – bei invasivem Tumor im Alter von 51 bis 70 Jahren auf Fälle mit einem erhöhten lokalen Rückfallrisiko zu beschränken. Für diesen Versorgungsaspekt zeigt das IQWiG in seinem Abschlussbericht eine Diskrepanz einzelner Leitlinien-Empfehlungen zur DMP-A-RL auf.

Besonders ältere Patientinnen benötigen zudem eine gut abgewogene onkologische Therapie, um eine Über- oder Untertherapie zu vermeiden. Der IQWiG-Abschlussbericht hebt insgesamt hervor, dass die Versorgung älterer Patientinnen in der DMP-A-RL gezielter und ausführlicher aufgegriffen werden sollte.

Zusätzliche Aspekte

Das IQWiG fand in den Leitlinien darüber hinaus auch Versorgungsaspekte beschrieben, die bisher nicht in der DMP-A-RL thematisiert werden: „Brustkrebs des Mannes“ sowie „Brustkrebs und Schwangerschaft“. Hier sei eine Aufnahme in die DMP-A-RL zu diskutieren.

Keine Diskrepanzen zwischen den Leitlinienempfehlungen und der DMP-Anforderungs-Richtlinie sieht das IQWiG bei den Punkten „Vorgehen bei nicht tastbarem Befund“, „Brustkrebs und Multimorbidität“, „Kardiotoxizität“ sowie bei den palliativmedizinischen Maßnahmen.

Zum Ablauf der Berichterstellung

Der G-BA hat das IQWiG im November 2019 mit einer Leitliniensynopse zur Aktualisierung des DMP Brustkrebs beauftragt. Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG im September 2020 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und im Februar 2021 als Abschlussbericht an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. Der Bericht wurde unter Beteiligung eines externen Sachverständigen erstellt.

Über Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht. Wir informieren laufend darüber, welche Vor- und Nachteile verschiedene Therapien und Diagnoseverfahren haben können.

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