Euthanasie auf dem Vormarsch – Ein Überblick
Niederlande: Jetzt auch Kinder unter 12
In den Niederlande sollen die 2002 legalisierte „Tötung auf Verlangen“ und der „ärztlich assistierte Suizid“ erneut weiter liberalisiert werden. Demnach sollen Ärzte, die unheilbar erkrankte Kinder unter 12 Jahren töten, künftig von der Strafverfolgung ausgenommen werden. Eine entsprechende Regelung kündigte der niederländische Gesundheitsminister Hugo de Jonge in einem Schreiben an das niederländische Parlament an. In dem Schreiben zitierte de Jonge auch eine Studie, der zufolge die geplante Neuregelung etwa fünf bis zehn Kinder pro Jahr betreffen werde. Die Untersuchung zeige, dass es „unter Eltern wie Ärzten das Bedürfnis nach der aktiven Beendigung des Lebens von unheilbar kranken Kindern gibt, die hoffnungslos und unerträglich leiden und in der absehbaren Zukunft sterben werden“. Eine Änderung des Gesetzes sei dafür nicht nötig.(1) Derzeit erlaubt die Niederlande die Euthanasie von Kindern ab dem zwölften Geburtstag, wenn diese dazu ihre Einwilligung geben. Schon länger legalisiert ist die Tötung von schwerkranken Neugeborenen und Säuglingen auf Wunsch der Eltern im ersten Lebensjahr. Hier erfolgt die Tötung nach dem sogenannten Groningen-Protokoll. Darüber hinaus will die niederländische Regierungspartei D66 einen Gesetzentwurf zur Euthanasie von Menschen vorlegen, die ihr Leben als „vollendet“ betrachten. Nach Worten der D66-Abgeordneten Pia Dijkstra sollen ihnen ein eigens ausgebildeter Berater für das Lebensende zur Seite gestellt werden. Diese sollten feststellen, ob sich die Betreffenden tatsächlich frei für die Euthanasie entschieden hätten.(2)
Spanien: Tod auf Kosten der Allgemeinheit
In Spanien hat der „Congreso des los Disputados“ Ende vergangenen Jahres eine Gesetzesvorlage verabschiedet, welche die Euthanasie in dem ehemals katholischen Land legalisieren würde. In der Abgeordnetenkammer der „Cortes Generales“, wie das Parlament in Spanien auch genannt wird, stimmten 198 Parlamentarier für den Gesetzesentwurf. 138 votierten dagegen.(3) Findet die Gesetzesvorlage auch im „Senado“, der zweiten Parlamentskammer, eine Mehrheit, wäre Spanien nach den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Kanada, Neuseeland und Portugal das siebte Land der Welt, in dem Euthanasie straffrei gestellt würde. Der Gesetzentwurf der links-sozialistischen Regierungskoalition von Ministerpräsident Pedro Sanchez sieht vor, dass Ärzte Sterbewilligen ein tödliches Präparat verschreiben sowie selbst verabreichen dürfen. Voraussetzung ist, dass der Sterbewillige volljährig ist, die spanische Staatsangehörigkeit besitzt oder aber seinen Lebensmittelpunkt in Spanien hat und an einer „schweren und unheilbaren Krankheit“ leidet. Sterbewillige müssen ihren Sterbewunsch schriftlich dokumentieren und wiederholt im Abstand von mindestens 14 Tagen einreichen. Der das tödliche Präparat verschreibende oder applizierende Arzt muss den Sterbewilligen zuvor untersucht haben und ihm Alternativen zur „Tötung auf Verlangen“ und einem medizinisch unterstützten Suizid aufgezeigt haben. Die Kosten sollen die gesetzlichen Krankenkassen, also die Allgemeinheit tragen.(4)
Portugal: Mutiger Präsident
Mit 136 gegen 78 Stimmen bei vier Enthaltungen hat das Parlament in Lissabon Ende Januar die Tötung auf Verlangen legalisiert. Das Gesetz, das, um in Kraft treten zu können, von Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa unterzeichnet werden muss, sieht vor, das Ärzte volljährige Patienten, die an einer unheilbaren Krankheit leiden, auf deren Verlangen straffrei töten können.(5) Der Präsident aber hat rechtliche und ethische Bedenken und hat das Gesetz dem Verfassungsgericht vorgelegt. Ihm wird zugetraut, daß er es auch bei einem positiven Urteil dennoch nicht unterzeichnet und blockiert.
Kanada: Der Tod als Sparkommissar
Seit 2016 sind in dem Land der Seen und Wälder, das mit seinen 38 Millionen Einwohnern auf eine Bevölkerungsdichte von gerade einmal 3,6 Personen pro Quadratkilometer kommt, sowohl die „Tötung auf Verlangen“ als auch der ärztlich assistierte Suizid legal. Einzelheiten regelt ein „Bill C-14“ genanntes Gesetz. Das schreibt vor, das Sterbewillige, die von dem Gesetz Gebrauch machen wollen, einwilligungsfähig und volljährig sein müssen. Außerdem müssen sie an einer schweren, unheilbaren Krankheit leiden. Diese muss so fortgeschritten sein, dass der natürliche Tod des Betreffenden „einigermaßen vorhersehbar“ ist. Ferner müssen zwischen dem Sterbewunsch und der Tat bislang zehn Tage verstreichen. Dem Obersten Gericht der Provinz Quebec ging das nicht weit genug.(6) Es erachtete die Beschränkung der Euthanasie auf Schwerkranke für verfassungswidrig und setzte der Regierung eine Frist, bis zur der diese das geltende Gesetz durch eine verfassungskonforme Novelle ersetzen müsse. Ursprünglich wäre diese Frist am 18. Dezember 2020 verstrichen, wurde jedoch verlängert. Der Grund: Aufgrund der weltweiten SARS-CoV-2-Pandemie konnte die von Kanadas Justizminister David Lametti im Februar 2020 eingebrachte Novelle, bisher nur vom Unterhaus beraten und verabschiedet worden. Für die unter dem Titel „Bill C-7“ firmierende Gesetzesvorlage votierten 212 Abgeordnete. 107 stimmten dagegen.(7) Sie sieht vor, die „Tötung auf Verlangen“ und den ärztlich assistierten Suizid auf chronische Kranke auszudehnen. Außerdem soll die zehntägige Bedenkzeit für Schwerkranke ersatzlos gestrichen werden.(8) Im Oktober 2020 veröffentlichte das Büro des Parlamentarischen Haushaltsausschusses in Quebec einen Bericht über die Einsparungen von Gesundheitskosten, die von einer weiteren Liberalisierung der Euthanasie zu erwarten seien. Der Bericht trägt den Titel „Cost estimate for Bill C-7 ,Medical Asssistance in Dying‘“ (dt.: Geschätzte Kosten für Gesetz C-7 ,Medizinische Unterstützung beim Sterben‘“). Zwischen 2016 und 2019 stieg die Zahl der Menschen, die von diesen Möglichkeiten Gebrauch machten von 1.015 auf 5.631. Wie es in dem Bericht heißt, sei das kanadische Gesundheitssystem dadurch um 89,6 Millionen kanadische Dollar (56 Millionen Euro) entlastet worden. Von der Ausdehnung des Personenkreises erwarten die Autoren des Berichts allein für 2021 Einsparungen von rund 149 kanadischen Dollar (96 Millionen Euro).(9)
Neuseeland: Fristenlösung für das Lebensende
Am 17. Oktober haben sich Neuseelands Bürger in einem Referendum, das zeitgleich mit den Parlamentswahlen stattfand, für eine Legalisierung der Euthanasie ausgesprochen. Wie die Wahlbehörde mitteilte, wurde eine entsprechende Vorlage mit 65,2 Prozent der Stimmen angenommen. Diese sieht vor, dass unheilbar kranke Erwachsene Anspruch auf einen medizinisch begleiteten Suizid haben, wenn zwei Ärzte übereinstimmend zu dem Ergebnis kommen, dass der Patient keine sechs Monate mehr zu leben hat. Ausgenommen sind Patienten, die aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr entscheidungsfähig sind. Das Parlament muss nun binnen eines Jahres ein entsprechendes Gesetz erarbeiten und verabschieden.(10)
USA: Die tödlichen Neun
Anders als in den Benelux-Ländern, wo es Ärzten gestattet ist, Patienten eigenhändig zu töten („Tötung auf Verlangen“) oder ihnen beim Suizid zu assistieren („ärztlich assistierter Suizid“), haben in den USA mehrere Bundesstaaten die als MAID“ (medical aid in dying, dt.: medizinische Hilfe im Sterben) verharmloste ärztliche Beihilfe zum Suizid legalisiert. Die gestattet es Ärzten, unter bestimmten Voraussetzungen Patienten zur Selbsttötung geeignete Präparate zu verschreiben. Solche Gesetze gibt es bereits in neun Bundesstaaten und im District of Columbia: In Oregon, Washington, Vermont, Montana, Kalifornien, Colorado, Hawaii sowie seit August beziehungsweise September vergangenen Jahres auch in New Jersey und Maine.(11)
(1) Vgl. https://www.aerzteblatt.de/….
(2) Vgl. https://www.aerzteblatt.de/….
(3) Vgl. https://www.elmundo.es/….
(4) Vgl. https://www.die-tagespost.de/….
(5) Vgl. https://www.aerzteblatt.de/….
(6) Vgl. https://www.cbc.ca/…
(7) Vgl. https://www.cbc.ca/….
(8) Vgl. https://www.cbc.ca/….
(9) Vgl. https://www.pbo-dpb.gc.ca/….
(10) Vgl. https://www.dw.com/….
(11) Vgl. Stefan Rehder: „Bitte, zum Ausgang“, in: LebensForum Nr. 136, 4 (2020) S. 4f.
Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.
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