Energie- / Umwelttechnik

Bundesverfassungsgericht stärkt mit seinem Urteil die Rechte junger und künftiger Generationen

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass das Klimaschutz­gesetz die Rechte junger Menschen und künftiger Generationen unzureichend schützt, weil es die gebotenen Klimaschutzverpflichtungen nur bis 2030 festschreibt und für die Folgezeit nur unzureichende Festlegungen trifft. Das Urteil wird auch Auswirkungen auf den Umgang mit anderen langfristigen Umweltrisiken haben.

Das Gericht führt aus, dass dem Klimaschutzgesetz „hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen“. Zudem stellt es klar, dass „die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden müssen“.

Die Urteilsbegründung bezieht sich ausführlich auf Analysen des SRU, die feststellen, dass nationale Klimaschutzziele im Einklang mit einem globalen CO2-Restbudget stehen müssen, und die hierfür einen Berechnungsvorschlag machen. Bei der Ableitung eines nationalen Restbudgets habe der Gesetzgeber aufgrund von Ungewissheiten und Wertungen zwar Entscheidungs­spielräume, er dürfe diese aber nicht „nach politischem Belieben ausfüllen“.

Ratsmitglied Prof. Wolfgang Lucht: „Der Staat steht durch unsere Verfassung in der Pflicht, die natürlichen Lebensgrundlagen auch für die künftigen Generationen zu schützen. Dies gilt für einen ausreichenden und international fairen Beitrag zum Klimaschutz ebenso wie für die Einhaltung der planetaren Belastungsgrenzen zur Stabilisierung der Erde. Wie der SRU in seinem Umweltgutachten 2020 empfohlen hat, sollte Deutschland als führendes Industrieland seine CO2-Emissionen daher auf maximal 6,7 Mrd. Tonnen ab 2020 begrenzen, um seiner sachlich, moralisch und nun auch rechtlich begründeten internationalen Verpflichtung nachzukommen.“

Prof. Wolfgang Köck, Umweltjurist des SRU: „Das Urteil ist ein Meilenstein, weil es erstmals das Staatsziel Umweltschutz und das ökologische Existenzminimum, das aus den grundrechtlichen Schutzpflichten als Mindestmaß zu gewährleisten ist, wirkungsvoll zur Geltung bringt. Es bekräftigt die Notwendigkeit, über den Umweltschutz auf der Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu entscheiden, und betont die besondere Verantwortung des demokratischen Gesetzgebers für den Umwelt- und Grundrechtsschutz.“

Ratsmitglied Prof. Claudia Kemfert: „Klimaschutz erfordert rasches Handeln und duldet keinen Aufschub. Schon beim Kohleausstieg wurde deutlich, dass ein maximales Treibhausgasbudget nicht überschritten werden sollte, dies gilt ebenso für die Energiewende und Verkehrswende.“

Ratsmitglied Prof. Josef Settele: „Auch beim Biodiversitätsschutz gilt es, das Vorsorgeprinzip anzuwenden. Nicht umsonst sieht der Weltbiodiversitätsrat dieses Prinzip als einen von fünf Hebeln, um den Wandel zu erreichen, den wir brauchen, um Artenvielfalt und Ökosystemfunktionen zu bewahren.“

„Das Vorsorgeprinzip gilt ebenso für gesundheitsrelevante Umwelteinflüsse wie Luft- und Lärmimmissionen. Eine Verschränkung von Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse liegt auf der Hand und wurde durch das Urteil gestärkt“, so die Vorsitzende Prof. Claudia Hornberg.

Relevante Veröffentlichungen des SRU:

Im Kapitel „Pariser Klimaziele erreichen mit dem CO2-Budget“ des Umweltgutachten 2020 hat der SRU analysiert, welche nationalen Klimaziele mit dem Pariser Abkommen vereinbar sind.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Wolfgang Lucht und Prof. Dr. Claudia Kemfert
Im Gutachten „Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen – Zur Legitimation von Umweltpolitik“ hat der SRU staatliche Umweltschutzpflichten und das Vorsorgeprinzip aus rechtlicher und naturwissenschaftlicher Perspektive analysiert.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Calliess (ehem. Ratsmitglied) und Prof. Dr. Wolfgang Lucht

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