Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen: „Bei zentralen Fragen der Kooperation ist recht wenig passiert“
Was für ein Signal ist das, in diesem angespannten Klima Regierungskonsultationen abzuhalten?
Mikko Huotari, Direktor MERICS: Das zeigt, die Bundesregierung ist bereit, einen recht hohen Preis für Dialog zu bezahlen. Es geht darum, auch in konfliktaufgeladenen Zeiten in die Beziehungen zu investieren und die Kooperationsagenda aufrecht zu erhalten, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde. Regierungskonsultationen waren der zentrale Mechanismus im Verhältnis zu China, Deutschland wollte damit auch das besondere Gewicht der Beziehungen demonstrieren. Es muss aber auch gefragt werden, was sind denn die konkreten Ergebnisse? Wir sehen natürlich eine rasante Vertiefung der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Zugleich hat sich im europäischen Gesamtgefüge China eher als Wettbewerber und Rivale aufgestellt. Bei zentralen Fragen der Kooperation ist eigentlich recht wenig passiert, auch wenn der Versuch hier immer war, diese weiter zu fassen und nicht nur auf Wirtschaftsbeziehungen und “globale Fragen” wie Klimakooperation zu begrenzen. In diesem Kontext wäre es schon ein “Erfolg” – mit Beigeschmack – am Mittwoch nicht hinter den Erklärungen der vergangenen Jahre zurückzubleiben.
Wie wichtig sind die Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands mit China in diesem ganzen Kontext, und wie groß ist der Einfluss der Wirtschaft? Spielt nicht die Sorge eine große Rolle, dass ein härterer Ton gegenüber China in einem Decoupling resultiert – einer Entkopplung, die Deutschlands Wirtschaft sicherlich nicht gut tun würde?
Mikko Huotari: Die deutsche Wirtschaft wie auch andere orientieren sich natürlich an der Wachstumsdynamik im chinesischen Markt. Die Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie wird zunehmend gesehen wird als eine, die abhängig ist von einer vertieften Verflechtung mit China. In deutschen Regierungsstellen und -ministerium ist natürlich klar, dass die deutsche Industrie eine stärkere Verknüpfung mit China sucht. Die deutsche China-Politik wird deshalb keine Entflechtung, ein Abkoppeln von China betreiben, sondern ganz im Gegenteil letztlich noch mehr China möglich zu machen versuchen.
Die EU hat sich offenkundig für einen härteren Ton gegenüber China entschieden. Warum schließt sich Deutschland dem nicht an und setzt auf eine doch eher deeskalierende Strategie? Deutschland hat sich in den vergangenen Wochen gar nicht zu den Sanktionen geäußert, auf EU-Ebene haben Kommissionspräsidentin von der Leyen und der Außenbeauftragte Borrell Berichten zufolge sogar in einem Brief an die Führungen der Mitgliedstaaten vor einem immer autoritären China gewarnt und für eine transatlantische China-Politik plädiert. Ist Deutschland da jetzt auf einem anderen Pfad?
Mikko Huotari: Ich glaube, das ist nicht der Fall. Bei vielen zentralen Fragen fallen europäische Entscheidungen mit Unterstützung Deutschlands. Das gilt für eine positive Agenda, wie beispielsweise der versuchte Abschluss des Investitionsabkommens (CAI). Das gilt aber auch für die Frage, wie die EU sich beispielsweise in Menschenrechtsfragen mit Blick auf Xinjiang oder Hongkong aufgestellt hat. An all diesen Stellen war Deutschland ja zumindest beteiligt. Aber es zeigt sich schon eine Differenz mit Blick auf die geostrategische Aufstellung. Da wird in Brüssel deutlicher transatlantisch gedacht als es im Moment in Berlin der Fall zu sein scheint. Bestrebungen der EU, in der Außenhandelspolitik oder auch beim Einsatz im Indo-Pazifik mehr Stärke zu zeigen, werden zwar in Deutschland grundsätzlich mitgetragen. Aber es gibt hierzulande wohl größeren Zweifel mit Blick auf die Verlässlichkeit des transatlantischen Bündnisses und die Tragfähigkeit neuer Partnerschaften im asiatischen Raum.
Gerade Deutschland hat doch jahrelang immer gesagt, wir müssen mit einer Stimme sprechen, damit wir überhaupt eine Chance haben, als Europa wahrgenommen zu werden. Das sogenannte 16+1, später 17+1–Format, in dem osteuropäische, nicht nur EU-Staaten eine Beziehung zu China aufgebaut haben, wurde vor allem von Berlin lange als Alleingang und schädigend für eine kohärente europäische China-Politik kritisiert. Jetzt macht Deutschland diesen Alleingang selbst, vielleicht mit Frankreich zusammen?
Mikko Huotari: Positiv formuliert ist das der deutsche Führungs-Ansatz, die eigenen Interessen zu europäisieren und die anderen Mitgliedstaaten zu überzeugen. Daneben steht aber auch die Erkenntnis, dass eine kohärente europäische Politik schwierig ist, gerade bei Prinzipien- und strategischen Fragen, bei denen regelmäßig einzelne Akteure ausscheren. Eins ist klar: Deutschland muss bei allen Schwierigkeiten noch viel stärker in seine eigene glaubwürdige Politik investieren, die andere EU-Partner mitnimmt. Sonst werden sich auch keine Bausteine für eine transatlantische Aufstellung, die funktioniert, ergeben.
Wie groß ist die Gefahr, dass sich an dieser Frage jetzt in Europa einfach so große Differenzen ergeben, dass am Ende eine einige China-Politik Europas gar nicht mehr möglich ist?
Mikko Huotari: Wir dürfen da nicht fatalistisch denken, aber wir müssen auch anerkennen, dass sich in vielerlei Hinsicht die Verhältnisse schon umgekehrt haben. Mitgliedstaaten im Osten Europas sind deutlich China-kritischer geworden, als es im Moment die Bundesregierung ist. Ein Mitgliedsstaat wie Italien stellt sich gerade in der China-Politik sehr dezidiert transatlantisch und sieht sich mehr als früher auch Europa verpflichtet. Hier droht schon die Gefahr, dass die Bundesregierung auf den letzten Metern der Kanzlerschaft Merkel einem Kurs in der China-Politik verhaftet bleibt, der neue geostrategische Grundkonstellationen nicht anerkennt und verkennt, dass sich der Wind auch in vielen anderen Mitgliedstaaten Europas gedreht hat. Das Interview führte ARD-Korrespondentin Ariane Reimers, derzeit Senior Fellow am MERICS.
Hören Sie hier im neuen MERICS Podcast Mikko Huotari zu den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Die Aufzeichnung des MERICS Web Seminars Deutsche China-Politik – Quo vadis? mit Bijan Djir-Sarai (FDP), Omid Nouripour (Die Grünen), Norbert Röttgen (CDU) und Nils Schmid (SPD) im Vorfeld der Regierungskonsultationen finden Sie hier.
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