Kommunikation

Die Unternehmenskultur im Kreuzfeuer der Definitionen

Die große Frage, die sich vor dem Hintergrund externer Einflüsse auf die Unternehmen stellt, lautet: Wie kann man die Veränderung der Unternehmenskultur gezielt steuern? Die externen Faktoren, wie Digitalisierung, demografischer Wandel oder globaler Handel sind nicht beeinflussbar und auch nicht vorhersehbar. In der Folge ist es deshalb nicht möglich, sich auf bestimmte Situationen vorzubereiten. Trotzdem schaffen es bestimmte Unternehmen immer wieder, auch oder sogar besonders in Krisen, gute Umsätze zu erwirtschaften, indem sie spezielle Produkte oder Dienstleistungen anbieten, wie etwa die konsequente Schwerpunktsetzung auf den Onlinehandel in der Coronakrise. In veränderten Situationen entstehen sogar neue StartUps, die trotz der bürokratischen Hürden zur Unternehmensgründung in Deutschland immer noch schnell genug sind, um etablierten Unternehmen Marktanteile abzunehmen. Es geht also um nicht weniger als eine Entscheidung über die Geschäftsmodellinnovation im Spannungsfeld zwischen Unternehmensgründung und Firmenumbau auf Basis einer zielgerichteten Unternehmenskultur, um dem Innovationsdruck des Marktes konstruktiv zu begegnen. Etablierte Unternehmen müssen sich darauf konzentrieren, ihre vorhandenen Produkte und Services durch inkrementelle Innovationen immer weiter zu verbessern oder zu verkaufen. Dadurch werden diese immer komplexer und teurer und sind irgendwann im Marktsegment nicht mehr relevant, während StartUps solche Situationen als Chance erkennen und mit neuen und/oder günstigeren Technologien und Businessmodellen bedienen oder gar grundsätzlich neue Märkte schaffen, welche schrittweise wachsen und schließlich in den existierenden Markt der etablierten Unternehmen eindringen und ihn zerstören, beziehungsweise ersetzen (1).

“Culture eats strategy for breakfast” (Peter Ducker)

Die Königsdisziplin eines Unternehmens besteht in der permanenten Fähigkeit und Bereitschaft zur Veränderung. Die Fähigkeit alleine genügt nicht, denn nur die aktivierte Fähigkeit führt zur Handlungsbereitschaft. In der Covid-Krise haben wir gelernt, wie schnell auch die größten Digitalisierungsmuffel plötzlich Online-Konferenzen im Alltag nutzen. In diesem Fall kam der Handlungsdruck von außen – nämlich durch die Coronakrise. Dieser Druck war besonders stark, weil die Bewegungsfreiheit quasi spontan eingeengt wurde. Doch was ist mit anderen, externen Veränderungsimpulsen, wie Digitalisierung, Globaler Wettbewerb, Brexit, oder Demografischer Wandel? Die Unternehmen sind nicht in der Lage, Einfluss auf die Veränderungen zu nehmen, also müssen wir reagieren. Bei der aktiven Veränderungsbereitschaft geht es um die Art und Weise, konstruktiv mit der Situation umzugehen.

Während Prof. Adrian Daub in seiner “Theorie der Schöpferischen Zerstörung” (2) in Bezug auf die Disruption sinngemäß behauptet, dass sich die Entwicklungen immer stärker beschleunigen und es daher nicht mehr möglich ist, die Dinge sinnvoll zu regulieren (3), gehen wir davon aus, dass dies durch die Schaffung agiler Rahmenbedingungen im Sinne von Werte- und Kompetenzentwicklung doch möglich ist. Eine besondere Rolle dabei spielt die Verfügbarkeit digitaler Technologien, um globale Kommunikation und Kollaboration zum Zwecke des selbstorganisierten Lernens und zur skalierbaren, zielgerichteten Entwicklungssteuerung.

Wenn sie für jede Bewältigung einer Veränderung erst ein Seminar besuchen müssen, rauscht der Zug der Innovation an ihnen vorbei und sie schauen hinterher. Dieser Rückstand  ist nicht mehr einzuholen. (Piwinger 2021)

Wenn wir versuchen, alte Lernmethoden zum Schritthalten einzusetzen, sind wir verloren. Im Kern benötigen wir also eine neue Art, uns weiterzuentwickeln. Das Lernverständnis muss sich grundlegend wandeln. Beim Thema “Corporate Learning” wird schnell  klar, dass wir vom Lernen auf Vorrat hin zum Workplace-Learning, zum informellen Lernen am Arbeitsplatz finden müssen. Die Lernformate von Workplace Learning sind vielfältig, doch zur Vereinfachung lassen sie sich in zwei Gruppen aufteilen: Das Solo-Lernen und das Lernen im Team. In beiden Fällen spielen Reflexion und Feedback eine wesentliche Rolle. Es geht nicht länger um das Ziel, vorgegebene Inhalte zu vermitteln, beziehungsweise zu konsumieren, sondern die Lerninhalte ergeben sich aus der jeweiligen Anforderung am Arbeitsplatz. Wir müssen lernen, auch dann entscheiden und handeln zu können, wenn nur unvollständige Informationen oder Erfahrungslücken vorhanden sind. Da wir Menschen nicht über so etwas wie eine Schwarmintelligenz verfügen, benötigen wir Hilfsmittel, um diesem Ziel etwas näher zu kommen. Ich nenne sie “digitale Krücken”. Im Einzelnen kann dies der Einsatz von Knowledge Management Systemen bedeuten, doch allein mit der Implementierung von Software kann der Wandel zur permanenten Veränderungsbereitschaft nicht gelingen. Nur verändertes Handeln (nicht Verhalten) kann die Tools zur sinnhaften Nutzung bringen.  Selbstorganisiertes Lernen setzt voraus, dass die Menschen  bereit sind, Wissen und Erfahrungen zu teilen, doch auch diese Bereitschaft muss trainiert werden. Trainieren bedeutet: In der Praxis üben und emotional erfahren. Erst, wenn eine Prinzip  verinnerlicht ist –  sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen-  kann man vom Leben nach bestimmten Werten sprechen, denn es sind die Werte, welche die Unternehmenskultur prägen. Doch was sind Werte und wie kann man die gezielte Entwicklung von Werten steuern, um eine veränderte Unternehmenskultur zu erreichen? Dazu müssen wir uns zunächst darüber im Klaren werden, was Werte sind. Die Werteentwicklung im Unternehmen erfolgt in Stufen:

  1. Prinzipien = Theoretische Grundsätze des Handelns (Analyse und Definition)
  2. Tugenden = Geübte Grundsätze des Handelns (Handlungsempfehlungen)
  3. Werte = Angewandte Grundsätze des Handelns (Verinnerlichung)

Somit wird klar, dass das Wertemanagement einen knallharten Wirtschaftsfaktor darstellt. Denn Werte sind unser innerer Antrieb zum Handeln. In der gezielten, aktiven Veränderung der Unternehmenskultur können wir das Handeln auf Basis von Werten verändern, jedoch nicht das tief innewohnende Verhalten, dafür wäre ein Arbeitsleben zu kurz. Doch wenn wir Werte für unsere Organisation entwickeln – dafür bieten sich bestimmte Methoden wie beispielsweise KOWEX ® (4) an-, dann können wir das Handeln in praktischen Projekten auf Basis der Werte trainieren. Wenn das übergeordnete Ziel also “Veränderungsbereitschaft” heißt, dann können wir auf allen Ebenen (Führungskräfte, Teams, Personen) adäquate Werte und Kompetenzen und deren Ausprägung definieren. Daraus lassen sich in der Folge entsprechende Handlungsempfehlungen für praktische Projekte zur Entwicklung der Werte und Kompetenzen herausarbeiten.

Es ist möglich, die Bereitschaft zum dezentralen selbstorganisierten Agieren in veränderten Situationen zu trainieren und in den Unternehmensalltag zu einzubringen, indem wir uns eine zielgerichtete Strategie für die Installation von Kompetenz- und Wertemanagement überlegen. In den Zielen definieren wir die Voraussetzungen für unser Unternehmen, um beispielsweise auch in den nächsten zehn Jahren noch erfolgreich sein zu können. Die Definition erfolgt durch Analysen aus digitalen 270 Grad Feedbacks bei Führungskräften, Teams und Mitarbeitern. Aus den Ergebnissen leiten wir die Sollwerte und unsere Mission ab, um anschließend alle Beteiligten in die Kompetenzentwicklung zu bringen: Dem Weg zum selbstorganisierten Entscheiden und Handeln auf der Basis gemeinsamer Werte. Die Installation von Kompetenz- und Wertemanagement als fester Prozess im Unternehmen ist die sichere Basis, um künftigen Veränderungen gelassen entgegenzusehen.

(1) The innovators dilemma, Clayton M. Christensen, 2016, Harvard Business review press
(2) Systemisches Innovations-und Kompetenzmanagement: Grundlagenprozesse-Perspektiven G Bergmann, J Daub – 2008 – Springer
(3) #Akzeleration, Nick Land et al., 2013, Merve Verlag
(4) KOWEX ® ist eine geschützte Marke der Orgabrain GmbH, Koblenz. Sie steht für „Kompetenz- und Wertematrix“.

Prof. Götz Piwinger ist  Strategieberater für New Work-Projekte mit Schwerpunkt HR. Durch seine kombinierte Erfahrung und Technik- sowie HR-Studium lernte er, dass Methoden und Systeme immer Hand in Hand zusammenwirken müssen, um eine wertschöpfende Lösung für Unternehmen schaffen zu können. Er ist mehrfacher Preisträger des HR-Innovation Awards, entwickelte das Handlungsmodell „New Work Management Action Plan“ und schuf die Softwarearchitektur von KOWEX® für Werte- und Kompetenzmanagement. Er ist Professor für Organisationslehre an der IUE Hochschule Basel und erfolgreicher Fachbuchautor.

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