Corona-Impfung: Was Ärzte rechtlich dabei beachten müssen
Das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen ist das höchste Gut bei der Behandlung des Patienten. Ein Eingriff, der gegen den Willen einer Person durchgeführt wird, ist automatisch rechtswidrig. Er kann strafrechtlich verfolgt werden und zu Schadenersatzansprüchen führen. Das weiß jede Ärztin und jeder Arzt.
Der freie Wille der Patienten ist entscheidend
Eine freie Willensentscheidung ist nur dann möglich, wenn der Betroffene über alle notwendigen Informationen verfügt, um diese Entscheidung qualifiziert treffen zu können. „Das wird bei der Corona-Impfung nicht die Kenntnis aller Studien, der relativen Wirksamkeit des jeweiligen Impfstoffs und dessen genaue Wirkungsweise umfassen“, erklärt Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München, „über mögliche Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber und Abgeschlagenheit auf der einen Seite und die Gefahren einer Corona-Infektion auf der anderen Seite sollte ein Impfpatient allerdings schon Bescheid wissen.“
Was aber, wenn der Patient diese Informationen gar nicht mehr aufnehmen und deswegen keine eigene, informierte Entscheidung treffen kann? Was, wenn der Wille eines Patienten nicht zu ermitteln ist oder er seinen Willen nicht mehr äußern kann?
Die Rolle des rechtlichen Betreuers
Für diese Fälle sieht der Gesetzgeber vor, dass ein rechtlicher Betreuer den Patientennach außen vertritt. Der Betreuer muss – auf Antrag oder von Amts wegen – vom Betreuungsgericht bestellt sein. Dabei werden je nach Erfordernis festgelegte Aufgabenkreise (beispielsweise Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Wohnungsangelegenheiten) des Betreuers bestimmt.
Aus Sicht des Impfteams ist also im ersten Schritt zu prüfen, ob
- für den kognitiv beeinträchtigten Patienten ein Betreuer bestellt ist und
- die Betreuung den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge umfasst.
Der Betreuer muss darauf achten, dass er nur Entscheidungen trifft, die sein Aufgabenkreis umfasst. Wichtig für alle Beteiligten ist, dass der Wille des Patienten zählt, nicht der des Betreuers. Es ist also, wo immer möglich, der Wille des Betreuten zu ermitteln und umzusetzen. „Aus diesem Grund empfiehlt es sich für Heimbetreiber und Betreuer, darauf hinzuwirken, dass der Betreute eine Patientenverfügung aufsetzt, solange er dazu noch in der Lage ist“, sagt Müller.
Die Funktion der Patientenverfügung
Liegt eine Patientenverfügung vor, ist im zweiten Schritt zu prüfen, ob diese auf die geplante Maßnahme – hier die Corona-Impfung – zugeschnitten ist. „Vermutlich ist das Thema Impfung in den wenigsten Patientenverfügungen geregelt. Vor der aktuellen Pandemie hat wohl kaum einer der älteren Patienten damit gerechnet, dass in ihrem Alter nochmals ein Impfung nötig wird“, erklärt Müller.
Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen. Auf dieser Grundlage ist zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme einwilligt oder sie untersagt. „Zu beachten ist, dass der Arzt bei einwilligungsunfähigen Patienten den Betreuer über die Impfung aufklären muss“, sagt Müller.
Wann die Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen ist
Wenn der Betreuer in eine behördlich empfohlene Impfung mit einem zugelassenen Impfstoff einwilligt, dürfte die betreute Person keinen Gefahren ausgesetzt sein, die es erforderlich machen, dass das Betreuungsgericht die Impfeinwilligung genehmigt. Ausnahmen davon sind dann denkbar, wenn die Impfung im konkreten Fall bei der betreuten Person wegen ihres gegenwärtigen Gesundheitszustands gefährlich wäre. Hierzu sollte der Betreuer ärztlichen Rat einholen.
Lehnt der Betreuer die Impfung ab, kann es sein, dass das Betreuungsgericht auch eine solche Ablehnung genehmigen muss. Das wäre nötig, wenn die betreute Person erheblich gefährdet ist, wenn sie nicht geimpft wird. „Eine Genehmigung des Betreuungsgerichts ist in beiden Fällen nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und den behandelnden Ärzten Einvernehmen über den Willen der betreuten Person besteht“, erklärt Müller.
Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München
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