Die Klasse der Segellegenden
Die deutsche Flotte hat gute Erinnerungen an die Weltmeisterschaft im deutschen Revier. 1939 sicherte sich Walter von Hütschler mit Vorschoter Edgar Bern den Titel, und Peter Hansohm/Christian Blankenburg gewannen Bronze. 1966 ging Deutschland vor Kiel zwar leer aus, doch 1977 holten Uwe von Below/Franz Wehofsich (NRV) Bronze. Gold ging in dem Jahr übrigens an die America’s Cup-Legende Dennis Conner (USA) mit Vorschoter Ron Anderson. 1993 ersegelten Alexander Hagen/Kai Falkenthal (NRV) ebenfalls den dritten Platz. Und auch in diesem Jahr hofft die deutsche Flotte auf den Heimvorteil in der Klasse, die wie keine andere Topsegler hervorgebracht hat.
Es sind die ganz großen Namen des Segelsports, die mit dem bis 2012 olympischen Starboot verbunden sind. Einige Ausnahmesegler, deren Namen fest mit dem Zweimann-Kielboot in Verbindung gebracht werden, sind der viermalige America’s Cup-Sieger Russell Coutts, der auch bei der Kieler Woche mit Beat Stegmeier (SUI) am Start war, der ehemalige Starboot-Weltmeister und America’s-Cup-Sieger Dennis Conner sowie der achtmalige Olympiateilnehmer in fünf Bootsklassen, vierfache Goldmedaillengewinner (1948 bis 1960 in Serie) und 13-fache Weltmeister in acht Bootsklassen (zweimal im Star) Paul Elvstrøm (DEN), der zweifache Starboot-Olympiasieger und Weltmeister Mark Reynolds (USA), der auch dreimal die Kieler Woche (1986, 2000 und 2002) im Starboot gewann, der fünffache Olympia-Medaillengewinner (davon zweimal Gold im Star) und mehrfache Kieler-Woche-Sieger Torben Grael aus Brasilien sowie der Brite Iain Percy, der nach Finn-Gold auch im Starboot Gold gewann und sich zweimal den Starboot-WM-Titel sicherte.
Der Brasilianer Robert Scheidt, der fünf olympische Medaillen (Silber und Bronze im Star) und zwölf WM-Titel (davon zwei im Star) gewann, und Frederik Lööf (SWE/Gold im Star 2012, jetzt OK-Jolle) sind heute noch Stammgäste der Kieler Woche, zuletzt 2019.
Die Liste der Internationalen Segelgiganten, die heute zum Teil im America’s Cup oder Ocean Race aktiv sind, ist überzeugend. Aber auch in Deutschland hat das Starboot eine große Tradition. Sechs WM-Titel, sechsmal die Vizemeisterschaft und fünfmal Rang drei stehen in der deutschen Star-WM-Bilanz seit 1922 zu Buche. In der Nationenwertung uneinholbar vorn sind erwartungsgemäß die USA mit 58x Gold, 52x Silber und 60x Bronze. Der erfolgreichste deutsche Starboot-WM-Steuermann ist übrigens Alexander Hagen mit insgesamt sechs WM-Medaillen (2x Gold, 2x Silber und 2x Bronze) – und das mit fünf verschiedenen Vorschotern. Das olympische Treppchen blieb dem Hamburger jedoch versagt.
In der deutschen WM-Rangliste folgen Walter von Hütschler (2x Gold, 1938 und 1939, 1x Silber 1937), Robert Stanjek/Frithjof Kleen (Gold 2014, Silber 2011), Willi Kuhweide/Karsten Meyer (Gold 1972), Achim Griese/Michael Marcour (Silber 1983), Werner Fritz/Ulrich Seeberger (Silber 1989), Peter Hansohm/Christian Blankenbrug (Bronze 1939), Uwe von Below/Franz Wehofsich (Bronze 1977) sowie Paul Sranick/Reinhard Schmidt (Bronze 2017).
Auch bei Olympischen Spielen konnten deutsche Starboot-Crews zumindest ein Medaillen-Set erringen. Zuletzt waren es Achim Griese/Michael Marcour 1984 mit Silber, davor Willi Kuhweide/Karsten Meyer 1972 mit Bronze sowie 1936 Dr. Peter Bischoff/Hans-Joachim Weise mit Gold.
Crews wie Marc Pickel/Thomas Auracher, Frank Butzmann/Kai Falkenthal und Johannes Polgar (zuvor erfolgreicher Tornadosegler) mit Markus Koy drückten dem Star ebenso ihren Stempel auf und vertraten die deutschen Farben.
Der Star, 1910 als offenes Zwei-Mann-Kielboot von William Gardner und Francis Sweisguth entworfen, erlebte von Beginn an einen rasanten Aufstieg: 1911 wurde ein internationaler Interessenverband gegründet und seit 1922 fast jährlich eine Weltmeisterschaft ausgetragen. Bereits 1932 wurde der Star als olympische Bootsklasse ausgewählt und war damit die erste Einheitsklasse, die bei Olympischen Spielen an den Start ging.
Ab 1968 verlief die Erfolgsgeschichte des Zweimann-Kielbootes dann eher wellenförmig. 1968 ersetzte die Tempest den Star, der jedoch dank seiner großen Beliebtheit und anerkannten Lobby den olympischen Status nach den Olympischen Spielen 1976 zurückerrang. Auch daran soll der Kieler Dierk Thomsen maßgeblich mitgewirkt haben. Doch für 2016 folgte das zweite endgültige olympische Aus.
Heute erlebt der Star seine zweite Renaissance. In vielen Nationen entdecken sportliche Segler das Zweimann-Kielboot für sich neu. Stets beliebt im Süden Deutschlands, entstand nun auch in Flensburg einer von mehreren Nachwuchsstandorten in Zentraleuropa. Auf der Ostsee stehen vier Starboote für Jugendmannschaften zur Verfügung. Und bereits 2020 fanden unter der Leitung von Robert Stanjek Trainingswochenenden statt. Vielleicht zeigen sich schon bei der diesjährigen Junioren-WM vor Kiel erste Erfolge.
Auch zur WM vor Kiel dürften bekannte Namen auf der Meldeliste auftauchen. Mateusz Kusznierewicz aus Polen und Bruno Prada aus Brasilien ersegelten beim Barcadi-Cup gerade Gold. Beide haben auch schon Kieler-Woche-Siege auf ihrem Konto. Kusznierewicz 2005, Prada an der Vorschot von Robert Scheidt 2010. Sie sind auch nach Jahrzehnten noch aktiv im Star.
Dritter beim Barcadi-Cup wurde Markus Koy als Vorschoter von Augie Diaz (USA). Der Hamburger gewann die Kieler Woche 2012 im Star und freut sich nun auf einen weiteren Einsatz in Kiel. Auch wenn manche Teilnehmer wohl eine eigenständige WM bevorzugt hätten, überwiegen auch für Markus Koy die organisatorischen Vorteile mit relativer Planungssicherheit in schwierigen Event-Zeiten. „Hauptsache, die WM kann stattfinden“, hofft der 46-Jährige, „auch wenn ich dann wohl auf meinen geliebten Nebenjob verzichten muss, weil ich die WM segeln will.“ Dafür trainierte er gleich nach der Rückkehr aus Miami und Quarantäne mit Jørgen Schönherr in Dänemark. Koy ist sonst als Experte Ko-Moderator beim Kieler Woche TV aktiv.
Um die Zukunft der Bootsklasse muss sich offensichtlich auch nach 111 Jahren niemand Sorgen machen – nicht zuletzt wegen dieser Meldung: Bis September 2019 wurden insgesamt 8556 Stare gebaut. – Hermann Hell
Das Starboot in Zahlen:
Länge üA: 6,92 m
Länge WL: 4,72 m
Breite üA: 1,73 m
Tiefgang: 1,02 m
Masthöhe: 10 m
Gewicht (segelfertig): 680 kg
Gewicht (Ballast, Kiel): 394,5–408,5 kg
Segelfläche:
Segelfläche am Wind: 27,92 m²
Großsegel: 20,5 m²
Fock: 7,5 m²
Starboot-Junioren-WM: 31. August – 3. September.
Starboot-WM: 4.-11. September.
Kieler Woche (4.-12. September)
Teil I:
Samstag, den 4. September – Dienstag, den 7. Sept.:
2.4mR, 420, 505, Contender, Europe, ILCA 4, OK, Waspz.
Teil II:
Donnerstag, den 9. Sept. – Sonntag, den 12. Sept.:
29er (Euro Cup), ILCA 6 (men), iQFoil M/W, ILCA 6, J/24, J/70, J/80.
Weltmeisterschaften:
Samstag, den 4. Sept. – Mittwoch, den 8. Sept.: FAREAST 28R WM.
Samstag, den 4 Sept. – Samstag, 11. Sept.: Star WM.
Seeregatten:
Samstag, den 4. Sept. – Sonntag, den 5. Sept.: Aalregatta & Welcome Race;
Montag, den 6. Sept. – Mittwoch, den 8. Sept.: Kiel-Cup;
Samstag, den 11. Sept – Sonntag, den 12. Sept.: Silbernes Band.
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