Herdenimmunität gelingt nur mit einem flexiblen Vergütungssystem für Mediziner/innen
„Hausarztpraxen sind vermutlich schon jetzt an ihrer Belastungsgrenze angelangt. Ärztinnen und Ärzten nun zu ihrer normalen Tätigkeit und ihren derzeitigen Mitteln, zusätzlichen Aufwand aufzubürden, indem sie Ungeimpfte vom Wert einer Corona-Impfung überzeugen sollen, scheint mir schwer machbar“, sagt Prof. Dr. Vitali Gretschko, Leiter des Forschungsbereichs „Marktdesign“ am ZEW Mannheim und Ko-Autor des ZEW policy brief. Fakt ist allerdings, wenn sich nicht genügend Menschen impfen lassen, würde dies das angestrebte Ziel der Herdenimmunität konterkarieren. Damit Impfunentschlossene aktiv erreicht werden, ist ein erheblicher Aufwand seitens der Mediziner/innen nötig. Darunter fallen Änderungen der Praxisöffnungszeiten, Überstunden, Bedarf an zusätzlichem Personal, mobile Impfleistungen, zusätzliche Software oder zusätzlich eingekaufte externe Dienstleistungen. „Die bisherige pauschale Kostenerstattung von 20 Euro pro Impfung deckt diesen Aufwand nur unzureichend und ist schlicht nicht effizient. Das ist zu wenig für eine Maßnahme, die langfristig wirkt und entscheidend für unser Gesundheitssystem ist“, erläutert Dr. Marion Ott, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Marktdesign“ und Ko-Autorin. Zum Vergleich: Ein Antigen-Schnelltest wird für Ärzte/-innen mit 15 Euro entlohnt. Da im Schnitt ein/e Patient/in sich häufiger testen als impfen lässt, ist das Testen insgesamt kostspieliger. Was es daher laut ZEW-Wissenschaftsteam braucht, ist ein flexibles und bedarfsorientiertes Kostenerstattungsschema für Mediziner/innen. Die Wissenschaftler/innen haben hierzu ein System entwickelt, das die unterschiedlichen Kosten sowie den Bedarf an Grund- und Zusatzimpfstoffen berücksichtigt und gleichzeitig eine faire Zusatzvergütung schafft. Die Erstattung kann mit geringem Verwaltungsaufwand realisiert werden. „Unser System bewirkt, dass das staatliche Budget effizient verteilt werden kann, damit möglichst viele Menschen geimpft werden. Zudem schafft eine zusätzliche Vergütung Anreize, dass Dienstleistungen rund um ein möglichst effizientes Impfen entstehen“, so Vitali Gretschko.
Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.
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