Logistikplanung – Vorgehen, Fallstricke, Tipps – Interview mit Intralogistik-Experte Tobias Lesting
Diese und andere Fragen beantwortet Kollege und Logistikberater Tobias Lesting im Interview mit Marc Frankenberger.
MF: Hallo Herr Lesting. In der Logistik geht es darum, die richtigen Produkte, in der richtigen Menge, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort bereitzustellen. Das muss ich Ihnen nicht sagen. Wie können Sie dies in Ihrer Logistikplanung sicherstellen?
TL: Hallo Herr Frankenberger. Ja, das stimmt. Materialverfügbarkeit ist essenziell. Bezogen auf die Projektierung gilt es zunächst den Betrachtungsbereich, somit den Fokus der Planung, zu bestimmen. Materialbewegungen lassen sich, ganz simpel gesagt, auf dem Werksgelände und außerhalb der Werkstrukturen identifizieren.
Mein Planungsfokus ist oftmals auf dem Werksgelände verortet und bezieht sich somit auf die Intralogistik-Planung.
Wenn wir über Materialbewegungen auf dem Werksgelände sprechen, so startet und endet, bei einem umfangreichen Standortkonzept, die Planung beim Pförtner. LKW-Verkehre auf dem Hof und Stapler- und Automatisierungstechniken in der Halle stellen in den meisten Fällen die Materialbewegungen sicher. Die Materialbevorratung wiederum wird durch definierte Lager- und Übergabepunkte sichergestellt. Die Materialverfügbarkeit an sich, was den Kern Ihrer Frage darstellt, ergibt sich aus den definierten Prozessen, der IT-Unterstützung und der Performance der Subsysteme an sich. Die Kunst der Logistikplanung besteht darin, die richtigen Systeme auszuwählen, zu dimensionieren und miteinander zu vernetzen.
MF: Das Thema klingt komplex. Wie nähern Sie sich dieser Thematik?
TL: Trivial ist es nicht, da gebe ich Ihnen Recht. Wir nähern uns über das MOT-Prinzip. Hierbei betrachten wir erst den Mitarbeiter, dann die dahinterliegende Organisation und erst am Schluss die Technik. Kurzum, wir sprechen zunächst mit den Mitarbeitern und versuchen einen grundsätzlichen Eindruck vom Unternehmen zu bekommen, bevor wir tiefer in Thematik einsteigen. Dies gilt im Übrigen für eine Planung im Bestand als auch für eine Neubauplanung.
MF: Ok, verstehe, sie sprechen zunächst mit den Menschen. Was passiert dann?
TL: Aus den Mitarbeitergesprächen nimmt man viel mit. Wünsche, Verbesserungs-potenziale, aber auch funktionierende Prozesse werden aus dem Blickwinkel der Mitarbeiter erläutert. In der nächsten Projektphase versuchen wir das Gehörte übereinzubringen und in der Folge zu verschriftlichen. Wir betrachten somit die Organisation des Unternehmens. Für die Darstellung der Materialflüsse bietet sich dabei die Sankey-Darstellung an, für die Abbildung der Prozesse und Informationsflüsse existieren hingegen verschiedene Modellierungstechniken aus dem Bereich BPMN.
MF: Im nächsten Schritt betrachten Sie die Technik, korrekt?
TL: Ja, korrekt. Wir kommen dabei über die Zahlen, Daten und Fakten. Wir versuchen uns über die sogenannten Kopfzahlen von ganz oben immer weiter nach unten zu nähern. Zu den Kopfzahlen gehören beispielsweise der Absatz, die Anzahl aktiver Artikel, die Auftragsanzahl sowie die Anzahlen der Mitarbeiter. Diese Zahlen geben uns eine erste, gute Orientierung und sind im Regelfall durch die Unternehmen leicht zu erheben. Im weiteren Verlauf begeben wir uns Stück für Stück eine Ebene tiefer. Je nach vorliegender Datenqualität kann dieser Prozess etwas aufwändiger sein. Ziel der Datenanalyse ist es, die in der Organisationsphase definierten Ist-Prozesse, -Bereiche und -Flüsse mit Ist-Mengenströmen, -Lagerplatzanzahlen und -Intensitäten zu belegen und etwaige Problemfelder abzuleiten. Mit dem Abschluss dieser Phase ergibt sich ein transparentes Bild der vorliegenden Ist-Situation.
MF: Das MOT-Prinzip und das Vorgehen habe ich verstanden. Wie erreichen Sie in den Projekten eine Verbesserung der Logistik?
TL: Berechtigte Frage. All das, was ich Ihnen bisher erläutert habe, betrifft die Aufnahme und Analyse der Ist-Situation. Eine Konzeptionierung der Soll-Situation hat bisher noch nicht stattgefunden. Grundsätzlich kann man sagen, dass in so gut wie allen Logistikprojekten eine derartige Ist-Aufnahme vorgeschaltet wird, um Transparenz für uns aber auch für alle Beteiligte herzustellen. Dies geschieht projektabhängig in unterschiedlichen Detaillierungen. Erst in der anschließenden Phase wird auf die Konzeptionierung eingegangen und zwar unter Einbezug der geplanten Geschäftsausrichtung für die nächsten 3-5 Jahre. Steht dabei beispielsweise die Erhöhung der Materialverfügbarkeit bei gleichzeitiger Ausweitung der Geschäftstätigkeiten im Raum, so können im Rahmen der Konzeptionierung unterschiedliche Hebel betätigt werden.
Ein Szenario im Rahmen der Konzeptionierung könnte die Steigerung der Materialverfügbarkeit durch die Reduzierung der werksinternen Durchlaufzeiten sein. Harmonisierte Prozesse in Kombination mit performanten oder ausreichend dimensionierten Techniken können zur Zielerreichung beitragen. Die Hinzunahme oder Ausweitung von Lagerautomatisierungen stehen im Fokus. Ebenso könnte ein Retrofit der bestehenden Anlagen oder ein verbessertes Prozessdesign zur Zielerreichung beitragen.
In einem anderen Szenario könnten bauliche Aktivitäten, bspw. durch die Hinzunahme von Lade- oder Lagerkapazitäten, durchleuchtet werden.
Zusammengefasst gilt es die Szenarien fallbezogen und zwar auf Basis der Ist-Analysen, der geplanten Wachstumsszenarien, der Möglichkeiten auf dem Werksgelände sowie der sonstigen Rahmenbedingungen, bspw. des Budgets, zu entwerfen. Ein generisches Vorgehen gibt es dabei nicht. Das Unternehmen sollte immer im Fokus der Betrachtung liegen.
MF: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man zum Start des Projekts noch nicht weiß, wo die Reise hingehen wird. Können Sie das bestätigen?
TL: Das kann passieren. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Projektbeteiligten oftmals ein gutes Gespür dafür haben, welche Abläufe funktionieren und welche Bereiche verbesserungswürdig sind. Die tatsächlichen Ursachen der Probleme sind häufig weniger bekannt. Hier versuchen wir im Rahmen der Ist-Analyse Transparenz zu schaffen. Spätestens in der Phase der Konzeptionierung gilt es dann die planungsrelevanten Rahmenbedingungen zu definieren, um den Planungsfokus zu bestimmen: Ist ein Erweiterungsbau vorstellbar, welche Zeitschiene schwebt mir vor, welches Budget steht zur Verfügung und welchen ROI muss ich erzielen? Hierbei gelten die Grundsätze, je enger die Planungsparameter definiert werden, desto geringer sind die Ausgestaltungsmöglichkeiten der Szenarien und je weiter die Planungsparameter gefasst werden, desto umfangreicher ist die Konzeptionierung und schwieriger die Entscheidungsfindung. Schlussfolgernd gilt es ein gesundes Mittelmaß zwischen der „freien Spielwiese“ und einem „engen Korsett“ zu finden.
MF: Bekommt man diesen Spagat immer hin?
TL: In der Regel schon. Wenn man mit den Beteiligten spricht und die Vor- und Nachteile aufzeigt, kommt man schon zueinander. Und da wären wir wieder beim MOT-Prinzip.
MF: Und so schließt sich der Kreis. Wie ich merke, tummeln Sie sich in einem spannenden Umfeld.
TL: Ja, das kann man sagen. Wir kommen mit vielen Personen aus unterschiedlichen Branchen in Kontakt. Jedes Unternehmen ist individuell in der Kultur, Geschäftsausrichtung und Prozessauslegung. Auch wir lernen in jedem Projekt dazu.
MF: Dann ist es ja eine Win-Win-Situation. Recht herzlichen Dank für diesen Einblick in den Beratungsalltag.
TL: Sehr gern.
Link zum Interview: https://www.vallee-partner.de/…
Link zur Leistungsseite Intralogistik: https://www.vallee-partner.de/…
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