Virtuelle Suche und Rettung auf und über See
Ziel des Forschungsprojektes AMARIS ist es, dass die Seenotretter die Suche und Rettung Schiffbrüchiger künftig gemeinsam mit Hubschrauberbesatzungen organisationsübergreifend in ihrem SAR-Simulator (SAR = Search and Rescue) trainieren, auch wenn sich andere Teilnehmer an weit entfernten Orten befinden. Dazu soll das Simulatorzentrum der DGzRS in Bremen mit dem Air Vehicle Simulator (AVES) des DLR in Braunschweig gekoppelt werden.
Beide Simulatoren werden außerdem mit Sensorik ausgestattet, die unter anderem ermöglichen wird, die Qualität der Zusammenarbeit zu erfassen. Das Reinhard-Mohn-Institut (RMI) der UW/H wird diese Daten auswerten und daraus ein Schulungskonzept ableiten.
Einsatzverfahren und Notmanöver trainieren
„Seenotretter und Hubschrauber-Crews sollen standardisierte Einsatzverfahren, aber auch Notmanöver und kritische Situationen im Simulator trainieren“, sagt Rolf Detlefsen, Leiter des Simulatorzentrums der DGzRS. Dort werden die Seenotretter und Wachleiter (SAR Mission Co-ordinator) der SEENOTLEITUNG BREMEN (MRCC = Maritime Rescue Co-ordination Centre) in den international einheitlichen und verbindlichen SAR-Verfahren trainiert. Auch Schiffsführer von Behördenschiffen, die die Seenotretter oftmals in Einsätze einbinden, erhalten dort von der DGzRS ihre entsprechende Ausbildung.
Die DGzRS ist froh, dass nicht nur Wissenschaftler, sondern auch ihre über See fliegenden Partner an dem neuen Forschungsprojekt teilnehmen. Besonders häufig arbeiten die Seenotretter mit ihren fliegenden Kollegen der Marine zusammen. Beide verbindet die international einheitliche Abkürzung SAR für den jeweils zuständigen maritimen bzw. aeronautischen Such- und Rettungsdienst. Neben Windenübungen (WinchEx) gehören auch standardisierte Verfahren für aufwendige Suchen zum gemeinsamen Handwerkszeug.
Eng ist die Zusammenarbeit der DGzRS ferner mit den Rettungshubschraubern der Offshore-Windparks. Mal wird ein Notarzt per Hubschrauber nachgeführt, mal ein Schwerverletzter von einem Seenotrettungskreuzer übernommen und schnell in ein Spezialkrankenhaus geflogen. Alle gemeinsamen Einsatzverfahren müssen bei jedem Wetter und schwierigsten Bedingungen beherrscht werden.
Assistenzsysteme für herausfordernde Einsatzbedingungen
Für derart herausfordernde Einsatzbedingungen entwickelt das DLR Hubschrauber-Assistenzsysteme. Sie versorgen die Piloten mit missionsrelevanten Informationen und unterstützen bei der Steuerung des Hubschraubers. Bislang wurden solche Systeme während der Entwicklung hauptsächlich in einer hubschrauberspezifischen Simulationsumgebung untersucht. „Die Kopplung unseres AVES-Simulators mit dem SAR-Simulator der Seenotretter erlaubt es uns, neue Assistenzsysteme für Hubschrauber in einsatznahen SAR-Szenarien zu erproben“, sagt Tanja Martini, wissenschaftliche Mitarbeiterin des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik.
Eigens dazu installierte neue Sensoren in den Simulatoren werden physiologische Daten messen, um zu erforschen, ob diese Entlastung entsteht und wie Simulatortrainings insgesamt wirken. Sie sammeln Daten, um organisationsübergreifende Teamarbeit besser zu verstehen. Die Erkenntnisse sollen in ein wissenschaftlich fundiertes Schulungskonzept fließen. Die Forscher um Prof. Dr. Hendrik Wilhelm, Inhaber der RMI-Professur für Strategische Organisation, werden konkrete Ansätze zum Wissens- und Erfahrungstransfer in Simulatortrainings entwickeln. „Uns interessiert, was Teams dazu befähigt, über Organisationsgrenzen hinweg erfolgreich zusammenzuarbeiten. Dabei spielen nicht nur formale Strukturen und Prozesse eine wichtige Rolle. Wichtig ist auch das zwischenmenschliche Zusammenspiel“, sagt Hendrik Wilhelm.
Die im AMARIS-Projekt entwickelte Forschungs- und Trainingsumgebung wird über die zweijährige Projektlaufzeit hinaus bestehen bleiben und das Schulungskonzept fortlaufend verbessern. Für das SAR-Simulatorzentrum der Seenotretter liefert das Vorhaben neben verbesserten Trainingsbedingungen eine einzigartige Laborumgebung für verhaltens- und organisationswissenschaftliche Forschungsfragen zur Menschenrettung auf See.
Über das Forschungsprojekt AMARIS
Das im März 2021 gestartete Forschungsprojekt Aeronautische und maritime Innovationsumgebung für interorganisationale Simulationen (AMARIS) wird im Zuge der Bekanntmachung Stärkung des Technologie- und Innovationstransfers durch Forschung und Entwicklung für Großversuche, Demonstration, Aus- und Weiterbildung in der zivilen Sicherheitsforschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms Forschung für die zivile Sicherheit der Bundesregierung gefördert.
Dem Forschungsverbund gehören die DGzRS, das DLR-Institut für Flugsystemtechnik in Brauschweig und die Universität Witten/Herdecke an. Die DGzRS koordiniert den Verbund. Assoziierte Partner sind das Aeronautical Rescue Co-ordination Centre (ARCC) Glücksburg der Marine, die SAR-Flieger des Marinefliegergeschwaders 5 in Nordholz, die ADAC Luftrettung gGmbH, die ADAC HEMS Academy GmbH, die Northern Helicopter GmbH und die Wiking Helikopter Service GmbH.
Die DGzRS ist zuständig für den maritimen Such- und Rettungsdienst in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben hält sie rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote auf 55 Stationen zwischen Borkum im Westen und Usedom im Osten einsatzbereit – rund um die Uhr, bei jedem Wetter. Jahr für Jahr fahren die Seenotretter mehr als 2.000 Einsätze, koordiniert von der SEENOTLEITUNG BREMEN der DGzRS (MRCC = Maritime Rescue Co-ordination Centre). Die gesamte unabhängige und eigenverantwortliche Arbeit der Seenotretter wird ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen finanziert, ohne Steuergelder. Seit Gründung der DGzRS 1865 haben ihre Besatzungen mehr als 85.000 Menschen aus Seenot gerettet oder drohenden Gefahren befreit. Schirmherr der Seenotretter ist der Bundespräsident.
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