Butter bei die Fischereikontrolle!
„Die EU scheitert derzeit nicht nur daran zu erfassen wieviel Fisch ihren Meeren tatsächlich entnommen wird, sie versagt zusätzlich dabei die eigenen Regeln zur Kontrolle der Fischerei durchzusetzen. Das ist angesichts der Krise der Meere ein dramatischer Offenbarungseid“, kritisiert Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF Deutschland. „Fischerei ist aktuell der Haupttreiber für den Verlust von Biodiversität in unseren Meeren. Um sie umweltverträglich zu betreiben brauchen wir ein wirksam kontrolliertes Fischereimanagement, das Überfischung und den Beifang empfindlicher Arten wie Schweinswale, Delfine und Haie verhindert. Um das gewährleisten zu können, müssen auch die Fänge und Beifänge der vielen kleineren Fangschiffe mit Kameras an Bord erfasst werden. Die reformierte Kontrollverordnung muss bewirken, dass die See nicht länger als rechtsfreier Raum wahrgenommen wird“.
Eine Pflicht für elektronisches Monitoring der Fänge über Kameras und Sensoren an Fangnetzen existiert in der EU bisher gar nicht, obwohl die europäische Fischereikontrollbehörde (EFCA) dies empfiehlt. Geht es allerdings nach den Plänen der Fischereiminister:innen würde Kameramonitoring nur für große Schiffe über 24 Meter Länge eingeführt – damit würden beispielsweise knapp vier Prozent der deutschen Flotte von der Kamerakontrolle erfasst, 96 Prozent der deutschen Fangboote wären ausgenommen. „Damit wäre ausgerechnet die große Mehrheit der deutschen Fangschiffe mit einem hohen oder sehr hohen Risiko für illegale Rückwürfe oder Beifänge empfindlicher Arten wie Schweinswale nicht erfasst. Wir brauchen Kameramonitoring als ein wichtiges Instrument, es muss aber auch sinnvoll eingesetzt werden, so dass es alle Risikofischereien erfasst“, fordert Stella Nemecky.
Der WWF sieht insbesondere Deutschland in der Pflicht sich im Ministerrat für eine zukunftsfähige, starke Kontrollverordnung einzusetzen. Ein Grund ist die dramatische Situation der für die deutsche Fischerei wichtigen Bestände in der Ostsee, die seit langem überfischt werden. „Ohne Fische kann auch die Küstenfischerei nicht bestehen. Die Bestände von Hering und Dorsch – sind so massiv unter Druck, dass sie jeden Schutz durch eine gut kontrollierte Fischerei brauchen“, so Nemecky. Der Schweinswal ist in der zentralen Ostsee von Aussterben bedroht, um die tödlichen Beifänge in der Fischerei zu stoppen brauchen Wissenschaftler:innen und Entscheidungsträger:innen gute Daten.
Der zweite Grund ist der Schutz der Verbraucher:innen vor Fisch aus illegaler Fischerei. Die neue Kontrollverordnung wird auch die Rückverfolgbarkeit sämtlicher Produkte aus Fisch und Meeresfrüchten, auf dem EU-Markt regeln – darunter Importe, Konserven, Wildfang, und Zuchtfisch. Die EU ist der weltweit größte Markt für Fisch und Meeresfrüchte. Das System zur Rückverfolgung der Fischprodukte bislang ist weitgehend papierbasiert. „Deutschland gehört zu den größten Importeuren von Fisch und Meeresfrüchten in der EU und muss sich für eine zeitgemäßes, digitales System zur Rückverfolgung von Fischprodukten stark machen. Derzeit können Verbraucher:innen nicht erkennen, ob ihr Fisch vielleicht aus illegaler Fischerei stammt oder ob menschenrechtliche Standards eingehalten werden. Es gilt alte Versäumnisse abzustellen und neue Schlupflöcher von vornherein zu verhindern“, fordert Nemecky. Einige Mitgliedsstaaten wollen nämlich verarbeitete oder konservierte Produkte wie z.B. Dosenthunfisch von der Kontrolle aussparen – damit würde jeder sechste importierte Fisch gar nicht vom EU-System erfasst.
Der WWF Deutschland startet deshalb heute eine E-Mail-Aktion „meerrechtmeerleben“ mit der Bürger:innen ihre Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die Deutschland am 28. Juni auf dem AGRIFISH-Ministerrat vertritt, dazu auffordern können, sich für eine wirksame, zukunftsfähige und Transparenz erzeugende Fischereikontrollverordnung einzusetzen.
Hintergrund:
• Die sogenannte Fischerei-Kontrollverordnung entscheidet maßgeblich über das Gelingen der EU-Fischereipolitik. Sie legt die Instrumente fest, mit denen Fischereiaktivitäten der EU-Flotte und Fisch vom Netz bis zum Teller überwacht werden können, um Legalität zu gewährleisten. Das Gesetzespaket soll dazu dienen erschöpfte Fischbestände wiederaufzubauen und illegale Fischerei zu unterbinden. Schon das bisherige, seit 2009 geltende Regelwerk hat sich als unzureichend erwiesen, um die Ziele der Gemeinsamen EU-Fischereipolitik durchzusetzen. Bei der Neufassung drohen in zentralen Punkten sogar Rückschritte, die ein Anwachsen der europäischen Fischbestände auf eine gesunde Größe unmöglich machen könnten.
• Beim AGRISH-Ministerrat am 28. Juni legen die Fischereiminister:innen der EUihre Positionierung für die Gesetzesreform fest. Anschließend beginnen die sogenannten Triloge, in denen sich der Ministerrat, das EU-Parlament und die EU-Kommission auf eine finale Fassung des Gesetzespakets einigen müssen.
• Die Überfischung in EU-Gewässern steigt derzeit wieder an und ist höher als im weltweiten Mittel: Weltweit gilt ein Drittel der kommerziell genutzten Fischbestände als überfischt (34,2 Prozent), im Nordostatlantik der EU ist es fast die Hälfte (43 Prozent), in der gesamten EU gilt jeder zweite Fischbestand als überfischt (49,2 Prozent, bzw. 32 von 65 untersuchten Beständen).
• Elektronische Fernüberwachung wurde weltweit erfolgreich getestet und wird von der Europäischen Fischereikontrollbehörde (EFCA) als bestes Mittel zur Kontrolle auf See empfohlen. Die flächendeckend mangelhafte Umsetzung der sogenannten Anlandeverpflichtung führt zu einer steigenden Überfischung und gefährdet so die Fischbestände und Meeresökosysteme der EU.
• Derzeit bleiben 75 Prozent der gesamten EU-Fischereiflotte weitgehend unterhalb des Radars der Fischereibehörden, weil Schiffe unter 12 Meter Länge von der Pflicht eines Systems zur automatischen Ortung (z.B. VMS/AIS) befreit sind. Es geht um 49.000 europäische Fangschiffe, deren Position und Fangbewegungen nicht nachvollziehbar sind.
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