Der Impfstatus im Small Talk
Als guter Gesprächseinstieg gelten Anknüpfungspunkte, die sich leicht ergeben und die aktuelle Lage war schon immer und garantiert ein gemeinsamer Nenner, zu dem beiden Gesprächspartnern etwas einfällt. Allerdings gehörten dazu noch nie humanitäre Krisen und Katastrophen oder heiße Themen jeglicher Art. Small Talk dient als sozialer Kitt, nicht als Ausgangslage für einen Meinungsstreit. Diskussionen, Debatten oder das Philosophieren über die großen Fragen des Lebens, Politik, Religion, Liebe, Sorgen und auch die Einstellung zum Impfen sind Gespräche, die wir uns gönnen, wenn wir mit unserem Gesprächspartner gut vertraut sind und beide Seiten Lust dazu haben.
Eine der wichtigsten Funktionen des Small Talks ist, dem Gesprächspartner zu verstehen zu geben: Ich interessiere mich für dich. Das ist bei der Frage nach der Einstellung zum Impfen selten der Fall, denn da geht es meist in erster Linie um die eigene Meinung und das Herausfordern des Gegenübers, sollte es anderer Ansicht sein.
Wie also sollte man reagieren, wenn man auf die Impfmeinung oder den Impfstatus angesprochen wird? Da hilft nur Vorbereitung. Spontanität und Improvisation sind großartig, aber haben Sie schon einmal Musiker gehört, die einfach so aus dem Stegreif miteinander spielen können, ohne, dass sie ihr Instrument beherrschen oder etwas von Musik verstehen? Das Improvisieren geht auch beim Small Talk vor allem dann gut, wenn man schon vorher ein paar Prinzipien kennt und etwas Übung hat. Sie werden viel souveräner mit der Situation umgehen können, wenn Sie sich im Vorfeld ein paar Gedanken dazu gemacht und geprobt haben. Nehmen Sie sich daher einmal 20 Minuten Zeit und überlegen Sie verschiedene Varianten, wie Sie mit Fragen oder Bemerkungen, die Ihnen immer wieder begegnen, umgehen möchten – und vielleicht gehört auch die Impffrage dazu. Legen Sie sich ein paar Standardantworten zurecht, denen Sie gleich – und das ist besonders wichtig – eine Überleitung zu einem anderen Thema anhängen, wenn der Ball bei Ihnen ist. So können Sie Einfluss darauf nehmen, in welche Richtung das Gespräch geht.
Hier ein paar Beispiele:
Variante A: Sie sind gleicher Meinung wie Ihr Gesprächspartner
Prima. Aber alles, was folgt, ist das gemeinsame Bestärken der Empörung über die Gegenseite. Selten bewirkt das eine gute Atmosphäre oder ein interessantes Gespräch. Sie werden zwar bestätigt daraus hervorgehen, aber auch aufgeheizt und vermutlich nicht mit positiven Emotionen – und das hat nicht nur einen Einfluss auf Ihre Stimmung, sondern auch auf Ihre Ausstrahlung und das nächste Gespräch. Hier wäre also ein möglicher Standardsatz, um dem Thema auszuweichen:
„Ich bin Ihrer Meinung. So oder so freue ich mich sehr darauf, wenn wir wieder freier sind, (…) zu tun. Besonders auf (…)“ und dann leiten Sie über auf Ihr Wunschthema.
Variante B: Sie haben die gegenteilige Meinung
Wenn Sie Unverständnis in sich aufsteigen fühlen, halten Sie bewusst inne und widerstehen Sie der Versuchung, zu unterbrechen. Das heizt den Gesprächspartner nämlich nur an und schon haben Sie den Salat. Lassen Sie Ihr Gegenüber erst einmal aussprechen und antworten Sie ruhig und freundlich, aber grenzen Sie sich ab. Hier können Sie sich zum Beispiel zwei Standardsätze zurechtlegen.
Harmonisierend: „Ich bin zwar unterschiedlicher Meinung, aber ich respektiere Ihre Haltung. Es ist auf jeden Fall schön, dass solche Treffen wieder möglich sind. Ich freue mich auch darüber, wieder auswärts Essen zu gehen. Ich habe neulich ein tolles Restaurant entdeckt und dort ein fantastisches Curry gegessen. Was essen Sie denn am liebsten?“
Bestimmt: „Da sind wir anderer Meinung. Lassen Sie uns doch lieber nach vorne schauen und über andere Dinge sprechen. Mich würde zum Beispiel interessieren (…)“ Wichtig: Halten Sie hier ein nächstes Thema bereit, das absolut nichts mit Corona zu tun hat. Das muss keine sanfte Überleitung sein, es gab ja eine klare Ansage, dass Sie das Thema wechseln werden. Aber es liegt an Ihnen, das Thema zu wechseln. Sie können Ihren Satz nicht mit „Lassen Sie uns über andere Dinge sprechen“ beenden und erwarten, dass der andere übernimmt – der Ball ist dann immer noch bei Ihnen. Sagen Sie das alles mit einem Lächeln, offenem Blickkontakt, frisch und positiv, dann hinterlässt es auch keinen bitteren Nachgeschmack.
Variante C: Sie werden direkt gefragt oder dazu angehalten: „Sind Sie schon geimpft?“, „Lassen Sie sich bloss nicht impfen!“
Hier ist es wichtig, für sich erst einmal festzulegen, ob man eine Grenze ziehen möchte und sich dann auch getraut, sich gar nicht zu rechtfertigen.
Sie können zum Beispiel, auch ohne Ihren Impfstatus bekannt zu geben, antworten: „Lassen Sie uns heute für einmal bitte nicht über Corona sprechen. Es gibt so viel Interessantes und Schönes, über das man sonst noch reden könnte. Gehen Sie zum Beispiel gerne ins Kino? Ich freue mich sehr auf all die Filme, die nun erscheinen – zum Beispiel auf den neuen James Bond! Was für Filme mögen Sie?“
Wenn Sie aber gerne darauf antworten möchten, dann sagen Sie einfach „Das ist eine sehr persönliche Frage, aber ja (bzw. nein)“ ohne einen Zusatz wie „ja, selbstverständlich!“ oder „nein, natürlich nicht!“, denn sonst sind Sie je nachdem gleich doch in einer Debatte und somit eben nicht mehr im Small Talk, der beziehungsfördernd ist und als sozialer Kitt dient. Gut auswendig gelernte Sätze stehen schneller zum Abruf bereit und ermöglichen Ihnen eine souveräne Reaktion auf immer wiederkehrende, unangenehme und polarisierende Fragen.
Sie können sich natürlich auch in Schlagfertigkeit üben und mit gleicher Munition zurückschießen. Allerdings läuft das selten auf eine Begegnung hinaus, die sich positiv gestaltet. Aber wer weiß – vielleicht werden Sie überrascht und es führt zu gemeinsam fröhlichem Gelächter. Wäre ich frecher, ich würde auf die Impffrage von einer fremden Person gerne mal entgegnen: „Ja, durchgeimpft. Und waren Sie schon bei der Darmspiegelung?“
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