Film- und Medienstiftung NRW fördert acht Hörspielprojekte
„Der die Träume hört“ von Selim Özdogan, 6.000 Euro
Nizar, der aus dem sozialen Brennpunkt in die Mittelschicht aufgestiegen ist, erfährt überraschend, dass er einen siebzehnjährigen Sohn in seinem Heimatort hat. Er muss sein Leben, seine Werte, seinen Weg in einem neuen Licht betrachten und Entscheidungen treffen. Das Versprechen des Systems, dass jeder, der hart arbeitet, auch sozial aufsteigen kann, erfüllt sich nicht für jeden. Soziale Brennpunkte sind abgespaltene Teile des Gesamtsystems, wo strukturelle Schwächen als Verantwortung des Einzelnen verkauft werden. Die Themen Teilhabe und Teilnahme aller an einer Gesellschaft sind virulent; weil wir in Zeiten leben, in denen marginalisierte Stimmen immer stärker gehört werden. Und wenn das Versprechen eingelöst wird, ist die Geschichte des Aufstiegs auch immer eine Geschichte des Verlusts. Verlust von Sicherheit, von Bindungen, von Werten.
„Touch“ von Nina Hellenkemper, 4.000 Euro
In diesem Stück wird es um Sex gehen, unverblümt und lustvoll. Zusammen mit Songs und Spielszenen soll es an der Schnittstelle zwischen Hörspiel und Feature produziert werden. Neben persönlichen Erfahrungsberichten und intimen Statements gibt es auch Interviews mit Expert:innen, die sich mit unterschiedlichsten Aspekten von Sex und Sexualität auseinandersetzen. Warum es für Frauen zum Beispiel nicht nur einen Gender-Pay-Gap, sondern auch einen Orgasmus-Gap gibt und warum sich Mythen wie die des Jungfernhäutchens solange halten. Warum sich immer mehr Menschen als Trans outen, wobei die Zahl der jungen Frauen, die ihr Geschlecht wechseln wollen, inzwischen fünfmal so groß ist wie die der Männer. Ein Beitrag zur weiblichen Perspektive auf Sexualität!
„‘Starke Menschen brauchen keine starken Führer‘ – Die Bürgerrechtsaktivistin Ella Baker“ von Martina Groß, 4.000 Euro
Das Stück erzählt die Geschichte der amerikanischen Journalistin und Bürgerrechtlerin Ella Baker, die als Mitbegründerin der Southern Christian Leadership Conference (SCLC) im Schatten von Martin Luther King stand und doch die „stärkste Kraft der Bürgerrechtsbewegung war“, so Black Panther Mitglied und Vorsitzender des SNCC Stokey Carmichael. Baker verzichtete bewusst auf eine charismatische Führung von oben, sondern glaubte, dass Organisationen von denjenigen geführt werden sollten, die ihre Probleme am besten definieren können. Sie vertraute in die Stärke und Entschlossenheit ganz normaler Menschen und unterstützte diese. Die Autorin geht der Frage nach, wie aktuell ihr Einfluss auf heutige Bewegungen, wie beispielsweise „Black Live Matters“, ist.
„Ich hörte vom Ende der Welt“ von Joseph Bolz, 4.000 Euro
Erzählt wird hier die Geschichte zweier Freundinnen, die über einen Piratensender eine lokale Nachrichtensendung aus der Zukunft empfangen und erleben müssen, wie sich ihr Heimatort langsam der dort dargestellten Zukunft unterwirft. Die Story bewegt sich im Bereich „Science Fiction“ und beschäftigt sich mit der Wirkung von Nachrichten, Fake News und der Frage, was passiert, wenn man seine Zukunft zu kennen glaubt.
„Planet der Verdammten“ von Robert Weber, 3.000 Euro
Im Jahr 2017 durchquert ein interstellares Objekt unser Sonnensystem und verlässt es mit einer physikalisch nicht erklärbaren Geschwindigkeit. Zwei Jahre später tauchen überall auf der Erde mysteriöse Monolithen auf. Im selben Jahr wird ein Radiosignal vom nächstgelegen Stern Proxima Centauri empfangen. Die Ereignisse scheinen zusammenzuhängen und es stellt sich heraus, dass es menschlichen Ursprungs ist. In einer gewaltigen Kraftanstrengung entwickeln und bauen die führenden Raumfahrtnationen USA, Russland, Europa, China und Indien in den folgenden Jahrzehnten ein interstellares Raumschiff und machen sich auf den Weg zu dem Stern Proxima Centauri, dem Planeten der Verdammten. Angelegt als 3-Teiler.
„L’altra Verità“ von Andreas Golinski, 4000 Euro
Die italienische Dichterin Alda Merini (1931- 2009) lebte, veranlasst durch ihren Mann, zehn Jahre interniert in einer geschlossenen Nervenheilanstalt. Zwanzig Jahre später schreibt sie fragmentarisch ihre Erinnerungen an diese Zeit in einem Tagebuch nieder und reflektiert die in der Zeit allgemeingültige Rolle der Frau als Ehefrau-Mutter-Hausfrau und das Schicksal derer, die diesen Rollenvorstellungen nicht entsprechen können oder wollen. Durch Klang und Wort wird den Räumen, Personen und Erlebnissen nachgespürt, die im Laufe des Aufenthaltes das Leben Autorin radikal auf den Kopf gestellt haben. Protagonist des Stücks ist das Gedächtnis der Autorin.
„Das sind Sie nicht“ von Rosa Wernecke, 4000 Euro
Das Stück beschäftigt sich künstlerisch mit der aktuellen Situation von Menschen mit diversem oder keinem Geschlechtseintrag und ihren Schwierigkeiten in unserer binären Gesellschaft. Basierend auf Gesprächen mit Betroffenen, die ihre Identität in Telefonhotlines immer wieder in Frage stellen lassen müssen, wird die Geschichte der nicht-binären Person Oksa erzählt, die sich im Kampf um Sichtbarkeit im binären System befindet. Mittels Hack und Glitch werden dann sogar Rollen getauscht und die Hotline- Mitarbeitenden sind plötzlich diejenigen die Hilfe benötigen.
„Die schweigende Generation“ von Traudl Bünger, 5.000 Euro
Das Hörstück erzählt die Geschichte der BRD anhand von drei Generationen. Von der Auseinandersetzung mit den zähen Folgen des Nationalsozialismus, dem Schweigen der 1950er, dem Streit der Systeme und Propagandaschlachten in den 1960er Jahren. Es gestaltet Projektionen, Traumata und Introjektionen, die über Generationen hinweg konservieren. Es begibt sich auf Spurensuche in individuelle Biographien und gesellschaftliche Narrative und handelt davon, wie Ideologien überleben, wie sich Gewalt über Generationen fortschreibt. Angelegt ist das Stück als Spurensuche, als True-Crime-Story, das Interviews mit Originalquellen und mit Elementen des Dokumentarischen Features kombiniert. Das Projekt wurde im letzten Jahr gefördert, wurde aber Pandemie-bedingt zurückgezogen.
Die Mitglieder des Beraterstabs waren Christiane Florin, Deutschlandfunk, Volker W. Degener, Verband Deutscher Schriftsteller in NRW, und Stefan Cordes, WDR. Die zuständige Förderreferentin für Hörspiel bei der Film- und Medienstiftung NRW ist Anke Morawe. Der nächste Einreichtermin ist der 15. Oktober 2021.
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