Gleiche Jobchancen für alle? „So arbeitet Deutschland“-Studie zeigt: Die Herkunft entscheidet
Jeder ist seines Glückes Schmied – oder entscheidet am Ende die Herkunft?
Aspekte, die sich am stärksten negativ auf dem Stellenmarkt auswirken können, haben Arbeitnehmer aus ihrer Sicht nicht selbst in der Hand: Jeweils ein Viertel der Befragten sagt, die Nationalität (28 Prozent) und die soziale Herkunft (24 Prozent) hemmen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Hierbei sehen fast die Hälfte der Befragten mit Migrationshintergrund (42 Prozent) die Nationalität als besondere Hürde, aber nur 26 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund. Dass allein der Bildungsabschluss über die Jobaussichten entscheidet, glaubt ein Viertel (26 Prozent), darunter doppelt so viele über-55-Jährige (30 Prozent) wie 18- bis 24-Jährige (15 Prozent). Es handelt sich folglich auch um einen Generationenkonflikt. „Die Jugend scheint den Glauben an den Weg zum sozialen Aufstieg z.B. in den Mittelstand nicht zu haben“, so Timo Lehne, Geschäftsführer von SThree. „Dabei ist der deutsche Ausbildungs- und Stellenmarkt keinesfalls gesättigt und bietet viel Ein- und Aufstiegspotential, auch für Quereinsteiger – insbesondere bei dem vorherrschenden Fachkräftemangel in Deutschland.“
Was muss also geschehen, damit Chancengleichheit in Deutschland nicht länger nur ein Lippenbekenntnis ist? Eine Ein-Drittel-Mehrheit (34 Prozent) sieht den Staat in der Bringschuld und fordert als wichtigsten Ansatzpunkt eine verstärkte Unterstützung von Kindern aus sozial schwachen Familien (31 Prozent). Eine altersunabhängige Förderung oder mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern wünschen sich jeweils nur halb so viele (14 Prozent) als konkrete Maßnahme. Dabei sehen in puncto Gleichberechtigung doppelt so viele Frauen (18 Prozent) wie Männer (9 Prozent) Handlungsbedarf.
Erschreckend: Corona-Schutz ist eine Frage des Gehalts
Die vorherrschende, soziale Kluft überschattet auch das Angebot von Corona-Schutzmaßnahmen: Während der Pandemie hatte bei einer Mehrheit der Befragten (45 Prozent) der Schutz der Mitarbeiter im Unternehmen oberste Priorität. Dennoch gab jeder Vierte (26 Prozent) an, die Corona-Schutzmaßnahmen wurden teilweise, schleppend oder gar nicht umgesetzt. Angebote wie Home-Office, Corona-Tests oder individuelle Regelungen für Eltern zeigen sich klar als ein Privileg der Besserverdienenden: 20 Prozent der Arbeitnehmer mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1 000 bis 1 500 Euro pro Haushalt gaben an, ihnen wurden keine besonderen Schutzmaßnahmen bewilligt; unter den Geringverdienern bis zu 500 Euro netto waren es mit 43 Prozent sogar fast die Hälfte. Im Gegensatz dazu gab es für lediglich vier Prozent der 4 000 bis 4 500 Euro Netto-Verdienenden keinerlei Sonderregelungen. „Diese Zahlen sind besorgniserregend“, betont Timo Lehne, „Eine gesellschaftliche Kluft zwischen Gering- und Besserverdienenden ist ein generelles Problem in unserer Gesellschaft – darf sich aber keinesfalls auf die Arbeitssicherheit und den Arbeitnehmerschutz auswirken. Der Schutz der Gesundheit ist kein Privileg, sondern ein Grundrecht.“
Sinnsuche in Krisenzeiten – aber nicht um jeden Preis
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, auf welche Berufsgruppen es in Krisenzeiten wirklich ankommt, und Tätigkeiten, die bislang weniger Beachtung fanden und zumeist auch mit einem geringen Gehalt einhergehen, rückten verstärkt in den gesellschaftlichen Fokus. So sagen 37 Prozent der Befragten, dass die Bedeutung von Arbeit im Gesundheits- und Pflegebereich durch die Corona-Pandemie größer geworden ist. Ebenso ist die Bedeutung systemrelevanter Arbeit (Einzelhandel, Kindergarten etc.) laut 24 Prozent gestiegen. Auf die persönlichen Umstände bezogen sagt ein Viertel (23 Prozent) der Befragten allerdings, die Pandemie habe ihre Einstellung zur Arbeit geändert und ihnen klar gemacht: Arbeit muss vorwiegend die Existenz sichern können. Dennoch sehen besonders Jüngere (18-24 Jahre) in der Krise die Chance, sich mit der Sinnsuche im Job auseinanderzusetzen und die Welt besser zu machen (53 Prozent). Unternehmen aller Größe sollten daher mit Blick auf die Zukunft beginnen, sich mit ihren Wertvorstellungen auseinandersetzen. Denn wenngleich heute knapp ein Fünftel (22 Prozent) angibt, ein Corporate Purpose sei reines Marketing und er spiele für fast die Hälfte (44 Prozent) bezüglich der Arbeitgeberwahl keine Rolle, zeigt die Tendenz, dass sich das mit den kommenden Generationen drastisch ändern wird. So ist auch Timo Lehne überzeugt: „Sinnhaftigkeit im Job und Corporate Purpose sind Themen, um die künftig kein Unternehmen drum herumkommen wird. Auf die Frage, welchen übergeordneten Sinn ein Unternehmen und damit die Arbeit jedes Mitarbeiters hat, sollte jeder Arbeitgeber eine Antwort haben.” Laut Studie liegen die Top 3 der sinnstiftenden Wirkungsbereiche für Unternehmen in der Bewältigung sozialer Herausforderungen (23 Prozent), gesundheitlicher (17 Prozent) sowie ökologischer Herausforderungen (15 Prozent).
Mitarbeiterbindung steht und fällt mit dem Geld
Anstelle eines übergeordneten Corporate Purpose ist noch immer das ausschlaggebendste Kriterium der Mitarbeiterbindung ein überdurchschnittliches Gehalt. Dies gibt die Hälfte der Befragten (49 Prozent) an. Drehte sich die öffentliche Diskussion in den vergangenen Jahren eher um den Punkt, dass jungen Leuten vor allem die persönliche Entfaltungsmöglichkeit in der Karriere wichtig ist, zeigt die Studie hier ein anderes Bild – für 61 Prozent der Befragten, die studieren, ist das Gehalt für eine langfristige Unternehmensbindung ausschlaggebend. Des Weiteren zeigt die Studie, dass die Wertschätzung gegenüber dem Einzelnen (42 Prozent) sowie die Vereinbarkeit des Privaten mit dem Beruf (45 Prozent) entscheidend für die Arbeitgeberwahl ist. Dies scheinen die Vorgesetzten bereits erkannt zu haben und kümmern sich laut 35 Prozent der Befragten um eine angemessene Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben, zeigen Wertschätzung gegenüber dem Einzelnen (29 Prozent) und ermöglichen agile Arbeitsstrukturen durch Flexibilität von Arbeitszeit und -ort (26 Prozent). Trotzdem sagt ein Viertel der Befragten (25 Prozent), ihr Arbeitgeber führe keine Maßnahmen zur Personalbindung durch. Dabei ist dies laut Timo Lehne insbesondere in den vom Fachkräftemangel in Deutschland betroffenen Berufen der MINT-Branche ein Muss: „Viele Unternehmen suchen händeringend nach gut ausgebildeten Fachkräften, doch die Studie zeigt nur eine geringe Wechselbereitschaft zwischen den Branchen. Diese ist mit hohen Erwartungen, insbesondere der jungen Generation, verbunden. Im Pre- und Onboarding können Unternehmen beispielsweise durch einfache Maßnahmen wie Mentoring-Programme, Care-Pakete zum Berufseinstieg oder Unterstützung bei Behördengängen für ausländische Fachkräfte punkten und die Personalbindung von Beginn an fördern.“ So sagt ein Drittel der Befragten (32 Prozent), sie könnten sich für einen Wechsel erwärmen, wenn er mit deutlichen Gehaltsverbesserungen verbunden ist. Für 23 Prozent müssten die Kosten der Weiterbildung übernommen werden und für 20 Prozent sollte der Vereinbarkeit von Privatem und Beruflichem nichts im Wege stehen. Dennoch: Ein Fünftel (20 Prozent), darunter besonders jene mit hohen Bildungsabschlüssen, haben ihren Traumberuf bereits gefunden und können sich keinen Wechsel in ein anders Berufsfeld vorstellen.
* Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 2023 Personen zwischen dem 18.05.2021 und 19.05.2021 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind bevölkerungsrepräsentativ ab 18 Jahren in Deutschland.
Weitere Informationen über die Studie von SThree erhalten Sie unter: https://we.tl/t-0CoRig9ClA
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