Kunst & Kultur

LORE BERT: »Ways of World Making – Weisen der Welterzeugung«

Die international renommierte Mainzer Künstlerin Lore Bert wird 85! Aus diesem besonderen Anlass zeigt das ›Gutenberg Museum‹ vom 2. Juli – 2. Oktober 2021 die Einzelausstellung »Lore Bert – Ways of World Making – Weisen der Welterzeugung«. Dieser Titel ist eine Hommage der Künstlerin an den US-amerikanischen Philosophen Nelson Goodman, dessen geistiges Werk sie über viele Jahre auf ihren Reisen um die Welt begleitete und ihr neue Horizonte eröffnete.

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Frau Malu Dreyer, und wird mit einer Ehrung durch den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz, Herrn Michael Ebling, und einer Laudatio des Schriftstellers Hanns-Josef Ortheil eröffnet.

»Ways of World Making – Weisen der Welterzeugung«

Nelson Goodman war ein analytischer Philosoph, der für seine Arbeiten über Induktion, Ästhetik, formale Logik, Wissenschaftsphilosophie, Irrealismus, Kontrafaktizitäten und Kunstphilosophie bekannt ist. Von den vielen Büchern (wie u.a. »Sprachen der Kunst«), die Nelson Goodman zu einem der bedeutendsten Philosophen und Logiker des zwanzigsten Jahrhunderts werden ließen, kann »Ways of World Making« (Weisen der Welterzeugung) zu Recht als ein Hauptwerk gelten. In diesem Buch stellt sich Goodman einer komplexen Frage. Seiner Analyse nach haben die Philosophen immer behauptet, dass es trotz der Verödung, der Austrocknung unseres Wissens nur eine Wahrheit, eine Welt und damit nur eine wahre Version der einzig möglichen Welt gibt. In enger Auseinandersetzung mit dieser Denktradition stellt Nelson Goodman im Gegensatz dazu die Thesen des Relativismus und des Pluralismus wieder auf: Alle Versionen der Welt sind gleichzeitig fähig, die Welt zu sehen, zu interpretieren und zu konstruieren und sind in dem Bezugssystem, dem sie angehören, gleichermaßen wahr und richtig, und er stellt die Frage nach der Kunst neu. Nicht »Was ist Kunst?«, sondern »Wann ist Kunst?« formuliert er und kommt dabei zur Erkenntnis, dass diesselben Gegenstände oder Vorkommnisse unter bestimmten Umständen Kunst sein können, unter anderen aber auch nicht.

Mit dieser Erkenntnis setzt sich Lore Bert seit nun mehreren Jahrzehnten in ihrem Werk wie in ihrer persönlichen Erfahrung der Welt(en), die sie bereist, auseinander. In einem historisch schwierigen Moment, den wir Alle auf diesem Planet erleben, nimmt die Bedeutung dieser  Erkenntnis enorm zu. Die Fundamente der im Bewusstsein verankerten  Interpretation unserer „Welt“ sind erschüttert. Wir Alle sehen die elementarsten Bestandteile, aus denen sich unsere Welt zusammensetzte, plötzlich in Frage gestellt. Unsere Systeme sind in eine Krise geraten.  Die Pandemie zwingt uns zu einem Prozess der ‘Dekonstruktion’ bisheriger Weltanschauungen. Nur ein konstruktiver Gedankengang – im Bewusstsein der Relativität unseres Blickwinkels – kann uns die Erschaffung künftiger Perspektiven und neuer ‘Welten’ ermöglichen.

Die Installation

In den Mittelpunkt der Ausstellung setzt Lore Bert ihre Installation »Die Platonischen Körper«: Drei verspiegelte Skulpturen, eingebettet in ein Meer aus gefalteten Papieren. Die Platonischen Körper sind regelmäßige Polyeder und repräsentieren die fünf Elemente – ein Thema, mit dem sich Lore Bert seit 1988 befasst. 2013 zeigte sie die vollständige Version des Environments zum ersten Mal in ihrer Ausstellung »Art & Knowledge in the 5 Platonic Solids« (offizielle Begleitveranstaltung der 55. Kunstbiennale) im prestigeträchtigen Saal der Biblioteca Nazionale Marciana (im Correr-Museum am Markusplatz in Venedig), also an einem Ort, der mit der Tradition des Buches als Kulturerbe zutiefst verbunden ist. Fast zehn Jahre später möchte Lore Bert eine neue Version dieses Werkes in einem anderen sowohl historischen wie symbolischen Ort der Buchkultur präsentieren: im Gutenberg Museum in Mainz.

Die drei ›Platonischen Körper‹, die Lore Bert für diese Gelegenheit ausgesucht hat, sind der Oktaeder – welcher für die Luft steht –  der Hexaeder –  für die Erde – und der Dodekaeder, der schließlich für das Universum steht. Durch die verspiegelten Flächen der Polyeder schafft es Lore Bert, Platons geometrisches Denken in Verbindung mit Goodmans Erkenntnis aus dem Buch »Ways of World Making« zu bringen. Nicht nur alle Objekte im Raum, sondern auch alle Menschen, die den Saal betreten werden, all ihre Perspektiven und – im übertragenen Sinn – all ihre Ideen, all ihre Welten und deren Reflexion werden durch die Spiegelungen Teil des Kunstwerkes. Als wolle die Installation dem Betrachter die vielen Faccetten seiner eigenen ›Welterzeugung‹ vor Augen führen.

Die in der Ausstellung gezeigten Abbildungen von historischen Environments Lore Berts – wie  »Das dialogische Prinzip« ausgestellt im Gutenberg Museum 1989 oder »Geistige Werte« (Kairo, Ägypten 1996), »ohne Anfang ohne Ende – grenzenlos« (Chemnitz Städtische Kunstsammlungen, 1998), oder wie »Fünf Kontinente – Fünf Elemente« (Palácio Nacional de Sintra, Portugal 1995) – bezeugen die Kohärenz ihres künstlerischen Schaffens und die Vielfalt ihres räumlichen Gestaltens. Andererseits sind sie auch als Dokumente einer ‘Reise’ im Zeichen der Kunst wahrzunehmen, die Lore Bert fast um die ganze Welt führte. Protagonist jeder Installation ist das Papier als wertvolles Material, als haptischer wie – im übertragenen Sinn – geistiger Raum, in dem Ideen Form annehmen. Ein Material, das Lore Bert ein ganzes Leben lang begleitete und zu einzigartigen Bildobjekten und Environments inspirierte.

Zu den Platonischen Körpern

In der Geometrie bezeichnet man mit den platonischen Körpern (nach dem Griechischen Philosophen Platon) vollkommen regelmäßige Polyeder, dreidimensionale Körper, die aus gleichschenkligen gleichflächigen (kongruenten) Flächen konstruiert sind.

Es gibt genau fünf platonische Körper: Tetraeder, Hexaeder (Würfel, Kubus), Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder. Ihre Namen geben auf Griechisch die Anzahl ihrer Flächen wieder (4, 6, 8, 12 oder 20).

Platonische Körper haben folgende Eigenschaften:

  • Die Oberfläche setzt sich aus Flächen zusammen, sie sind also Polyeder.
  • Die Kanten haben alle die gleiche Länge.
  • Alle Flächen sind jeweils untereinander kongruent, das heißt lassen sich durch Drehungen und Verschiebungen ineinander überführen.
  • Die Flächen sind regelmäßige Dreiecke, Vierecke (Quadrate) oder Fünfecke.
  • Alle Ecken haben gleiche Flächen- und Kantenwinkel, alle Flächen sind gleichseitig und gleichwinklig.
  • Aufgrund der Symmetrie von Ecken, Kanten und Flächen existiert eine Umkugel und eine Inkugel.

Die Bildobjekte

Auch sechs großformatige Bildobjekte werden als Teil der Raumgestaltung im Gutenberg Museum gezeigt.  »Goldene Vierecke«  (180 x 180 cm, 2013) mit Japanpapier und Goldblatt ist eine Hommage an die venezianische Architektur und an die geometrisch gestalteten ›Pavimenti  Veneziani‹ (Fußboden-Ornamente) sowie an die orientalisch anmutenden, in Gold glänzenden Elemente, die in den Kirchen und Palästen Venedigs zu finden sind. Hier taucht Lore Berts Vorliebe für architektonische Strukturen wieder auf, für geometrische Formen, die ›Schönheit‹ im ästhetischen Sinn sowie eine konstruktive Aufteilung des Raums evozieren können.

Auch dem deutschen Philosophen der Aufklärung Immanuel Kant hat Lore Bert im Laufe der Jahre zahlreiche Textbilder gewidmet, Transparente mit Zitaten aus seinen Schriften. Sie verweist damit auf eine elementare Besonderheit im Wesen des ›Animal Rationale‹ (des Vernunftbegabten Lebewesens): (Abstraktes) Denken und (Konkretes) Fühlen gehen beim Menschen eine Symbiose ein. »Kant: Vom transzendentalen Schein« (180 x 180 cm) ist ein Transparent mit Japanpapier aus dem Jahr 2004. Mit einem Zitat aus Kants »Kritik der reinen Vernunft«, geschrieben entlang einer imaginären spiralförmigen und zentripetalen Linie, betont und erweitert dieses Werk die Erfahrung, die die Installation ausgelöst hat:  Die Auseinandersetzung des Betrachters mit dem Gegenstand der Betrachtung, mit seiner eigenen Wahrnehmung und ›Welterzeugung‹. Mit Wahrheit und Schein. ›Wahrheit oder Schein sind nicht im Gegenstande, sofern er angeschaut wird, sondern im Urteile über denselben sofern er gedacht wird. In der Übereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes besteht aber das Formale aller Wahrheit. In den Sinnen ist gar kein Urteil, weder ein wahres, noch ein falsches, weil wir nun außer diesen beiden Erkenntnisquellen keine andere haben, so folgt, dass der Irrtum nur durch den unbemerkten Einfluss der Sinnlichkeit auf den Verstand bewirkt werde, wodurch es geschieht, dass die subjektiven Gründe des Urteils mit den objektiven zusammenfließen und diese von ihrer Bestimmung abweichend machen.‹ (Immanuel Kant)

Die strenge Bewegung der Spirale scheint sich im Bild »Sieben Sterne in Gelb« (180 x 180 cm, 2016) zu lösen. Die sieben in schwarz-weiß gestalteten Sterne schweben in dem warmen leuchtenden Gelb des Bildes, als wären sie schwerelose, sich drehende Körper, bewegt von einem kosmischen Wind. Damit erzeugt das Bild spielerisch einen Bezug zu den Platonischen Körpern und den Elementen  ›Erde‹ ›Luft‹ und ›Universum‹. Die Form des Sterns wird im Bildobjekt mit Japanpapier und Blattgold »Fächer (groß)« (180 x 180 cm, 2018) im türkisen Raum des Bildes weiterentwickelt. In dieser Komposition aus Dreiecken in Schwarz, Weiß und Gold, wird wieder eine konzentrische Bewegung suggeriert, die sich durch die Vorstellungskraft des Betrachters in der Form eines Kreises vervollständigen lässt. Wie eine Andeutung des ewigen Zyklus von Anfang und Ende.

Kreis und Dreiecke sind auch die geometrischen Grundformen im Werk »Corona (Farbiger Kreis mit Goldkrone)«. Dieses Bildobjekt aus Japanpapier und Blattgold erinnert an die Form des so gefürchteten wie erforschten Corona-Virus, das unsere Welt seit 2020 aufwühlt. Das Bild entstand im Jahr 2019, noch bevor die Öffentlichkeit von der bevorstehenden Pandemie etwas wissen konnte. Wie ein Seismograph scheint die Künstlerin Lore Bert die Umwälzung, die auf die Welt wartete, schon im vor-aus geahnt und visualisiert zu haben.

Das letzte großformatige Transparent mit Japanpapier, Tusche und Blattgold, »Gold (chinesisch)« (91 x 64 cm, 2021) zeigt den Begriff ›Gold‹ als chinesisches Schriftzeichen. Die Auseinandersetzung mit westlichen wie orientalischen Zahlen und Schriftzeichen ist seit Jahrzehnten ein Bestandteil des künstlerischen Universums von Lore Bert und bezeugt ihre Faszination für das in Schriften und Zeichen formulierte geistige Erbe der Menschheit.  In diesem Zusammenhang scheint das Werk »Gold (chinesisch)« in unserem Bewusstsein die für die Menschheit historisch wertvolle Leistung der chinesischen Kultur wachzurufen, der wir unter anderem die Erfindung des Papiers verdanken.  In diesem Sinne stellt das Werk unserer Gegenwart, die von der in China ausgebrochenen Pandemie erschüttert wird, ein Bild der geistigen Schönheit gegenüber. Dieser Eindruck wird durch 20 kleinformatige Werke verstärkt, die 12 weitere chinesische Schriftzeichen in unterschiedlichen Farben zeigen. Die zu diesem Anlass ausgestellte Werk-Serie ist schließlich auch als Hommage an das Kulturerbe zu verstehen, wofür das Gutenberg Museum in Mainz steht.

Lore Bert – Biographische Notizen 

Lore Bert vertritt eine einzigartige Position in der internationalen Kunstszene. 1936 in Gießen geboren, ist sie in Darmstadt aufgewachsen. Zwischen 1953 und 1957 studierte sie an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin bei dem Bildhauer Hans Uhlmann, der ihr Interesse am Räumlichen erweckte und damit ihre Weiterentwicklung entscheidend prägen sollte. In den Ausstellungen, die sie weltweit in mehr als 28 Ländern bestückt, zeigt sie Werke, die in einen vielfältigen Dialog mit dem Material Papier treten. Ihr künstlerisches Universum entfaltet sich im Geist der Kant’schen ›Transzendentalen Ästhetik‹ durch die sinnliche Wahrnehmung. Neben Bildobjekten und Collagen aus Papier realisierte sie mehr als 120 Environments in Museen und öffentlichen Institutionen in Europa, Asien, Afrika, Arabien, den USA, Mexiko und Kanada.

Konstruktive Formen, Geometrie, Architekturelemente, Buchstaben und Zahlen bilden ihr Formenvokabular, poetische und philosophische Schriften, Wissenschaft und Geschichte, logische Zusammenhänge, Eigenschaften und Relationen den geistigen Gehalt ihrer Arbeit. Über 300 Ausstellungen und 40 Monographien dokumentieren ihr Schaffen. Ihre Arbeiten befinden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen.

Lore Bert war bereits 1999 Ehrenkünstlerin der Biennale von Sharjah (VAE) und 2011 der Biennale von Izmir (Türkei). 2013 präsentierte sie in der Biblioteca Marciana (im Correr Museum am Markusplatz in Venedig) ihre Ausstellung »Art & Knowledge« als offizielle Begleitveranstaltung der 55. Biennale von Venedig. 2017 erhielt sie die Medaille der Stadt Lublin für ihre herausragenden Verdienste um das kulturelle Leben der Stadt Lublin / Polen. Lore Bert lebt und a

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