Niedrigqualifizierte können sich ihre Wunschstadt seltener leisten
Starke Wirtschaftsregionen sind gefragt
Die Wissenschaftler/innen stellen fest, dass Arbeitnehmer/innen durchschnittlich auf zwei bis acht Prozent ihres Einkommens verzichten würden, um in einer Region mit einer besseren Standortqualität zu leben. Entgegen der bisherigen Annahme unterscheiden sich Arbeitnehmer/innen dabei jedoch nicht aufgrund ihres Bildungsniveaus: Sowohl höher als auch niedriger Qualifizierte weisen ganz ähnliche Vorlieben auf. Bei der Standortwahl steht für sie die wirtschaftliche Entwicklung einer Region im Vordergrund. Arbeitnehmer/innen würden auf rund acht Prozent ihres Einkommens verzichten, um in einer Region mit hohem Beschäftigungswachstum und vielen Firmengründungen zu leben. „Eine starke Wirtschaftsregion weckt die Hoffnung, zukünftig das eigene Einkommen steigern zu können und besser vor Arbeitslosigkeit geschützt zu sein“, erklärt Arntz. Auch andere Dimensionen der Standortqualität erweisen sich als relevant. Für eine gute Schulqualität und eine ausreichend vorhandene Kinderbetreuung würden Arbeitnehmer/innen durchschnittlich auf sechs Prozent ihres Lohnes verzichten. Auch für eine bessere Infrastruktur in Form einer guten Verkehrsanbindung und verfügbarem Wohnraum nehmen sowohl höher als auch niedriger qualifizierte Personen im Durchschnitt sechs Prozent weniger Einkommen in Kauf. Ein reiches kulturelles Angebot ist Beschäftigten ebenfalls wichtig. Verglichen mit einer Region mit schlechtem Angebot würden sie für ein besseres Kulturangebot auf fünf Prozent ihres Lohns verzichten. Die Offenheit und Toleranz einer Stadt, erachten die Befragten hingegen als weniger wichtig. Für mehr soziale Vielfalt würden Beschäftigte nur zwei Prozent weniger Lohn akzeptieren, so die Ergebnisse der Untersuchung.
Niedriggebildete bei Angeboten benachteiligt
Die vorliegende Studie zeigt, dass hochqualifizierte Fachkräfte und weniger qualifizierte Arbeitnehmer/innen ganz ähnliche Städte als attraktiv bewerten. Die Mehrheit der Befragten ist unabhängig vom Bildungsniveau bereit, vergleichbare Anteile ihres Einkommens zu opfern, um in eine Region mit einer höheren Lebensqualität zu ziehen. „Dennoch beobachten wir in attraktiven städtischen Zentren oft einen deutlich höheren Anteil von qualifizierten Fachkräften. Die Gehälter für Hochqualifizierte sind in diesen Städten in der Regel deutlich höher, was die höheren Lebenshaltungskosten ausgleicht. Weniger qualifizierte Arbeitnehmer/innen können die höheren Kosten hingegen nicht vollständig durch ein höheres Einkommen kompensieren. Dadurch werden Arbeitnehmer/innen mit geringerem Einkommen oft vom Zuzug in attraktive Städte abgehalten, was letztlich die Unterschiede in den regionalen Lebensbedingungen verschärft“, erklärt ZEW-Ökonomin Arntz. Um dieser Kluft zwischen höher und niedriger gebildeten Arbeitnehmer/innen entgegen zu wirken, schlagen die Wissenschaftler/innen eine Wohnungspolitik vor, die bezahlbaren Wohnraum auch in attraktiven städtischen Lagen schafft.
Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.
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