Cyberangriff in Sachsen-Anhalt löst erstmals Katastrophenfall aus
Vor Ort ist auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), dessen Präsident Arne Schönbohm erst kürzlich im Zusammenhang mit dem Angriff auf den IT-Dienstleister Kaseya davor warnte, dass Ransomware „derzeit als eine der größten Bedrohungen für die IT von Unternehmen und Organisationen einzuschätzen“ sei. Eine Sprecherin bestätigte, dass es in der Vergangenheit bereits mehrfach Cyberangriffe auf Kommunen gab, bislang aber noch nie der Katastrophenfall ausgerufen wurde. Dabei ergibt dieser Schritt angesichts der Schwere des Angriffs durchaus Sinn, insbesondere dann, wenn man allein der Lage nicht mehr gewachsen ist und schnell die Hilfe von anderen Institutionen wie dem BSI in Anspruch nehmen möchte.
Doch wie konnte es überhaupt zu dem Angriff kommen, der bereits am 6. Juli stattfand? Einfallstor war Medienberichten zufolge die Windows-Sicherheitslücke Printnightmare, durch die sich Code aus der Ferne ausführen lässt. Branchenkenner könnten nun einwenden, dass diese Sicherheitslücke von Windows bereits Anfang Juni gepatcht wurde, allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn während für die erste unter diesem Namen bekannte Sicherheitslücke CVE-2021-1675 tatsächlich ein Sicherheitsupdate ausgeliefert wurde, bleibt eine andere, ebenfalls Printnightmare genannte Sicherheitslücke mit der Nummer CVE-2021-34527 weiter bestehen. Schlimmer noch: Für die weiter offene Lücke wurde in der Annahme, sie sei mit dem Update geschlossen worden, ein Proof-of-Concept-Exploit, also quasi eine Anleitung zur Ausnutzung, veröffentlicht. Dadurch ist es Kriminellen in aller Welt nun ein Leichtes, diese Schwachstelle auszunutzen. Welche der beiden Sicherheitslücken in Anhalt-Bitterfeld ausgenutzt wurde, ist bislang nicht bekannt und damit auch nicht, ob ein fehlendes Update schuld an der Misere ist. Tatsache ist jedoch, dass zahlreiche Server des Landkreises ausgefallen sind und die gesamte IT-Infrastruktur vom Netz genommen wurde. Ob die Daten „nur“ verschlüsselt oder zusätzlich heruntergeladen wurden, ist derzeit ebenfalls nicht bekannt. Auch dazu, ob es eine Lösegeldforderung gibt, hat sich der Landkreis noch nicht geäußert.
Der Fall zeigt allerdings ein großes Problem auf, das eigentlich bereits seit langem bekannt ist. Während sich Bundesbehörden und Unternehmen der kritischen Infrastruktur große IT-Abteilungen und umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen leisten können und müssen, sind Kommunen und Gemeinden nur unzureichend auf derartige Angriffe vorbereitet. Sie verfügen schlicht nicht über die notwendige personelle Ausstattung, um für die dringend notwendige Sicherheit ihrer Systeme angemessen zu sorgen. Hinzu kommt, dass viele sich der stetig weiterwachsenden Gefahr durch Cyberangriffe überhaupt nicht bewusst sind. Das könnte – und sollte – sich nach dem aktuellen Fall ändern.
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