Eine egozentrierte Raumkarte im menschlichen Gehirn
„Die Befunde geben Einblicke in neuronale Mechanismen von Erkrankungen, die das Gedächtnis beeinträchtigen“, sagt Ko-Studienleiter Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Abteilungsleiter Prächirurgische Epilepsiediagnostik – Epilepsiezentrum an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikum Freiburg.
Aufzeichnung egozentrierter Richtungszellen
Um die zellulären Mechanismen zu untersuchen, zeichneten die Neurowissenschaftler*innen im menschlichen Gehirn die Aktivität von mehr als tausend Neuronen auf. Möglich war dieses Vorgehen durch den Einbezug von Patient*innen des Epilepsiezentrums am Universitätsklinikum Freiburg, denen für diagnostische Zwecke Elektroden implantiert worden waren. Die Proband*innen lösten Aufgaben am Computer, die ihre Fähigkeit testeten, durch virtuelle Umgebungen zu navigieren und sich räumlich zu erinnern.
Die Forscher*innen konnten zeigen, dass dabei sogenannte egozentrierte Richtungszellen aktiviert werden. Diese waren besonders häufig im parahippocampalen Kortex zu finden. Frühere Studien hatten gezeigt, dass Patient*innen mit Schäden in dieser Hirnregion Probleme bei der räumlichen Orientierung haben – betroffen könnten die egozentrierten Richtungszellen gewesen sein.
Nervenzellen werden bei räumlicher Navigation aktiviert
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten, dass die Aktivierung der egozentrischen Richtungszellen davon anhängt, ob bestimmte Aspekte der virtuellen Umgebungen vor, hinter, rechts oder links der Patient*innen positioniert waren. Egozentrierte Richtungszellen kodieren also räumliche Informationen in einem Koordinatensystem, das auf die navigierende Person zentriert ist. „Das ist vermutlich wichtig im Alltag, wenn sich Menschen in ihrer Umgebung orientieren und auf geplanten Routen navigieren", sagt Schulze-Bonhage.
Nervenzellen reaktivieren während des Gedächtnisabrufs
Die Forscher*innen untersuchten ebenfalls die Aktivität der egozentrierten Speicherzellen während die Patient*innen versuchten, sich an die Standorte von Objekten in der virtuellen Umgebung zu erinnern. „Die Nervenzellen wurden während des erfolgreichen Gedächtnisabrufs reaktiviert. Das deutet darauf hin, dass sie Teil der neuronalen Basis für das menschliche Gedächtnis sind“, erklärt Dr. Lukas Kunz, Erstautor der Studie und Postdoktorand in der Abteilung Prächirurgische Epilepsiediagnostik – Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Freiburg sowie der Abteilung für Biomedizinische Technik an der Columbia University, USA.
Original-Titel der Studie: A neural code for egocentric spatial maps in the human medial temporal lobe.
DOI: 10.1016/j.neuron.2021.06.019
Link zur Studie: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0896627321004608
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