Städtetag warnt vor Rotstift bei kommunalen Investitionen – Bund und Länder müssen Corona-Folgen auffangen helfen
Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster, Markus Lewe, sagte nach Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss des kommunalen Spitzenverbandes in Berlin: „Uns fehlen 2021 und 2022 wegen Corona insgesamt 20 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Trotzdem gibt es anders als im vergangenen Jahr keine gemeinsame Hilfe von Bund und Ländern. Die Städte müssen deshalb reihenweise Projekte absagen oder auf die lange Bank schieben. Viele Städte sind gezwungen, bei dringend nötigen Investitionen in Schulen und Kitas zu sparen. Auch die Schuldenberge wachsen wieder. Uns ist nicht damit geholfen, dass Bund und Länder sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Wie im vergangenen Jahr brauchen wir eine Gemeinschaftsaktion, und dafür müsste der Bund wieder die Initiative ergreifen. Bund und Länder müssen die Gewerbesteuerausfälle durch Corona für 2021 und 2022 übernehmen. In den beiden Jahren fehlen zusammen mehr als 11 Milliarden Euro beim bundesweiten Aufkommen der Gewerbesteuer.“
Von den Städten kommt über die Hälfte der öffentlichen Sachinvestitionen. Dank der Hilfe von Bund und Ländern im vergangenen Jahr konnten die Städte 2020 trotz Corona kräftig investieren. Derzeit gehen aber fast 60 Prozent der Kommunen davon aus, dass sie ihre Investitionen kürzen müssen. Das bremst den Wirtschaftsaufschwung. Viele Aufträge für Handwerk und Gewerbe aus den Regionen stehen nun auf der Kippe. Dabei gibt es bei Investitionen in den Kommunen einen gewaltigen Nachholbedarf von bundesweit 149 Milliarden Euro, allein bei den Schulen sind es rund 47 Milliarden Euro.
Städtetagsvizepräsident Lewe: „Starke öffentliche Investitionen gibt es nur mit starken Kommunen. Deshalb sind wir enttäuscht, dass Bundestag und Bundesrat in den letzten regulären Sitzungen vor der Wahl keine Hilfe für die Kommunen beschlossen haben. Statt nach Corona durchzustarten, die Wirtschaft anzukurbeln und kräftig in Klimaschutz und Bildung zu investieren, wird nun in vielen Städten der Rotstift regieren. Wir schlagen Alarm, um Schaden für unsere Städte und Schaden für unser Land abzuwenden. Es geht um die Zukunft unserer Städte und die Lebensqualität für die Menschen.“ Spätestens nach der Bundestagswahl müsse sich der Bund endlich einen Ruck geben und handeln.
Beispiele aus Städten für Projektabsagen, ausgesetzte Investitionen, wachsende Schulden und Konsolidierungsmaßnahmen:
Göttingen: Um zwingend notwendige Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Öffentlichen Personennahverkehr und Klimaschutz zu realisieren, musste die Stadt mit dem Haushaltsbeschluss 2021 ihren selbst auferlegten Schuldendeckel aussetzen und deutlich höhere Kredite in die Finanzplanung aufnehmen. Das führt zusammen mit den Krediten für laufende Ausgaben in den kommenden Jahren zu höheren Schulden.
Hoyerswerda: Die Stadt ist unmittelbar vom Kohleausstieg betroffen. Strukturförderprogramme können nur genutzt werden, wenn es gelingt, ausreichend Eigenmittel aufzubringen. Gerade vor dem Hintergrund der Planung von Projekten für den bevorstehenden Strukturwandel im Lausitzer Revier ist es unverzichtbar, die Finanzierung von Folgekosten aus eigenen Investitionsmaßnahmen im Haushalt nachzuweisen, jedoch erwartet die Stadt für den Doppelhaushalt 2021/2022 ein Defizit.
Landeshauptstadt Kiel: Für 2021 wird der Haushalt mit Defizit geplant. Für 2022 zeichnet sich das ebenfalls ab.Investitionen mit Krediten sind deshalb genehmigungspflichtig. Die geplante Kreditaufnahme wurde durch die Kommunalaufsicht gekürzt. Geplante Investitionen sind zum Teil nicht mehr finanzierbar und konkurrieren miteinander, zum Beispiel Kita-Ausbau oder Schulkindbetreuung gegen Klimaschutzmaßnahmen. Sogenannte freiwilligen Leistungen, wie Zuschüsse für Sportvereine, müssen gekürzt werden.
Landeshauptstadt Magdeburg: Alle geplanten Projekte, vor allem die Finanzierung von Projekten im Bereich Schulneubau und Schulsozialarbeit, stehen auf dem Prüfstand. Der Beschluss des Stadtrates, in diesem Jahr ein kostenloses Schülerticket einzuführen, kann wegen der Intervention der Kommunalaufsicht nicht umgesetzt werden.
Landeshauptstadt München: Die finanzielle Situation hat sich, trotzt bereits frühzeitig vorgenommener Konsolidierungsmaßnahmen, gegenüber den Vorjahren nachdrücklich verschlechtert. Für die Jahre 2021 und 2022 weist die Haushaltsplanung ein deutliches Minus auf. Dieses kann von der Stadt München nicht allein gestemmt werden. Um auch weiterhin handlungsfähig zu bleiben und die wichtigen kommunalen Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger weiterzuführen sind erneute Gewerbesteuerersatzleistungen dringend notwendig. Ohne diese wäre die Stadt dazu gezwungen, weitere drastische Haushaltssicherungsmaßnahmen zu ergreifen, viele Projekte zu verschieben sowie ihre Investitionstätigkeit bis auf die Erfüllung notwendigster Pflichtaufgaben zurückzufahren. Die pandemiebedingte konjunkturelle Entwicklung mit ihren Folgen kann allerdings nur überwunden werden, wenn lokal in eine bessere Zukunft investiert wird.
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