Natur & Garten

Streuobstwiesen sind Naschgärten und Kulturerbe

Streuobstwiesen duften nach Omas Apfelkuchen. Sie spenden Schatten in der Sommerhitze. Nirgendwo schmecken die Birnen süßer, nirgendwo hat der Obstbrand mehr Umdrehungen. Pohls Schlotterapfel oder Grumkower Butterbirne heißen typisch alte Sorten, die nicht im Supermarkt, sondern auf Obst-Hoffesten verkauft werden. Streuobstwiesen sind Naschgärten für Mensch und Tier – und Kulturerbe. Die Auszeichnung als „Immaterielles Kulturerbe“ wurde im Frühjahr dieses Jahres von den Kulturministern der Länder – der Kulturministerkonferenz – bestätigt.

Die Streuobstwiese auf Gut Klepelshagen in Mecklenburg-Vorpommern ist etwa 100 Jahre alt. Wirtschaftlich ist die Wiese nicht – für Naturschützer ist sie aber unbezahlbar! „Unsere Streuobstwiese ist Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Mehr Biodiversität geht bei uns nicht“, sagt Michael Tetzlaff, Landschaftspfleger der Deutschen Wildtier Stiftung auf Gut Klepelshagen in Mecklenburg-Vorpommern. Experten haben errechnet, dass sich bis zu 5000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten auf einer einzigen Streuobstwiese tummeln können.

Auf der Klepelshagener Streuobstwiese wachsen 250 Apfel-, Pflaumen-, Birnen- und Kirschbäume. In den Höhlen der knorrigen Bäume wohnen Grünspecht und Gartenrotschwanz, im Totholz sagen sich Balkenschröter und Ohrwurm „Gute Nacht“. „Auch die Siebenschläfer sind gern auf unserer Streuobstwiese, Fledermäuse gehen hier auf Mückenjagd und Igel suchen am Fuß der Obstbäume nach Regenwürmern“, sagt Michael Tetzlaff. Schmetterlinge wie der Perlmuttfalter oder der Admiral, die sich andernorts auf dem Rückzug befinden, naschen mit Hingabe das Fallobst auf der Wiese. Seltene Wildbienenarten wurden um die Wiese herum entdeckt – etwa die Wollfüßige Blattschneiderbiene (Megachile lagopoda) oder die Felsen-Mauerbiene (Osmia mustelina). „Beide Arten sind hocheffektive Bestäuber“, sagt Tetzlaff. Heimische Wiesenpflanzen wie Kerbel, Schafgarbe, Flockenblume oder Rotklee locken Insekten aller Couleur an. „Als Naturschützer geht mir das Herz auf, wenn ich im Totholz eines Obstbaumes so seltene Käferarten wie etwa den Eremiten finde“, so der Artenschützer der Deutschen Wildtier Stiftung.

„Früher reichte das Obst einer Streuobstwiese für die gesamte Großfamilie. Heute kauft die Familie das Obst im Supermarkt, denn es gibt kaum noch Wiesen in dieser Form“, bedauert Tetzlaff. Streuobstwiesen sind ein Auslaufmodell – mit ihnen verschwindet ein einzigartiges Element unserer Kulturlandschaft. „Weil sich Streuobstwiesen wirtschaftlich nicht auszahlen, werden sie von ihren Besitzern in der Regel zu ertragsorientierten Plantagen mit niedrigstämmigen Obstsorten umgewandelt, die Geld einbringen“, betont Tetzlaff. Dabei verdienen Streuobstwiesen ein dickes Lob: Neben der Artenvielfalt sichert eine Streuobstwiese, die extensiv – also durch seltenes Mähen – gepflegt wird, kerngesundes Obst. „Zudem sind Streuobstwiesen für den Menschen in Zeiten der Monokulturen eine Augenweide in der Landschaft, Tetzlaff sagt: „Streuobstwiesen sind gefährdete Kleinode, die bewahrt werden müssen.“

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