„Das Maximale rausholen“ – Paul Wanke will bei den EuroSkills Graz 2021 die Goldmedaille holen
Alles, bloß nicht 08/15
Paul mag die Herausforderung, ist ständig auf der Suche nach Abenteuern und sogar „rastlos“, wie er über sich selbst sagt. „Ich bin ein ‚Andersdenker‘, sehe Dinge gern ‚out of the box‘“. Beides passt zu seinem Lebensmotto, denn Paul sagt: „Jeder sollte größer denken und in seinem Leben aus sich das Maximale rausholen.“
Genauso außergewöhnlich wie das Lebensmotto, sollte für Paul auch der Beruf sein. Über seine Berufsfindungsphase berichtet er: „Ich hatte mich immer schon für Technik interessiert und als ich dann mit 15 Jahren ein Praktikum als Industriemechaniker gemacht habe, wusste ich, dass ich im Bereich der Metallbearbeitung später mein Geld verdienen möchte. Mehr Gedanken habe ich mir aber auch nicht zu dem Thema gemacht. Eins führte zum anderen und schließlich fand ich mich dann in der Ausbildung zum Werkzeugmechaniker wieder. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mega Glück hatte auf Anhieb den passenden Job zu finden.“
Anderen würde er empfehlen, so viel wie möglich auszuprobieren, am besten in Form von Praktika. „Auch wenn einem das eine oder andere auf den ersten Blick nicht direkt zusagt, ausschließen kannst du es erst dann wirklich, wenn du es probiert hast.“ Deshalb rät er jungen Menschen: „Hab keine Angst irgendetwas Außergewöhnlichem nachzugehen, es muss nicht immer ein 08/15-Job sein.“
Viel Verantwortung bei der Arbeit an teuren Werkstücken
Werkzeugmechaniker*innen fertigen Stanzwerkzeuge, Gieß- und Spritzgussformen oder Vorrichtungen für die industrielle Serienproduktion und den Maschinenbau, zudem auch feinmechanische bzw. chirurgische Instrumente. Für die Herstellung setzen sie meist CNC-gesteuerte Werkzeugmaschinen ein, die sie auch selbst programmieren. Mithilfe der Dreh-, Fräs-, Schleif- und Bohrmaschinen fertigen sie die Einzelteile der oft komplexen Werkzeuge an. Dabei halten sie die durch technische Zeichnungen vorgegebenen Maße exakt ein. Einzelteile montieren sie zu fertigen Werkzeugen und bauen sie in die Produktionsmaschinen ein, z. B. in Stanzmaschinen. Sie führen Probeläufe durch und kontrollieren die fertigen Erzeugnisse. Auch die Wartung und Instandhaltung von Werkzeugen und Maschinen gehört zum Aufgabengebiet.
Ein einzigartiger Beruf, übernehmen Werkzeugmechaniker*innen als Facharbeiter*innen doch auch eine große Verantwortung. Für Paul ist genau dies das Besondere an seinem Beruf: „Du musst mit Werkstücken arbeiten, die viele Tausend Euro wert sind und wo schon viele Arbeitsstunden reingeflossen sind. Du arbeitest stets im Team zusammen und musst dich mit ihm absprechen. Am Ende bist du dann oft alleine für die Planung und Umsetzung von wochenlangen Arbeiten verantwortlich. Umso stolzer kann man dann auf ein gutes Ergebnis sein.“
„Besser, effizienter und genauer“ – der erste Schritt ist die Ausbildung
Für eine Ausbildung erwarten die meisten Betriebe der metall- und kunststoffverarbeitenden Industrie oder Werkzeugbaubetriebe mindestens einen mittleren Bildungsabschluss. Gute Leistungen in Schulfächern wie Physik, Mathematik oder Informatik helfen den Auszubildenden während ihrer Ausbildung und im späteren Beruf.
Paul stimmt zu und meint: „Man sollte dazu in der Lage sein, räumlich zu denken. Außerdem muss man gut improvisieren können und kreativ sein, da man stets mit neuen Herausforderungen konfrontiert wird. Ebenfalls wichtig ist der gute Umgang mit Zahlen, eben Spaß an Mathematik.“
Konkret auf seine persönlichen Eigenschaften angesprochen, ist er sich sicher, sein gewisser Drang alles ausprobieren zu wollen, „auch wenn mir jemand sagt, dass es nicht geht“, hilft ihm in seinem Beruf weiter. Das Erfolgsgeheimnis in seinem Beruf: „Man muss Geduld haben, wenn etwas auf Anhieb nicht funktioniert und nie zufrieden sein mit Schema F oder mit der Herangehensweise von gestern“, verrät er. „Es geht sicher immer noch besser, effizienter und genauer als man es bisher gemacht hat.“
Ein typischer Arbeitstag eines*einer Werkzeugmechaniker*in
Paul hat einen eingespielten Tagesablauf: „Wenn ich zur Arbeit komme, ziehe ich mich um und auf dem Weg zu meinem Arbeitsplatz starte ich bereits meine Maschine und mache dann den Computer an. Auf meiner Werkbank liegen schon einige Werkstücke und jede Menge Zeichnungen, teilweise ganze Mappen. Meist bin ich mittendrin in einem Projekt, die grobe Planung steht schon und ich weiß genau, was zu tun ist.“ Anschließend nimmt sich Paul eine Zeichnung und schaut sich diese mithilfe eines CAM-Programms am PC genauer an. Dann beginnt die Programmierung. „Sobald ich am Rechner fertig bin, gehe ich zur Maschine, lege das Werkstück ein, lade das vorhin erstellte Programm ein und beginne mit der Bearbeitung. Während die Bearbeitung im Gange ist, programmiere ich schon das nächste Bauteil, spreche mich mit meinen Kollegen ab über nächste Arbeitsschritte oder arbeite Werkstücke manuell nach.“
Dass nicht immer alles auf Anhieb klappt und auch während eines gewöhnlichen Arbeitstages verrückte Dinge passieren können, hat Paul während seiner Ausbildung auch erlebt. „In meiner Lehre habe ich einmal an der Flächenschleifmaschine 50 Bauteile unzureichend gesichert und während der darauffolgenden Bearbeitung schossen die Werkstücke in alle Richtungen durch den gesamten Werkzeugbau und zerstörten eine Glasscheibe. Ich kam mit dem Schrecken davon, hatte danach auf jeden Fall einen größeren Respekt vor den Maschinen und ich wusste, wie man es nicht macht“, erzählt er. „Für mich ist es immer noch die effektivste Art zu lernen, wenn man auch mal Fehler macht.“
„Wer kann schon sagen, dass er bei der Europameisterschaft der Berufe teilgenommen hat?“
Paul selbst beschreibt sich als kommunikativ. Seine Familie und Freunde, so erzählt er uns, würden noch „ein bisschen verrückt und übertreibt gerne“, aber auch „zielstrebig“ hinzufügen. Genau diese Zielstrebigkeit wird ihm hoffentlich helfen, seine persönlichen Ziele für die EuroSkills Graz 2021 zu erreichen. „Mit einer Platzierung unter den ersten Drei wäre ich zufrieden. Ich werde aber alles dafür geben, Gold zu bekommen“, sagt er bestimmt.
Für die Teilnahme an den EuroSkills hat er sich qualifiziert, nachdem er bereits bei der Deutschen Meisterschaft im CNC-Fräsen 2020 in drei Wettkampfrunden den zweiten Platz belegt hatte. „Aufgrund der Tatsache, dass der Erstplatzierte nicht bei den EuroSkills teilnehmen wollte, wurde eine weitere Qualifikationsrunde im Mai 2021 ausgetragen, bei der ich mich durchsetzen konnte und somit als Kandidat für die EuroSkills ausgewählt wurde.“
Nun blickt Paul nach vorn: „Ich freue mich mega, dass ich diese einmalige Chance habe, dabei zu sein. Ich weiß, dass dies etwas sein wird, das ich nicht so schnell vergessen werde.“ Die Teilnahme an Berufswettbewerben würde er deshalb auch anderen jungen Menschen empfehlen. „Weil sie dadurch nicht nur ihr Selbstvertrauen und ihre Fähigkeiten stark entwickeln, sondern auch ihr Können allen anderen beweisen können, was in einem bürokratischen Land wie Deutschland durchaus wichtig ist und für das weitere Berufsleben sicherlich nützlich sein kann. Außerdem: Wer kann schon sagen, dass er bei der Europameisterschaft in seinem Beruf teilgenommen hat?“
WorldSkills Germany fördert und unterstützt nationale und internationale Wettbewerbe nicht-akademischer Berufe und ist damit Botschafter für den Standort Deutschland. Die Wettbewerbe sind Impulsgeber für die Berufsbildung, wirtschaftliche Kontakte und Plattform zur Präsentation neuer Entwicklungen. Sie zeigen jungen Menschen frühzeitig Chancen auf und motivieren zu Bestleistungen in der Ausbildung. Der 2006 gegründete Verein WorldSkills Germany vereint Engagement und Ideen von derzeit über 80 Mitgliedern, Partnern, Unternehmen und Verbänden. Er ist die nationale Mitgliedsorganisation von WorldSkills International und WorldSkills Europe. Deutschland ist seit 1953 Mitglied bei WorldSkills International. Vorstandsvorsitzende des WorldSkills Germany e. V. ist Andrea Zeus; Hubert Romer ist Geschäftsführer und Official Delegate. Als Partner von WorldSkills Germany setzt sich das Unternehmen CWS nicht nur für die Exzellenz in der Berufsbildung ein, sondern fördert auch die Ausbildung nicht akademischer Berufsbilder.
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