Neue EU-Verordnung verletzt nationale Rechtsnormen und droht das ärztliche Berufsgeheimnis und die Vertraulichkeit des Arzt-Patienten-Verhältnisses einerseits und den Prozess der Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem andererseits zu gefährden
„Auf der Grundlage dieser Verordnung dürfen Ermittlungsbehörden aller EU-Staaten in jeweils allen anderen EU-Staaten unmittelbar an Internetdienstleister, Cloud-Dienste und Telekommunikationsprovider herantreten und die Herausgabe von personenbezogenen Daten verlangen. Dabei bleiben Unterschiede in Hinblick auf nationalstaatliche Regelungen zu Berufsgeheimnissen wie etwa zur Vertraulichkeit des Arzt-Patienten-Verhältnisses und zur ärztlichen Schweigepflicht unberücksichtigt. Deutsche Internet- und Telekommunikationsdienstleister müssen demnach selbst in solchen Fällen personenbezogene Daten an Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten herausgeben, in denen nach deutschem Recht gar keine Straftat vorliegt, z. B. beim legalen Schwangerschaftsabbruch. Lediglich den Internet-, Cloud- und Telekommunikationsunternehmen selbst bleibt es überlassen, entsprechende Datenanforderungen zu prüfen. Das rechtlich und sachlich in der Bundesrepublik Deutschland hochstehende ärztliche Berufsgeheimnis droht auf diese Weise ebenso unter die Räder zu kommen wie die Belange anderer Berufsgeheimnisträger wie die der Rechtsanwälte, Geistlichen und Journalisten“ – so Schröter. Gesetzliche Ausgestaltungen zu Berufsgeheimnissen wie etwa der ärztlichen Schweigepflicht seien in den verschiedenen EU-Staaten durchaus unterschiedlich. Auf die Vertraulichkeit des Arzt-Patienten-Verhältnisses und die ärztliche Schweigepflicht müssten sich in Deutschland alle Patientinnen und Patienten und deren Ärztinnen und Ärzte verlassen können.
„Auf der anderen Seite würde durch die Inkraftsetzung der vom Europäischen Parlament bereits verabschiedeten Verordnung den aktuellen Bemühungen um eine weitergehende Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen vermutlich ein herber Rückschlag drohen, da sich Ärztinnen und Ärzte möglicherweise Sorgen um die Sicherheit der hochsensiblen digitalen Daten ihrer Patientinnen und Patienten machen müssten“ – weist Harth hin. Dies sei besonders schwerwiegend, da Deutschland im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen erheblich aufzuholen habe, um nicht zuletzt auf Herausforderungen wie die der Corona-Pandemie adäquat und schnell reagieren zu können.
Die noch ausstehende Zustimmung durch den Europäischen Rat biete nach Ansicht der Hartmannbund-Mandatsträger noch ein schmales Zeitfenster, um notwendige Nachbesserungen umzusetzen und spezifische Regelungen in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu Berufsgeheimnissen und Berufsgeheimnisträgern angemessen zu berücksichtigen. Das in Deutschland geltende und mit hohem Rechtsrang ausgestattete ärztliche Berufsgeheimnis dürfe nicht ausgehöhlt werden, andererseits dürfe die Fortführung der Digitalisierung im Gesundheitswesen und die Bereitschaft seitens der „Professionals“, diese weiter voranzutreiben, durch eine fehlende rechtliche Konkretisierung nicht gefährdet werden.
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