Neue Richtlinien im Kinderfußball
Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der fußballerischen und persönlichen Entwicklung der Kinder. Alles wird etwas kleiner: Spielfeld, Teams und Tore. So stärken wir die Kernelemente des Fußballs wie Dribblings, Torschüsse und Ballkontakte. Kinder brauchen Abwechslung und wollen spielen. Das gewährleisten die neuen Richtlinien durch Spieltage, verschiedene Torformen und Torvarianten. Essentiell ist außerdem, die effektive Spielzeit für die Kinder zu erhöhen. Durch die Rotationsvorgabe, den Wegfall des Anspiels bei Torerfolg, den Einsatz von Balldepots sowie dem Eindribbeln und Einkicken, wenn der Ball im Aus war, gewinnen die Spieler*innen einiges an Nettospielzeit.
Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
Bambini: Die Bambini spielen 3-gegen-3 ohne Torwart auf zwei oder vier Minitore in Feldern 15 x 15 Meter
F-Jugend: Die F-Junior*innen spielen 4 plus 1 auf zwei Tore mit Torhöhenreduzierung auf Feldern 20 x 30 Meter oder 3-gegen-3 auf vier Minitore in Feldern 20 x 20 Meter
E-Jugend: Die E-Junior*innen spielen 5 plus 1 auf zwei Jugendtore auf Feldern 25 x 40 Meter oder 3-gegen-3 auf vier Minitore in Feldern 25 x 25 Meter
Nach dem ersten halben Jahr wird es eine weitere Evaluation der neu eingeführten Spielformen geben, um ggf. entsprechend reagieren zu können. Die Kreise werden in Kürze mit Terminen für Informationsveranstaltungen und Schulungen auf die Vereine zukommen. Bei Rückfragen stehen die gewohnten Ansprechpartner*innen in den Kreisen selbstverständlich zur Verfügung.
Die neuen Richtlinien und alles Weitere rund um das Thema Kinderfußball finden Sie unter www.badfv.de/kinderfussball
„Die neuen Spielformen fordern und fördern die Kids zugleich“ –
Interview mit Verbandsjugendleiter Rouven Ettner und DFB-Stützpunktkoordinator Markus Schmid
Für die Bambini, F- und E-Junior*innen gelten ab der Saison 2021/22 neue Richtlinien für den Kinderfußball. Im Interview erklären Verbandsjugendleiter Rouven Ettner und DFB-Stützpunktkoordinator Markus Schmid, welche Chancen sie darin sehen.
Was hat es mit den neuen Spielformen genau auf sich?
Markus Schmid: Kinder wollen Fußball spielen. Sie wollen den Ball am Fuß haben. Die neuen Spielformen sorgen dafür, dass möglichst alle Kinder auch auf dem Platz stehen, viele eigene Ballaktionen haben, Tore erzielen und dribbeln und somit viele Erfahrungen und Erfolgserlebnisse mit dem Ball verbuchen können. Um das zu ermöglichen, setzen wir auf kleinere Teams und Spielfelder, Spielnachmittage statt Einzelspiele und Balldepots am Spielfeldrand. Unsere Leitlinien sind die drei großen Gs: Es soll gelacht, geschwitzt und gelernt werden. Diese drei Gs waren die Richtschnur all unserer Überlegungen bezüglich der neuen Spielformate und
-organisationen.
Rouven Ettner: Zum einen fördern die neuen Spielformen natürlich die individuelle sportliche Entwicklung der Kinder, wie Markus schon angerissen hat. Zum anderen sollen damit auch der gesamte Fußball und die Vereine an der Basis gestärkt werden. Wir erhoffen uns, dass auch tatsächlich jedes Kind spielen wird und durch viel Einsatzzeit auch langfristig nicht den Spaß am Fußball verliert. Ein Beispiel dafür: Ausbälle oder auch Torerfolge bedeuten einen Verlust an Spielzeit, da die Kinder den Ball holen bzw. zum Mittelpunkt bringen müssen. Hier vergeht viel Zeit bis der Ball wieder rollt. So beträgt im Fußball die Nettospielzeit (Anm.: Ball ist im Spiel) nur ca. 60 % der Bruttospielzeit. Durch unsere Spielformatsanpassungen wie die Balldepots oder dass nach Torerfolg von hinten gestartet wird – wie früher auf dem Bolzplatz – gewinnen wir Nettospielzeit.
Warum werden die neuen Richtlinien eingeführt?
Rouven Ettner: Die neue Ausgestaltung führt dazu, dass der Fußball für die Jüngsten kindgerechter wird. Bisher waren die Mannschaften und Spielfelder größer. Das bedeutete weniger Ballkontakte für jedes einzelne Kind. Insbesondere leistungsschwächere oder körperlich unterlegene Kinder hatten dadurch weniger Chancen, am Spiel teilzuhaben und so häufig den Spaß am Fußball oder die Möglichkeit zur Weiterentwicklung verloren. Wie bereits eingangs erwähnt sollen die neuen Spielformen für mehr Ballkontakte und einen höheren Spaßfaktor bei allen Kindern sorgen.
Markus Schmid: Wir hören ja immer wieder: „In Deutschland fehlen echte ‚Straßenkicker‘!“. Tatsächlich sehe ich auch die Problematik, dass im Kinderfußball zu früh viel Wert auf Taktik, Ballzirkulation oder Athletik gelegt wird. Darunter leidet die Ausbildung der technischen Grundlagen. Wir brauchen Spieler*innen, die mit Mut in ein Dribbling gehen, auch wenn sie mal einen Ball verlieren, die eine tolle Spielübersicht haben, die kreativ auf engem Raum Lösungen finden. Mit den neuen Spielformen stärken wir diese Kompetenzen. An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass das Konzept eine bundesweite Maßnahme ist, um das Ausbildungs- und Talentfördersystem in Deutschland weiterzuentwickeln.
Führt das nicht dazu, dass schwächere Spieler*innen demotiviert werden?
Markus Schmid: Diese Befürchtung ist meines Erachtens nach unbegründet. Sogar das Gegenteil ist der Fall: In den bisherigen Spielformen kamen die weniger talentierten Spieler*innen weniger zum Einsatz. Wenn sie auf dem Spielfeld standen, hatten sie seltener den Ball. Der neue Modus führt dazu, dass alle Kinder ins Spiel einbezogen werden.
Welchen weiteren Einfluss haben die Neuerungen und was sind die Vorteile?
Rouven Ettner: Vorrangig haben die Trainer*innen und auch die Eltern durch die neuen Regeln weniger Einfluss auf ihre Kinder und auf das Spiel als solches. Das fordert und fördert die Kids zeitgleich. Sie spielen Fußball so wie es ihren Fähigkeiten und Interessen gerecht wird. Darüber hinaus geben wir den Kindern frühzeitig die grundsätzlichen Werte des Fußballs mit: Fairness, Spielfreude und den Umgang mit Siegen, aber auch mit Niederlagen.
Warum lasst ihr den Kindern nicht den „echten“ Fußball?
Rouven Ettner: Den nehmen wir den Kindern nicht. Der Grundsatz bleibt der gleiche: Es spielen zwei Mannschaften gegeneinander, es gibt Tore und einen Ball. Auf wie viele Tore gespielt wird, ist für die Kids im ersten Schritt noch nicht entscheidend. Gerade im jungen Alter machen vor allem Spiel, Spaß und Tore den Fußball für sie aus. Das fördern wir mit den neuen Richtlinien.
Ist es für die Ausbildung problematisch, dass anfänglich ohne Torhüter gespielt wird?
Markus Schmid: Zwingend ohne Torhüter wird bei den neuen Spielformen nur bei den Bambini gespielt. Viele Bundesligatorhüter haben im Feld begonnen und sind dann im Laufe ihrer Karriere ins Tor gewechselt. Dem haben wir Rechnung getragen. Zudem würde ich behaupten, dass wir zukünftig bessere Torhüter über die Spielformate ausbilden, weil die kleineren Spielfelder ab der F-Jugend wesentlich mehr Torschüsse und tornahe, offensive Ballaktionen mit sich bringen. Das heißt, ein Torwart wird wesentlich häufiger gefordert sein, seinen Kasten sauber zu halten und während des Spiels im Kopf wach zu bleiben. Zusätzlich gibt es ab dem E-Jugendbereich Regelanpassungen, die förderlich sind für eine gute Spieleröffnung. Hier werden Torhüter wesentlich häufiger im Spielaufbau eingebunden werden.
Ein weiterer Kritikpunkt wird sicherlich sein, dass der Sprung von den kleinen Spielfeldern und der geringeren Spieleranzahl vom E-Jugendbereich in die D-Junioren*innen zu groß sein wird?
Markus Schmid: Und damit haben die Kritiker völlig Recht. Wir springen von einem 6-gegen-6 auf einem etwas vergrößerten Hallenspielfeld im E-Jugendbereich auf ein 9-gegen-9 auf ein fast komplettes Spielfeld im D-Jugendbereich. Zur Saison 2022/23 müssen demnach im D-Juniorenbereich, vermutlich auch im C-Juniorenbereich Anpassungen vorgenommen werden. Auch hier möchten wir uns langsam dem großen Spiel annähern, indem wir auf kleinere Spielerzahlen und Spielfeldgrößen setzen. Das werden wir in verschiedenen Arbeitsgruppen besprechen und in der Praxis erproben.
Bringen die neuen Richtlinien nicht immense organisatorische Herausforderungen für die Vereine mit sich?
Rouven Ettner: Wir sind uns darüber bewusst, dass die Kommunikation und die Umsetzung der neuen Richtlinien für den Kinderfußball relativ kurzfristig auf den Weg gebracht wurden. Nichts desto trotz wissen wir um das enorme Engagement unserer Vereine und deren Ehrenamtlichen – gerade im Kinderfußball. Was die Voraussetzungen für die neuen Spielformen angeht, benötigen die Vereine die Minitore und im Idealfall einige Betreuer*innen. Das können natürlich auch Eltern sein, die bei den jüngeren Kindern meist sowieso mit auf dem Sportplatz sind. Die Minitore können die Vereine über den bfv zu günstigen Konditionen bestellen, falls nicht sowieso schon welche vorhanden sind. Ansonsten können die Minitore selbstverständlich auch erst einmal durch Hütchen und Stangen ersetzt oder größere Tore z. B. mit Bändern in der Höhe reduziert werden.
Gibt es diesbezüglich Unterstützung für die Vereine?
Rouven Ettner: Trainer*innen und Eltern können sich unter www.badfv.de/kinderfussball auf einen Blick über alle Neuerungen informieren. Darüber hinaus folgen Erklärvideos, die die neuen Regeln für jede Altersstufe leicht verständlich und auch grafisch verdeutlichen. Neben der reinen Information bieten wir unseren Vereinen auch günstige Konditionen für den Kauf von Minitoren oder weiterer Ausstattung wie z. B. Bänder zur Torhöhenreduzierung an. Diese können über das Bestellformular auf der Kinderfußballseite unter www.badfv.de/kinderfussball ganz einfach direkt beim bfv bestellt werden.
Möchtet ihr den Vereinen noch etwas mit auf den Weg geben?
Markus Schmid: Wie gesagt, wir wissen, dass es sich um eine recht kurzfristige Maßnahme handelt. Dennoch bitten wir die Verantwortlichen darum, offen für Neues zu sein und sich nicht komplett vor den Änderungen zu verschließen.
Rouven Ettner: Durch die Erfahrungen der Pilotveranstaltungen und die vorwiegend positiven Rückmeldungen der Vereine dazu, sind wir uns sicher, zukunftsfähige Spielformen gefunden zu haben. Diese sollen den Kids das vermitteln, was gerade in diesen Zeiten am wichtigsten ist: Spaß und Freude am Fußball!
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