Die Chinamode des 18. Jahrhunderts: das „Schellenhäusle“ im Schlossgarten
EIN STÜCK CHINA IM SCHLOSSGARTEN
Das Mondfest, auch Mittherbstfest genannt, zählt neben dem Neujahrsfest zum wichtigsten Feiertag in China: Bei dem traditionellen Fest grillen Familien gemeinsam im Park und bestaunen den Vollmond ‒ in diesem Jahr am 21. September. Der Feiertag ist ein schöner Anlass, um auf die Spuren der „Chinamode“ im Garten des Residenzschlosses Mergentheim hinzuweisen, denn im 17. und 18. Jahrhundert war alles, was aus China kam, in Mode ‒ ob Porzellan, Lackmobiliar, Feuerwerk oder Seide. Auch in der Gartenkunst fanden asiatische Motive ihren Eingang: So entwarf Hofgärtner Franz Joseph Hüller (1762–ca. 1816) für den neugestalteten Landschaftsgarten zwei Gartenhäuser mit Einflüssen fremder Kulturen ‒ das „Halbmondhäuschen“, das orientalische Motive aufgreift, und den Chinesischen Pavillon, der mit seinem leicht geschwungenen Dach und der verglasten Laterne an die typischen Bauten Asiens erinnert: Pagoden.
GRIECHISCHE ANTIKE TRIFFT CHINESISCHE TRADITION
Der Entwurf von Hofgärtner Franz Joseph Hüller orientierte sich an zeitgenössischen Musterbüchern: Die Zeichnungen stammten von Architekten, die nach Asien reisten, um dort die Bauten zu studieren. In ihren Darstellungen verschmelzen die europäischen Architekturelemente mit chinesischen Formen. Die Gestaltung des „Schellenhauses“ ähnelt dem Entwurf für ein Speisehaus des britischen Architekten Charles Over: Das „Banquetting House“ zeigt einen eingeschossigen Rundbau mit Säulenumgang. Es erschien mit weiteren Entwürfen 1758 unter dem Titel „Ornamental architecture in the Gothic, Chinese and modern Taste […]“. Traditionell sind chinesische Pagoden jedoch mehrgeschossig. Die Form des Rundbaus mit einem Säulenumgang hat ihre Wurzeln in der Antike: Sie geht auf griechische Rundtempel zurück, „Tholos“ genannt.
GLOCKEN SIND ASIATISCHEN URSPRUNGS
Von den dekorativen Glocken und dem Schellenbaum auf dem Dach des chinesischen Pavillons im Schlossgarten Mergentheim leitet sich sein Spitzname ab: das „Schellenhäusle“. In seiner Form erinnert der Schellenbaum an das gleichnamige Musikinstrument aus dem osmanischen Reich, das als Kriegsbeute nach Europa gelangte und seinen Platz in der westlichen Musik fand. Sein französischer Name legt jedoch einen Ursprung in China nahe: „Chapeau chinoise“ bedeutet übersetzt „chinesischer Hut“. In China haben auch die Glocken ihre ursprünglichen Wurzeln. Unter Kaiser Huang-ti entstanden vor rund 4.500 Jahren die ersten Glocken. Der chinesische Gelehrte Konfuzius beschrieb sie als Grundpfeiler der sozialen Ordnung: Ihr Klang rhythmisierte kultische Anlässe, den Tag und die kaiserlichen Zeremonien.
THEMENJAHR „EXOTIK. FASZINATION UND FANTASIE“
Mit dem Themenjahr „Exotik. Faszination und Fantasie“ erkunden die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg in diesem Jahr die Wege von duftenden Gewürzen, kostbar gearbeitetem Kunsthandwerk und außergewöhnlichen Pflanzen nach Europa. Die Sucht und Sehnsucht nach Exotik bereicherte die höfische Inszenierung um viele Glanzpunkte. Auch die Kehrseite der Medaille wird beleuchtet: Die europäische Neugier und Besitzgier, der Wissens- und Expansionsdrang führten überall auf der Welt zu Gewalt und Ausbeutung von Mensch und Natur. Das Residenzschloss Mergentheim ist eines von 15 Monumenten des Landes, in dem die Gäste die Spuren fremder Kulturen und ferner Kontinente erkunden können.
INFORMATION
ÖFFNUNGSZEITEN
Bis Sonntag, 31. Oktober 2021
Mi–So und Feiertag 10:30–17:00 Uhr
Montag, 1. November 2021 bis Sonntag, 31. März 2022
Mi, Do, Fr, Sa 14:00‒17:00 Uhr
So, Feiertag 10:30‒17:00 Uhr
PREISE
Erwachsene 7,00 € / Erwachsene mit Kurkarte 6,30 € / Ermäßigte 3,50 € / Familien 17,50 €
Schlosspark Residenzschloss Mergentheim
Tagsüber frei zugänglich
Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg öffnen, bewahren, vermitteln und vermarkten 62 historische Monumente im deutschen Südwesten. 2019 besuchten rund 4 Mio. Menschen diese Originalschauplätze mit Kulturschätzen von höchstem Rang: darunter Schloss Heidelberg, Schloss und Schlossgarten Schwetzingen, das Residenzschloss Ludwigsburg, Schloss und Schlossgarten Weikersheim, Weltkulturerbe Kloster Maulbronn, Kloster und Schloss Salem sowie die Festungsruine Hohentwiel.
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Schlossraum 22 a
76646 Bruchsal
Telefon: +49 (7251) 74-2770
Telefax: null
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