LG Berlin: AGB-Klauseln einer Airline, die Abtretung von Entschädigungsansprüchen des Fluggastes an Legal Tech Portale erschweren, sind wettbewerbswidrig – Wettbewerbszentrale lässt Grundsatzfrage klären
Die Fluggesellschaft Wizz Air Hungary Ltd. regelte in ihren AGB, dass Fluggäste etwaige Entschädigungsansprüche zunächst selbst bei der Fluggesellschaft über deren Internetseite einreichen müssten. Für den Fall, dass die Entschädigungsansprüche an Dritte abgetreten würden, sahen die AGB die Erhebung einer „Abtretungsbearbeitungsgebühr“ vor, die von der Entschädigung abgezogen werden sollte. Abgetretene Ansprüche würden zudem nur bearbeitet werden, wenn die Kontakt- und Zahlungsdaten des Passagiers für eine direkte Auszahlung der Entschädigungen an diesen angegeben seien.
Die Wettbewerbszentrale beanstandete diese Regelungen als unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern, denen die Durchsetzung ihrer gesetzlichen Rechte unzulässig erschwert werde. Sie ist der Auffassung, dass es dem Verbraucher insbesondere nach der Fluggastrechte-VO (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) freistehe, auf welche Weise er seine Entschädigungsansprüche wegen Verspätung oder Flugausfalls geltend machen will. Viele Fluggastrechteportale und Legal Tech-Anbieter lassen sich die Entschädigungsansprüche der Verbraucher abtreten. Die Geltendmachung derartiger Ansprüche werde mit der von Wizz Air in den betreffenden AGB-Klauseln vorgesehenen „Abtretungsbearbeitungsgebühr“ und der Verpflichtung zur direkten Forderungsanmeldung unzulässig erschwert, meint die Wettbewerbszentrale.
Nachdem Wizz Air die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, hatte die Wettbewerbszentrale beim Landgericht Berlin Klage erhoben zur grundsätzlichen Klärung der Frage, ob eine Fluggesellschaft Kunden per AGB Klauseln erschweren darf, Fluggastrechteportale zur Durchsetzung ihrer Fluggastrechte zu nutzen.
Das Landgericht Berlin bestätigte die Auffassung der Wettbewerbszentrale. So verstießen die betreffenden Klauseln gegen § 3 a UWG i.V.m. Art. 15 Fluggastrechte-VO. Nach letztgenannter Vorschrift dürfen die Verpflichtungen aus der Fluggastrechte-VO gegenüber Fluggästen insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Hiervon seien nicht lediglich materiell-rechtliche Einschränkungen erfasst, sondern gleichermaßen objektiv nicht gerechtfertigte Vorgaben, wonach die Durchsetzung der Fluggastrechte – beispielsweise bei Inanspruchnahme professioneller Hilfe seitens des Fluggastes – erschwert würden. Das Landgericht Berlin bewertete die Forderung einer „Abtretungsbearbeitungsgebühr“ seitens Wizz Air als materiell-rechtliche Einschränkung der Fluggastrechte. Die weiteren Voraussetzungen für die Geltendmachung etwaiger Entschädigungsansprüche – vorrangige, eigenständige Anmeldung der Entschädigungsansprüche durch den Fluggast direkt über die die Internetseite von Wizz Air und Anspruchsbearbeitung nur, wenn dessen Kontakt- und Zahlungsdaten für eine direkte Auszahlung angegeben sind – beschränkten den Fluggast in der Ausübung seiner Rechte.
„Nicht zuletzt die zögerliche Haltung einiger Fluggesellschaften, Fluggäste nach den gesetzlichen Regelungen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – i.d.R. bei großen Verspätungen oder Flugannullierungen – zu entschädigen, war und ist eine wesentliche Grundlage für das Geschäftsmodell der Fluggastrechteportale. Dementsprechend führen Bestrebungen von Fluggesellschaften, dieses Geschäftsmodell durch vertragliche Regelungen mit den Fluggästen zu unterminieren, nicht nur zu einer wesentlichen Einschränkung der gesetzlichen Ansprüche der Fluggäste. Wettbewerbskonform agierende Fluggesellschaften, die einen infolge von rechtmäßigen Forderungsabtretungen notwendigerweise entstehenden erhöhten Arbeits- und Verwaltungsaufwand tragen, werden in unlauterer Weise benachteiligt.“, meint Patrick Matern, Syndikusrechtsanwalt und zuständiger Referent für den Bereich Tourismus bei der Wettbewerbszentrale.
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