MISSION RIMINI Material, Geschichte, Restaurierung. Der Rimini-Altar
Die Ausstellung „MISSION RIMINI“ wird gefördert durch die Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH. Zusätzliche Unterstützung erfährt sie durch den Städelschen Museums-Verein e.V. Die vorbereitende Restaurierung sowie die Publikation wurden gefördert durch die Ernst von Siemens Kunststiftung.
Das Kunstwerk
„Bis heute zählt der Rimini-Altar zu den bekanntesten und bedeutendsten Figurenensembles des Spätmittelalters aus weißem Alabaster und das wissenschaftliche Interesse daran ist ungebrochen,“ so Stefan Roller, Sammlungsleiter Mittelalter der Liebieghaus Skulpturensammlung. Das Zentrum des Kunstwerks bildet eine aus mehreren Blöcken gearbeitete Kreuzigung Christi, flankiert von jeweils sechs Aposteln. Die allesamt vollrund ausgearbeiteten und ehemals partiell farbig gefassten Bildwerke entstammen einem Altarretabel der Wallfahrtskirche Santa Maria delle Grazie in Rimini-Covignano. Entstanden sind sie allerdings in den südlichen Niederlanden um 1430, womöglich in Brügge. Auf die große kunsthistorische Bedeutung und die Einzigartigkeit des Rimini-Altars verweist die Tatsache, dass das Werk für einen Großteil der Alabasterskulpturen des beginnenden 15. Jahrhunderts international namensgebend ist. So findet sich die Künstlerzuschreibung „Meister des Rimini-Altars“ in Museen und Kunstsammlungen von Warschau, Berlin und München über Barcelona, Paris und London bis nach New York und Los Angeles. Die stark idealisierten Bildwerke des Rimini-Altars folgen noch weitgehend der charakteristischen Formästhetik des sogenannten Schönen Stils, der aufgrund seiner europaweiten Verbreitung zwischen ca. 1380 und 1430 als Internationaler Stil bekannt ist. In der realistischen Wiedergabe mancher anatomischer und physiognomischer Details der Schächer deutet sich jedoch ein stilistischer Wandel an. Hier zeigt sich ein neuartiges Interesse an Naturbeobachtung, das sich auch in der damaligen niederländischen Malerei Jan van Eycks, Robert Campins oder Rogier van der Weydens beobachten lässt und wegweisend für die Kunst der folgenden Jahrzehnte war. Liebieghaus Sammlungsleiter, Stefan Roller, über die neue Präsentation des Kunstwerks: „Die neue Präsentation wird dem bedeutenden kunsthistorischen Rang des Rimini-Altars gerecht. So wie Kalvarienberg und Apostel durch die Restaurierung ästhetisch ungemein gewonnen haben, so profitieren die Bildwerke nun auch durch das neue Display. Es rahmt, gliedert und akzentuiert, und stellt – ganz im Sinne der mittelalterlichen Auftraggeber und Bildschnitzer – vor allem der Szene der Kreuzigung als zentralem Inhalt der christlichen Heilsgeschichte nun auch einen angemessenen Bühnenraum zur Verfügung, der die Wirkung der Darstellung ins Dramatisch-Bildhafte steigert.“
Das Restaurierungsprojekt in einer Ausstellung
„Bisher hat sich keine wissenschaftliche Arbeit explizit mit dem Material und der Werktechnik der Objektgruppe des Rimini-Altars beschäftigt – ein Desiderat. Sowohl aus den bildhauerischen Eigenschaften des Materials Alabaster als auch aus dem künstlerisch-handwerklichen Herstellungsprozess lassen sich viele Informationen ableiten, die zur zuverlässigen Beurteilung der Werke des Rimini-Meisters in hohem Maße hilfreich sein können,“ erläutern Harald Theiss, Leiter der Liebieghaus-Restaurierungswerkstatt, und der Restaurator, Miguel González de Quevedo Ibáñez, ihr wissenschaftliches Anliegen. Das von der Ernst von Siemens Kunststiftung im Rahmen der Initiative „Kunst auf Lager“ geförderte Restaurierungsprojekt konnte 2017 begonnen werden und findet nun mit der Sonderausstellung und der Veröffentlichung der begleitenden Publikation seinen Abschluss. Für die Reinigung des hochempfindlichen Materials erwarb die Liebieghaus Skulpturensammlung eigens einen Laser. Das Publikum konnte die Arbeiten in der Schauwerkstatt des Museums und durch Bildungs- und Vermittlungsangebote verfolgen. Zusammen mit weiteren restauratorischen Maßnahmen wurden in den letzten Jahren verfälschende und aus heutiger Sicht konservatorisch bedenkliche Ergänzungen am Kunstwerk behoben.
In Kooperation mit dem Forschungslabor des BRGM Orléans und in enger Zusammenarbeit mit dem Musée du Louvre konnte indes die exakte Steinsubstanz bestimmt werden. „Erst seit wenigen Jahren lässt sich die geografische Herkunft von Alabaster bestimmen. Im Falle des beim Rimini-Altars verwendeten
Gesteins hat uns das Ergebnis absolut überrascht. Es wirft angesichts der zuletzt in der Forschung präferierten Herkunft der Figuren aus den südlichen Niederlanden Fragen auf, denen wir in der wissenschaftlichen Publikation ausführlich nachgegangen sind,“ erläutert Stefan Roller, Sammlungsleiter Mittelalter. Alabaster zählt zu den empfindlichsten Steinsorten überhaupt. Als eine kristalline Form des Minerals Gips ist es zugleich wasserlöslich und nicht hitzebeständig sowie extrem druck- und bruchanfällig. Der Rimini-Altar zeigt eindrücklich, welche künstlerisch-ästhetischen Möglichkeiten dieses Material dem Bildhauer bietet. So lässt es sich schnell und ungewöhnlich feinteilig und filigran mit leichter Druckausübung beschnitzen und ausschleifen. Für die Restaurierung des Meisterwerks ergaben sich aus der Materialanfälligkeit verschiedene Herausforderungen, da traditionelle restauratorische Verfahren zumeist mit einer Beschädigung des Gesteins einhergehen.
„Mit der sorgfältigen Untersuchung des kunsttechnologischen Aufbaus aller Bildwerke des Rimini-Altars wurde nicht nur die Grundlage für seine Restaurierung geschaffen. Ebenso wie die stilkritische Auseinandersetzung helfen uns auch Informationen zu Material und Technik, das Kunstwerk besser zu verstehen. Mithilfe der experimentellen Rekonstruktion, die von Thomas Hildenbrand ausgeführt wurde, und den praktischen Studien zur Oberflächenveredelung und Polychromie konnten die kunsttechnologischen Fragestellungen über den originalen Bestand hinaus erörtert und wichtige Aussagen zur Bildhauerei und Bemalung mittelalterlicher Alabasterskulptur im Allgemeinen getroffen werden – hilfreiche Erkenntnisse für diesbezügliche Forschung in der Zukunft,“ fassen die Restauratoren des Liebieghauses, Harald Theiss und Miguel González de Quevedo Ibáñez zusammen.
In der Ausstellung wird das Schadensbild des Rimini-Altars eingehend vorgestellt und ein Überblick über die komplizierten konservatorischen Anforderungen gegeben, die bei der Behandlung von Alabaster in der Vergangenheit oftmals nicht erkannt, berücksichtigt oder fehlinterpretiert wurden. Das vom Restauratorenteam Harald Theiss und Miguel González de Quevedo Ibáñez entwickelte und von externen Naturwissenschaftlern geprüfte Restaurierungsverfahren mit Laser und gipsgesättigten Agar-Gel- Kompressen wird erläutert und mit zahlreichen Arbeitsproben nachvollziehbar illustriert. Schritt für Schritt wird erklärt, wie mit diesem Verfahren eine Reinigung des heiklen Alabasters möglich wurde ohne diesen in irgendeiner Form zu beschädigen. Darüber hinaus wird erläutert, warum und wie die revisionsbedürftigen Ergänzungen aus jüngerer Zeit sowie die zahlreichen Bruchklebungen entfernt und erneuert wurden. Aus der kunsttechnologischen Untersuchung des Rimini-Altars ergaben sich zudem zahlreiche offene Fragen zum bildhauerischen Herstellungsprozess, zur ursprünglichen optischen Erscheinung der ehemals vorhandenen Oberflächenveredelung sowie zur Farbigkeit der mittelalterlichen Alabasterskulptur. Erste Antworten darauf konnten die Wissenschaftler mit einer experimentellen bildhauerischen Rekonstruktion der Figur des Apostels Bartholomäus aus dem Altarensemble finden, die vom Städelschen Museums-Verein e.V. mit unterstützt wurde. Eine ausführliche praktische Studie zur Oberflächenveredlung und Farbigkeit von erstklassigen mittelalterlichen Alabasterwerken ergänzen die wissenschaftliche Forschungsarbeit.
Ausstellungsdauer: 3. November 2021 bis 24. April 2022
Pressevorbesichtigung: Dienstag, 2. November 2021, 11.00 Uhr, Metzler-Saal im Städel Museum und Liebieghaus Skulpturensammlung
Kuratoren: Dipl.-Rest. Harald Theiss (Leiter Restaurierung, Liebieghaus Skulpturensammlung) und Dr.
Stefan Roller (Sammlungsleiter Mittelalter, Liebieghaus Skulpturensammlung)
Ort: Liebieghaus Skulpturensammlung, Schaumainkai 71, 60596 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten: Di, Mi 12.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr, Fr–So 10.00–18.00 Uhr, montags geschlossen
Information: www.liebieghaus.de
Besucherservice und Führungen: info@liebieghaus.de, Telefon: +49(0)69-605098-200, Fax: +49(0)69-605098-112
Tickets und Eintritt: Tickets online buchbar unter shop.liebieghaus.de. 10 Euro, ermäßigt 8 Euro, freier
Eintritt für Kinder unter 12 Jahren
Publikation: Zur Ausstellung erscheint im Deutschen Kunstverlag eine von Stefan Roller und Harald Theiss
herausgegebene Publikation in deutscher und englischer Sprache mit einem Vorwort von Philipp Demandt
und Beiträgen von Miguel González de Quevedo Ibáñez, Thomas Hildenbrand, Wolfram Kloppmann,
Joannes van den Maagdenberg, Stefan Roller, Iris Schmeisser und Harald Theiss, deutsche Ausgabe 300
Seiten, 39,90 Euro (Museumsausgabe), deutsch/englische Ausgabe 300 Seiten deutsch plus 60 Seiten
englisches Begleitbuch, 44,90 Euro (Museumsausgabe)
Gefördert durch: Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH, Ernst von Siemens Kunststiftung, Städelscher Museums-Verein e.V.
Social Media: Die Liebieghaus Skulpturensammlung kommuniziert die Ausstellung in den sozialen Medien mit den Hashtags #MissionRimini und #Liebieghaus.
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