Von Spanien über Frankreich in den Orient – Hossein Pishkar dirigiert 2. Philharmonisches Konzert
WAS
„Kokette Schwärmereien“
2. Philharmonisches Konzert der Bremer Philharmoniker
WANN
Sonntag, 10. Oktober 2021, 11 Uhr
Montag, 11. Oktober 20201, 19:30 Uhr
WO
Konzerthaus Glocke
Domsheide 4/5
28195 Bremen
Seit 18 Monaten freuen sich die Bremer Philharmoniker auf dieses Konzert, endlich ist es soweit: Gemeinsam mit Dirigent Hossein Pishkar und dem Cembalisten Mahan Esfahani können sie am 10. und 11. Oktober das Konzert spielen, das wegen des 1. Lockdowns im Mai 2020 abgesagt werden musste. Das Programm besticht mit Ravels emotionsgeladenen Alborada del gracioso, einer märchenhaft-betörenden Scheherazade von Rimskij-Korsakov und einem charmant-ironischen Cembalokonzert von Poulenc.
„Dieser schelmische, offene und auch selbstironische Charakterzug Poulencs durchzieht das gesamte Konzert, das sich manchmal anfühlt, als würde ein importierter amerikanischer Buick in eine Szene des Malers Antoine Watteau krachen und Noten von Couperin und Händel und Bach an der Windschutzscheibe hängen bleiben“, mit diesen Worten beschreibt Mahan Esfahani das Concert champêtre für Cembalo und Orchester von Francis Poulenc. Der französische Komponist entstaubte 1929 mit diesem Werk das nahezu in Vergessenheit geratene Instrument, Mahan Esfahani lässt knapp 100 später Jahre seine bleibende Aktualität erklingen. Zuvor bringt Hossein Pishkar spanisches Flair in den Konzertsaal. Ravel habe mit dem Alborado des gracioso „ein Spanien zuckend und exzessiv; ein Spanien überschüttet vom Lärm, von Farben und Zornesausbrüchen; ein Spanien von gefährlicher Sinnlichkeit“ vertont, so Kritiker nach der Uraufführung. Berauschende Sinnlichkeit und voller Orchestersound dann zum Finale des Konzertes mit Rimskij-Korsakovs Scheherazade, ein mitreißendes Werk, auf das sich das Orchesters und vor allem die Schlagwerker ganz besonders freuen. Die Befürchtungen von Rimskij-Korskov, dass seine Komposition als bloße programmatische Nacherzählung verstanden werden könnte, haben sich als nichtig erwiesen: Mit seiner Scheherazade vereint er seine drei großen Lieben – das Meer, das russische Volkslied und den Orient – zu einem seiner berühmtesten Orchesterwerke.
Die Saalkapazität der Glocke bleibt entsprechend der aktuell geltenden Corona-Verordnung auf rund 550 Plätze reduziert. Die Wiederaufnahme des Abonnements ist daher noch nicht möglich. Vor Ort gilt die 3G-Regelung, die Maskenpflicht entfällt am Sitzplatz. Eintrittskarten gibt es derzeit ausschließlich im freien Verkauf über die üblichen Vorverkaufsstellen – online und auch direkt vor Ort in der Glocke oder bei den Verkaufsstellen von Nordwest-Ticket.
Programm
Kokette Schwärmereien
Maurice Ravel (1875 – 1937)
Alborada del gracioso
Aus: Miroirs
Uraufführung 1918 (Orchesterfassung)
Francis Poulenc (1899 – 1963)
Concert champêtre für Cembalo und Orchester
Allegro molto
Andante
Finale
Uraufführung 3. Mai 1929 in Paris
Nikolai Rimskij-Korsakov (1844 – 1908)
Scheherazade op. 35
Das Meer und Sindbads Schiff
(Largo e maestoso—Allegro non troppo)
Die Geschichte vom Prinzen Kalender
(Lento—Andantino—Allegro molto—Con moto)
Der junge Prinz und die junge Prinzessin
(Andantino quasi allegretto—Pochissimo più mosso—Come prima—Pochissimo più animato)
Feier in Bagdad. Das Meer. Das Schiff zerschellt an einer Klippe unter einem bronzenen Reiter
(Allegro molto—Vivo—Allegro non troppo maestoso)
Uraufführung 22. Oktober 1888 in Sankt Petersburg
Hossein Pishkar, Dirigat
Mahan Esfahani, Cembalo
Informationen zu Künstlern und Programm / Auszüge aus dem Programmheft
Hossein Pishkar
Dirigat
Die Verleihung des Deutschen Dirigentenpreis machte 2017 den iranischen Dirigenten Hossein Pishkar international bekannt. Zuvor wurde Hossein Pishkar bereits mit dem Ernst-von-Schuch-Preis ausgezeichnet, der jährlich in Kooperation mit dem Dirigentenforum vergeben wird. In der Saison 20/21 debütiert er beim Belgrade Philharmonic Orchestra, der NDR-Radiophilharmonie sowie beim Qatar Philharmonic Orchestra. Wiedereinladungen führen Hossein Pishkar zum Orchestre Philharmonique de Strasbourg, zum Orquesta Ciudad de Granada, zum Slovenian Philharmonic Orchestra sowie zur Royal Danish Opera. In der jüngsten Vergangenheit dirigierte Hossein Pishkar außerdem Konzerte mit dem Beethoven Orchester Bonn, den Düsseldorfer Symphonikern, dem Orchestra Giovanile Luigi Cherubini, der Staatskapelle Halle, dem Staatsorchesters Stuttgart und dem WDR-Sinfonieorchester sowie am Staatstheater Stuttgart. Pishkar belegte Meisterkurse von Riccardo Muti und Sir Bernard Haitink und nahm im Rahmen des Dirigentenforums Unterricht bei John Carewe, Marko Letonja, Nicolás Pasquet, Mark Stringer und Johannes Schlaefli. Bevor Hossein Pishkar 2012 sein Dirigierstudium bei Rüdiger Bohn an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf begann, studierte er Komposition und Klavier in Teheran, der Stadt, in der er 1988 geboren wurde. Im Iran dirigierte er bereits das Teheran Youth Orchestra und das Orchester der Teheran Music School. Als Kind begann er, sich mit traditioneller persischer Musik zu beschäftigen u.a. mit der Tar, einem Saiteninstrument aus der persischen Kultur.
Mahan Esfahani
Cembalo
Seit seinem Debüt 2009 in London hat sich Mahan Esfahani als erster Cembalist einer Generation etabliert, deren Arbeit praktisch alle Bereiche des klassischen Musikschaffens umfasst – von der Kritik gefeierte Aufführungen und Aufnahmen des Standardrepertoires ebenso wie die Zusammenarbeit mit führenden Komponisten der Gegenwart und Konzertauftritte mit großen Symphonieorchestern auf vier Kontinenten. Esfahani hat mit renommierten Dirigenten wie François Xavier-Roth, Riccardo Minasi, Martyn Brabbins, Thomas Dausgaard, Thierry Fischer, Jiří Bělohlávek und Ed Gardner mit großen Symphonie- und Kammerorchestern sowie Ensembles für zeitgenössische Musik zusammengearbeitet. Der 1984 in Teheran geborene Esfahani wuchs in den Vereinigten Staaten auf und studierte Musikwissenschaft und Geschichte an der Stanford University. Er arbeitete als Korrepetitor und studierte in Boston bei Peter Watchorn, bevor er seine Studien in Prag bei der berühmten tschechischen Cembalistin Zuzana Růžičková abschloss. Nach mehreren Jahren in Mailand, Oxford und London lebt er heute in Prag. Seine reichhaltige Diskografie für Hyperion und die Deutsche Grammophon wurde von der englischen und fremdsprachigen Presse hoch gelobt und erhielt einen Gramophone Award, zwei BBC Music Magazine Awards, einen Diapason d’Or und einen Choc des Magazins Classica in Frankreich, einen ICMA sowie zahlreiche Editor’s Choices in verschiedenen Publikationen, darunter einen Platz in der Zusammenstellung essentieller klassischer Musik des Telegraph und in der New York Times List of Top Recordings.
Maurice Ravel (1875 – 1937)
Alborada del gracioso
Ravels „Alborada del gracioso“ (Morgenlied des Narren) ist ein schillerndes, farbenreiches, rhythmisch-perkussives Klanggemälde. Geschildert wird das groteske Ständchen, das ein Hofnarr vor dem Fenster seiner angebeteten Prinzessin zum Besten bringt. Als Reaktion erntet er jedoch nur Spott und Verachtung. Der Anfangs- und Schlussteil sind durch eine quasi überbordende rhythmische Energie gekennzeichnet, der melancholische Mittelteil wird dagegen von einem klagenden Solo eingeleitet. Ravel zeigt hier „ein Spanien zuckend und exzessiv; ein Spanien überschüttet vom Lärm, von Farben und Zornesausbrüchen in den beiden Außenteilen, wo die Instrumente, buchstäblich elektrisiert, um die Wette rattern in einem bacchantischen Tanz; ein Spanien von gefährlicher Sinnlichkeit im Mittelteil, der in gnadenlosem Licht die Grausamkeit der Schönen beschreibt, die sich über die lächerliche Serenade des bemitleidenswerten Narren lustig macht“, wie der Musikwissenschaftler François-René Tranchefort einst schrieb. „Alborada del Gracioso“, der vierte Satz aus Ravels Zyklus „Miroirs“ (Spiegelbilder), wurde 1905 komponiert, ursprünglich für Klavier. In den folgenden Jahren bearbeitete Ravel einige der Sätze für Orchester, „Alborada del Gracioso“ allerdings erst 13 Jahre später.
Francis Poulenc (1899 – 1963)
Concert champêtre für Cembalo und Orchester
Im Juni 1923 traf Francis Poulenc der Cembalistin Wanda Landowska, die ihn zu einem Werk für Cembalo anregte. Im Frühjahr 1929 fand die private Aufführung in Saint-Leu statt, bei der Poulenc die Orchesterbegleitung auf dem Klavier spielte. Poulenc über sein Konzert: „Vor allem wollte ich das Cembalo auf eine Art und Weise verwenden, die sowohl französisch als auch modern ist und nicht wie ein Pastiche klingt. Ich wollte beweisen, dass das Cembalo kein veraltetes, ineffizientes Instrument von rein historischem Interesse ist.“ Gerade deshalb war die Begegnung mit Landowska so entscheidend, denn die polnische Musikerin war es, die einen wesentlichen Anteil an der Entstaubung des Cembalos gehabt hat. Sie hatte 1903 erstmals das seinerzeit wiederentdeckte Cembalo vorgestellt und löste damit eine regelrechte Renaissance dieses Instrumentes aus. Als Komponist war Poulenc im Übrigen weitgehend Autodidakt, dessen ersten Kompositionen mit einem Hauch von frecher Ironie gespickt waren. Dazu kommen sein spitzbübischer Charme und ein feinsinniger musikalischer Humor, der das historische Instrument in einen zeitgemäßen Kontext stellt. Gleich zu Beginn etwa kombiniert er eine langsame Einleitung mit unverkennbar gemäßigt moderner Harmonik. Darauf folgt ein Allegro, das als humoristische Jagdmusik konzipiert ist. Ein Fanfaren-Motiv der Trompeten unterbricht die locker dahinplätschernde Musik, aus dem Fanfarenmotiv heraus entwickelt sich das Thema einer Chaconne im Stile Couperins. Der Mittelsatz strahlt eine idyllisch-ländliche Stimmung aus und nimmt Bezug auf eine traditionelle Tanzform des Barock. Auf einen plötzlich dreinfahrenden Paukenschlag, der die die lyrische Stimmung unterbricht, antwortet das Cembalo mit einem einstimmigen Motiv, welches kurz darauf von den Flöten begleitet wird. Am charakteristischsten aber ist wohl das vom Cembalo solo eröffnete Finale: Hier erklingt das Instrument in voller Pracht, wie in einem barocken Concerto. Immer wieder jedoch wird es vom Orchester „gestört“. Es entwickelt sich ein munteres, vergnügliches Treiben, das nicht zuletzt durch viele Wechsel des Tempos geprägt wird. Dieser laut Spielanweisung „sehr fröhliche“ und Presto (sehr schnell) zu spielende Satz endet völlig überraschend auf ziemlich abrupte Weise: Das Cembalo spielt eine einstimmige Melodie, anschließend erklingen noch ein paar Akkorde, dann versinkt die Musik in plötzlicher Melancholie.
Nikolai Rimskij-Korsakov (1844 – 1908)
Scheherazade op. 35
In Rimskij-Korsakovs „Scheherazade“ wird die Geschichte der Scheherazade, Tochter des Großwesirs, erzählt, die ihr Leben dadurch rettete, in dem sie ihrem Mann in Tausendundeiner Nacht Geschichten erzählte. Seine Neugier und Vorfreude auf die nächsten Geschichten rückten ihn von seinem Vorhaben ab, Scheherazade wie alle seine anderen Frauen nach der ersten gemeinsamen Nacht zu töten. Diese Geschichte inspirierte im Winter 1887 Rimskij-Korsakov zur Komposition eines Orchesterstücks, das auf Bildern aus den „Tausendundeiner Nacht“ basiert. Während des folgenden Sommers vollendete er das Werk innerhalb von nur drei Wochen. Der erste Satz vermittelt einen starken Eindruck von maritimer Atmosphäre: Man hört förmlich das Rauschen der Meeresbrise und die Wellen. Der Komponist kannte eine solche Atmosphäre gut, da er mehrere Jahre in der russischen Marine gedient hatte. Zu Beginn des zweiten Satzes verkündet das Thema der Scheherazade erneut „Es war einmal…“. Das Solofagott leitet die Erzählung ein, gewunden wie der Gesang eines alten Geschichtenerzählers. Eine kriegsähnliche Fanfare, die von Posaunen und Tuba eingeleitet wird, spielt eine wichtige Rolle in dem fantastischen Geschehen. Der dritte Satz ist eine typische Liebesszene. Im Mittelpunkt steht ein Tanz, der von leichtem Schlagzeug begleitet wird. Das Finale beginnt mit einem Wechsel aus furiosen Orchesterausbrüchen und leidenschaftlichen Violinsoli. Dann eröffnet Rimskij-Korsakov einen ausgelassenen Rückblick, bei dem er die Themen, die bereits in der Suite zu hören waren, Revue passieren lässt. Rimskij-Korsakov hatte große Bedenken, dass man seine Komposition zu sehr als programmatische Nacherzählung auffassen könnte. Ursprünglich hießen die einzelnen Sätze bei ihm deshalb nur Prélude, Ballade, Adagio und Finale. Erst anlässlich der Premiere in Sankt Petersburg kamen auf den Rat des Komponisten-Kollegen Anatol Ljadov hin doch die illustrativen Satzüberschriften hinzu, die allerdings „die Phantasie des Hörers nur ein wenig auf den Weg lenken sollten, den meine eigene Phantasie gegangen ist.“ Später schwächte der Komponist dann wieder ab, er habe lediglich „eine kaleidoskopartige Folge von Märchenbildern orientalischen Gepräges“ schaffen wollen.
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