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Schlüsselrolle Energieeffizienz
Rund 700 Teilnehmende hatten sich für die 25. Internationalen Passivhaustagung angemeldet, die aufgrund der steigenden Corona-Inzidenz kurzfristig überwiegend online stattfand. In einem gemeinschaftlichen Vortrag legte das Passivhaus Institut die Schlüsselrolle der Energieeffizienz für den Klimaschutz dar. Durch äußerst energieeffiziente Gebäude könnten CO₂-Emissionen im Gebäudesektor deutlich gesenkt werden. Bisher werde jedoch beim Bauen nicht ausreichend auf Effizienz geachtet, erläuterte Prof. Wolfgang Feist, Gründer des Passivhaus Instituts. Auch bei Sanierungen, die in großem Umfang nötig seien, um einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, sei eine hohe energetische Qualität erforderlich.
Wenn schon, denn schon!
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) gebe jedoch einen ambitionslosen Standard vor, der den Klimazielen nicht gerecht werde, erläuterte Dr. Jürgen Schnieders vom Passivhaus Institut. Bei Sanierungen sei es mit Blick auf die Gesamtkosten am ökonomischsten, den ambitionierteren EnerPHit-Standard umzusetzen, den Passivhaus-Standard für Altbauten. Wenn ohnehin die Modernisierung von Bauteilen anstehe, dann müssten diese auf einen zukunftsfähigen Standard gebracht werden. Eine beschleunigte Sanierungsoffensive, die deutlich über die normalen Erneuerungszyklen hinausgehe, sei dagegen erheblich teurer. Schwerer wiege noch, dass die dafür kurzfristig benötigten Planer und Handwerker realistisch betrachtet nicht verfügbar seien, so Schnieders.
Hohe Qualität fördern
Prof. Benjamin Krick vom Passivhaus Institut legte an konkreten Beispielen dar, wie wichtig es sei, zunächst den Heizwärmebedarf eines Gebäudes zu reduzieren. „Was wir heute beim Bauen umsetzen, legt uns für die nächsten Jahrzehnte fest. Wenn ich ohnehin die Fenster erneuern muss, dann lasse ich dreifach verglaste Fenster einbauen. Das gleiche gilt fürs Dach und für den Putz an der Wand: Müssen diese Bauteile erneuert werden, dann mache ich den Wärmeschutz direkt mit“, führte Jessica Grove-Smith vom Passivhaus Institut aus. Als Anreiz dafür sei es wichtig, nur noch Maßnahmen zu fördern, die zu einer hohen Energieeffizienz führten. Mittlere Qualitäten hingegen dürften nicht weiter gefördert werden.
Jetzt handeln
Die Fakten zum Klimawandel lieferte Prof. Diana Ürge-Vorsatz vom internationalen Klimarat der Vereinten Nationen, IPCC. Die Klimawissenschaftlerin mahnte, häufigere Extremwetterereignisse als Auswirkung des Klimawandels ernst zu nehmen und wirklich etwas dagegen zu tun. Die CO₂-Emissionen müssten auf netto Null reduziert werden. An den Lösungen dafür habe der Gebäudesektor einen wichtigen Anteil. Neben der Redu-zierung der Emissionen durch hohe Energieeffizienz forderte sie, jedes Gebäude mit PV-Anlagen in ein kleines Kraftwerk zu verwandeln. „Wir können nicht länger warten. Die nächsten zwei Jahrzehnte sind ausschlaggebend dafür, wie das Klima die Menschen in den nächsten zwei Jahrhunderten beein-flusst“, so Ürge-Vorsatz.
Attraktive Investition
Dass Gebäude im Passivhaus-Standard nicht nur ein Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz, sondern auch eine attraktive Investition seien, darauf verwies Prof. Andreas Pinkwart, Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen und Schirmherr der 25. Internationalen Passivhaustagung. Die Tagung selbst sei ein wichtiges Forum für Kooperation und Wissenstransfer. Dirk Mobers von der EnergieAgentur.NRW und Mitorganisator der Tagung forderte Privatleute und Wohnbaugesellschaften dazu auf, besser zu bauen, als gesetzlich vorgeschrieben und dabei auch Solartechnik einzubeziehen. Als positives Beispiel nannte Mobers neben dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) auch Städte wie Aachen, Bonn, Köln und Leverkusen, die sich dem Passivhaus-Standard verschrieben hätten.
Quartiere im Trend
Der Leiter des Umweltbundesamtes, Prof. Dirk Messner verwies in seinem Beitrag auf die sozialen Aspekte. Energieeffizientes Bauen und Sanieren biete einen hohen Wohnkomfort, der für die Bewohner einen sehr hohen Stellenwert habe. „Lasst uns Häuser und Quar-tiere bauen, die gut sind für die Leute“, so Messner. Dr. Hartmut Murschall vom Wirt-schaftsministerium NRW stellte so ein soziales Konzept vor: Über 50 Klimaschutzsied-lungen, bei denen Energieeffizienz, Architektur und städtebauliche Aspekte eine gleichberechtigte Rolle spielen, seien in Nordrhein-Westfalen bereits fertig gestellt, weitere 50 geplant.
Neues wagen
Oberbürgermeister Uwe Schneidewind erklärte, Wuppertal wolle bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden. Der Passivhaus-Standard sei ein entscheidender Baustein dafür, diese ambitionierten Ziele zu erreichen. Der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker stellte die provokante Frage, ob die Baubranche schon wisse, dass Klima zum großen Thema geworden sei. „Nachhaltiges Bauen ist Baukultur“, so formulierte es Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Energieeffizient zu bauen und zu sanieren sei für die Bauherren eine große Chance, dauerhaft Betriebskosten zu senken. Er forderte die Architekten dazu auf, Neues zu wagen und innovative Planungsansätze zu realisieren, „Schritt für Schritt und Stein auf Stein“.
Jubiläumsfeier
Die 14 Preisträger des Passive House Award 2021 waren überwiegend online zugeschaltet. Sie nahmen die Auszeichnung, die das Passivhaus Institut in Wuppertal übermittelte, daher virtuell entgegen und ließen die Zuschauer an ihrer guten Stimmung teilhaben. Insgesamt gingen 87 internationale Passivhaus-Projekte für den Architekturpreis ein. Die Feier zum dreifachen Jubiläum schloss sich nahtlos an. Für den 30. Geburtstag des Passivhauses, zum 25jährigen Bestehen des Passivhaus Instituts sowie zur 25. Ausgabe der Internationalen Passivhaustagung gab es Hintergrundinterviews zur Entstehungsgeschichte sowie eine passende Torte.
100 Referenten
Wie vielfältig energieeffizientes Bauen und Sanieren rund um den Globus umgesetzt werden, das zeigten während der vier Konferenztage auch die über 100 Referenten. In insgesamt 16 Vortragsreihen stellten sie internationale Neubauprojekte, Quartiere und Sanierungen im Passivhaus- bzw. EnerPHit-Standard vor, darunter in Spanien, Italien, Kanada, Polen, Großbritannien, Österreich und China. Auch ökologische Baustoffe, sozialer Wohnungsbau, Sommerkomfort und Lüftungskonzepte wurden in eigenen Vortragsreihen ausführlich behandelt.
Verankerung in Politik
Aus- und Weiterbildung sowie Strategien für eine noch größere Verankerung von energieeffizientem Bauen und Sanieren in Politik und Verwaltung waren ebenfalls Themenschwerpunkte der 25. Internationalen Passivhaustagung. Die passenden Komponenten für klimafreundliches Bauen stellten Hersteller auf der ONLINE Passivhaus-Fachausstellung vor, darunter Fenster und Lüftungsanlagen. Eine virtuelle Exkursion führte zu beeindruckenden Passivhaus-Projekten in Wuppertal und Umgebung. PHPP 10 ist da!
Für Planer von Passivhaus-Projekten gab es zum Abschluss der Tagung eine besonders erfreuliche Nachricht: Das Energiebilanzierungstool PHPP ist in seinem zehnten Update veröffentlicht. PHPP 10 bezieht unter anderem Wärme-pumpen sowie Splitgeräte ein und beinhaltet einen Stresstest für Sommerkomfort. Außerdem ermöglicht PHPP 10 den Abgleich der Energiebilanzierung mit gemessenen Verbrauchsdaten. Die Veröffentlichung der englischsprachigen Version von PHPP 10 ist für das Frühjahr 2022 geplant. Um die nächste Tagung wieder früher im Jahr anzubieten, findet die 26. Internationale Passivhaustagung im Frühjahr 2023 statt.
Allgemeine Informationen
Passivhäuser
Beim Passivhaus-Konzept wird der für Gebäude typische Wärmeverlust durch Wände, Fenster und Dach drastisch reduziert. Durch die fünf Prinzipien – gute Dämmung, dreifach verglaste Fenster, Vermeidung von Wärmebrücken, luftdichte Gebäudehülle sowie Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung – benötigt ein Passivhaus nur sehr wenig Energie. Passivhäuser können daher auf ein klassisches Heizsystem verzichten. Passiv“ werden die Häuser genannt, da der größte Teil des Wärmebedarfs aus „passiven“ Quellen wie Sonneneinstrahlung sowie Abwärme von Personen und technischen Geräten gedeckt wird.
In einem Passivhaus hält sich die Wärme sehr lange, da sie nur langsam entweicht. Im Sommer (sowie in warmen Klimaten) ist ein Passivhaus ebenfalls im Vorteil: Dann bewirkt u.a. die gute Dämmung, dass die Hitze draußen bleibt. Eine aktive Kühlung ist daher in Wohngebäuden in der Regel nicht nötig. Durch die niedrigen Energiekosten sind die Nebenkosten kalkulierbar – eine Grundlage für bezahlbares Wohnen und sozialen Wohnungsbau. Ein Passivhaus verbraucht rund 90 Prozent weniger Heizwärme als ein bestehendes Gebäude und 75 Prozent weniger als ein durchschnittlicher Neubau.
Passivhaus und NZEB
Der Passivhaus-Standard erfüllt die Anforderungen der Europäischen Union an Nearly Zero Energy Buildings. Laut der Europäischen Gebäuderichtlinie EPBD müssen die Mitgliedstaaten die Anforderungen an so genannte Fast-Nullenergiehäuser (NZEB) in ihren nationalen Bauvorschriften festlegen. Die Richtlinie der EU ist seit Januar 2019 für öffentliche Gebäude in Kraft und gilt für alle anderen Gebäude seit 2021.
Pionierprojekt Das weltweit erste Passivhaus errichteten vier private Bauherren, darunter Prof. Wolfgang Feist, vor 30 Jahren in Darmstadt-Kranichstein. Die Reihenhäuser gelten seit dem Einzug der Familien 1991 als Pionierprojekt für den Passivhaus-Standard. Das Pionier-Passivhaus nutzt mit seiner neuen Photovoltaikanlage nun auch erneuerbare Energie und erhielt das Zertifikat zum Passivhaus Plus. Passivhaus und erneuerbare Energie Der Passivhaus-Standard und die Erzeugung erneuerbarer Energie direkt am Gebäude sind eine gute Kombination. Für dieses Versorgungskonzept gibt es die Gebäudeklassen „Plus“ und „Premium“.
Passivhäuser Mittlerweile gibt es Passivhäuser für alle Nutzungsarten: Neben Wohn- und Bürogebäuden existieren auch Kitas und Schulen, Sporthallen, Schwimmbäder und Fabriken als Passivhäuser. In Frankfurt am Main entsteht gerade die weltweit erste Passivhaus-Klinik. Das Interesse steigt stetig. Mit Blick auf den Ressourcenverbrauch der Industrieländer sowie den Klimaschutz realisieren Kommunen, Unternehmen und Privatleute einen Neubau oder eine Sanierung zunehmend im Passivhaus-Standard.
Das Passivhaus Institut mit Sitz in Darmstadt ist ein unabhängiges Forschungsinstitut zur hocheffizienten Nutzung von Energie bei Gebäuden. Das von Prof. Wolfgang Feist gegründete Institut belegt eine internationale Spitzenposition bei der Forschung und Entwicklung zum energieeffizienten Bauen. Prof. Feist erhielt u.a. den DBU-Umweltpreis für das Passivhaus-Konzept (2001).
Passivhaus Institut GmbH
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