Kunst & Kultur

Die Gedenkstätte Ravensbrück trauert um Erna de Vries (1923-2021)

Die Gedenkstätte Ravensbrück trauert um die Holocaust-Überlebende Erna de Vries, die am vergangenen Sonntag in ihrem Haus in Lathen (Emsland) im Kreise ihrer Familie gestorben ist. Drei Tage zuvor beging sie am 21. Oktober ihren 98. Geburtstag.

Gedenkstättenleiterin Andrea Genest: „Erna de Vries war der Gedenkstätte Ravensbrück, wo sie häufig als Zeitzeugin zu Gast war, eng verbunden. Wer das Privileg hatte, sie persönlich kennenzulernen, weiß, dass die Welt wieder ärmer geworden ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte Ravensbrück trauern um einen großartigen Menschen, den wir schmerzlich vermissen werden. Unser tiefes Mitgefühl gehört ihren Angehörigen.“

Erna de Vries wurde 1923 als Tochter einer jüdischen Mutter und eines nichtjüdischen Vaters in Kaiserslautern geboren. Im Juli 1943 wurde sie mit ihrer Mutter in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, wo die Mutter am 8. November 1943 ermordet wurde. Erna kam mit einem Transport im September 1943 von Auschwitz in das KZ Ravensbrück, wo sie u.a. Zwangsarbeit für die Firma Siemens & Halske leisten musste. Sie wurde im April 1945 auf einem der Todesmärsche in Mecklenburg befreit.

Nach der Befreiung heiratete sie 1947 Josef de Vries (1908–1981), mit dem sie sich in dessen Heimatort Lathen im Emsland niederließ und eine Familie gründete. Mit ihren drei Kindern hatten sie ein erfülltes Familienleben. Seit 1997 hat Erna de Vries einer Vielzahl von Menschen ihre Geschichte erzählt, auch in der Gedenkstätte Ravensbrück. So beteiligte sich 2012 an dem Projekt „Siemens in Ravensbrück“, wo sie mit Schülerinnen und Schülern der Siemens Professional Education Berlin über ihre Erfahrungen als Holocaust-Überlebende sprach.

Für ihr Engagement wurde ihr von der Samtgemeinde Lathen die Ehrenbürgerwürde verliehen, die Bundesrepublik Deutschland würdigte sie 2006 mit der Verleihung der Verdienstmedaille des Verdienstordens und 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. Seit 2015 tragen eine Realschule in Münster, seit 2016 der Platz vor dem Lathener Rathaus und seit 2018 die Grund- und Oberschule in Lathen ihren Namen.

2007 wirkte Erna de Vries an dem Dokumentarfilm „Ich wollte noch einmal die Sonne sehen“ mit, der von Jugendlichen im Verein Zeitlupe entstanden ist. Gisa Knolle und Birthe Templin porträtierten Erna de Vries liebevoll im Gespräch mit ihrer Tochter Ruth und ihrer Enkelin Rebecca in ihrem Film „Was bleibt“ (2008). 2011 veröffentlichte Erna de Vries ihre Lebenserinnerungen unter dem Titel „Der Auftrag meiner Mutter. Eine Überlebende der Shoah erzählt“ (Metropol Verlag, Berlin).

Information: www.ravensbrueck-sbg.de

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