„Landschaften im Licht“ – Ausstellung im Schiller-Museum entdeckt den deutschen Impressionisten Ludwig von Gleichen-Rußwurm
Ludwig von Gleichen-Rußwurm gehört zu den Pionieren einer fortschrittlichen Malerei in Deutschland. Um 1900 würdigte ihn der Kunstkritiker Julius Meier-Graefe als denjenigen Künstler, der als Erster den französischen Impressionismus in die deutsche Malerei eingeführt habe. 1901 zeigte Paul Cassirer in seiner Berliner Galerie eine große, vielbeachtete Retrospektive. Während sich der Impressionismus in den Jahren nach seinem Tod in Deutschland durchsetzte, geriet Gleichen-Rußwurm dagegen immer mehr in Vergessenheit.
Ab 1869 studierte Ludwig von Gleichen-Rußwurm an der Weimarer Kunstschule als Schüler von Theodor Hagen. Er entdeckte früh die französische realistische Freilichtmalerei und reiste nach Barbizon. Noch vor anderen Künstlern der „Weimarer Malerschule“ fand er charakteristische Motive in der ländlichen Umgebung Weimars, die er in Ölstudien mit skizzenhaft-lockerem Pinselstrich und frischer Farbigkeit festhielt. Die Jahreszeiten mit ihren Lichtstimmungen und der Charakter der Landschaft stehen auch im Fokus seiner späteren Darstellungen ländlichen Lebens unweit des Familiensitzes Schloss Greifenstein bei Würzburg. Sie vermitteln ein Gefühl der Einheit von Mensch und Natur, das zur Zeit der Industrialisierung auch für die Landwirtschaft bereits verloren war. Ab 1873 war Gleichen-Rußwurm bei bedeutenden deutschen und internationalen Ausstellungen wie der Pariser Weltausstellung vertreten und wurde als einer der fortschrittlichsten Weimarer Freilichtmaler wahrgenommen.
Als er 1889 die ersten Gemälde Claude Monets in Weimar sah, reagierte er unmittelbar auf die neue impressionistische Bewegung. Helle Farben und eine spontan-bewegte Malweise prägen Gemälde wie „Die große Bleiche“, mit dem er im selben Jahr auch seine Motivwelt erweiterte. Nur wenig später als etwa Max Liebermann nahm er Themen aus der modernen bürgerlichen Welt auf, von städtischen Vergnügungen wie Biergärten bis hin zu den Spaziergängern in den berühmten Parkanlagen von Schloss Nymphenburg in München oder dem Würzburger Hofgarten. Nach dem Vorbild Monets oder Pissarros wandeln Gleichen-Rußwurms elegant gekleidete Damen mit rotem Sonnenschirm unter blühenden Obstbäumen, über sommerliche Wiesen oder auf kunstvoll angelegten Parkwegen.
Auch frühe Orte des Tourismus finden sich darunter wie Helgoland oder der Strand von Trouville. Die intimen, detailreichen Schilderungen des Strandlebens an der französischen Normandieküste, an der holländischen und deutschen Nordsee verraten noch nichts von den Folgen des Massentourismus. In eindrucksvollen Lichtstimmungen changieren auch sie zwischen der Darstellung eines harmonischen Einklangs von Mensch und Natur und der für den Impressionismus typischen „Malerei des modernen Lebens“.
Als moderner Künstler, Adliger und Enkel Friedrich Schillers war Gleichen-Rußwurm ein Grenzgänger zwischen den Zeiten und Kulturen mit einem ganz eigenen Blick. Mit fortschreitendem Alter wurde er immer experimentierfreudiger und ließ sich auch von öffentlicher Ablehnung nicht irritieren. In seinen späten Werken öffnete er sich für die neuesten künstlerischen Tendenzen wie den Symbolismus und Neoimpressionismus und wurde Ende der 1890er-Jahre zu den führenden Avantgarde-Ausstellungen der Secessionen in München, Berlin und Wien eingeladen. Sein letztes Gemälde „Landschaft mit Windmühle“ mit überraschend starken expressiven Zügen zeigte die dritte Ausstellung der Berliner Secession 1901 neben einigen erstmals in Deutschland ausgestellten Werken Vincent van Goghs.
Die Ausstellung im Schiller-Museum wird von einem Vortragsprogramm begleitet. Am 7. November, 5. Dezember und 16. Januar finden Führungen mit der Kuratorin statt. Im Anschluss ist die Ausstellung vom 4. Februar bis 15. Mai 2022 im Museum im Kulturspeicher Würzburg zu sehen.
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