Sicherer. Schneller. Komfortabler.
Fußgänger im Fokus
Fußgängerüberwege mit Ampeln sollen für die sichere und komfortable Überquerung befahrener Straßen sorgen. Aktuellen Studien zufolge berücksichtigen die Grünphasen allerdings nicht die benötigten Überquerungszeiten verschiedener Personengruppen. Mit aktueller Technik erfolgt die Erkennung der Überquerungsabsicht an einfachen Lichtsignalanalagen (LSA) durch einen Taster, der durch die Fußgänger betätigt werden muss: Diese Art der Bedarfsanforderung liefert kaum Informationen über die Anzahl oder Bedürfnisse (z.B. vulnerable Personen) der Passantinnen und Passanten, die eine individuelle Optimierung der Schaltzeiten zulässt. Außerdem soll die Länge der Grünphasen einen Einfluss auf die Bereitschaft haben, diese Straßen nicht während einer Rotphase zu überqueren, was sicherheitsrelevant sein kann. Vom Projekterfolg versprechen sich die Forschungspartner ein bedarfs- und situationsgerechtes Steuerungskonzept, das die Wartezeit bei hohem Personenaufkommen um durchschnittlich 30%, und die Anzahl gefährlicher verkehrswidriger Überquerungen um bis zu 25% reduzieren kann.
Herausforderungen / Forschungsfragen
Vor diesem Hintergrund haben sich der Hersteller für Lichtsignalanlagen, Stührenberg GmbH aus Detmold, und die Entwickler des Fraunhofer IOSB-INA aus Lemgo unter anderem folgende Forschungsfragen für ihr neues Projekt gestellt: Wie lassen sich eine beleuchtungsunabhängige und DSGVO-konforme Personenerkennung und ein Tracking ausschließlich auf Basis von LiDAR-Sensoren mittels KI erzielen und in einem eingebetteten System in Echtzeit umsetzen? Welche Wartezeitverkürzung ist an Fußgänger-LSA bei hohem Personenaufkommen möglich ohne den Autoverkehr zu lange aufzuhalten? Wie kann eine Verbesserung der Verkehrssicherheit an Fußgänger-LSA mittels KI, insbesondere auch für vulnerable Personen erreicht werden? Wie kann eine Integration in bestehende Ampeln kostengünstig als sogenanntes „Retrofit“ erfolgen? Die Notwendigkeit einer entsprechenden Optimierung beschreibt das Land NRW bereits in seinem Verkehrssicherheitsprogramm 2020.
Lösungsansatz mit KI
Intelligente, sich optimierende Ampelsteuerungen könnten dynamisch auf Fußgänger reagieren, Wartezeiten verkürzen und gleichzeitig zur Verkehrssicherheit beitragen. Auf der Suche nach einer Technologie zur Begegnung dieser Herausforderung will das Fraunhofer IOSB-INA in diesem Projekt unter anderem einen Algorithmus zur intelligenten Bilderkennung entwickeln. Während das LiDAR-Verfahren vollkommen datenschutzkonform und anonym Daten generiert, sollen auf dieser Basis nicht nur Personen und Personengruppen sondern auch Kinderwagen, Rollstuhlfahrer und weitere Verkehrsteilnehmer erkannt und in ihren Überquerungsabsichten bewertet werden. Der gewählte Ansatz soll dabei weitestgehend robust gegenüber Beleuchtungseinflüssen und aufgrund eines DSGVO-konformen Gesamtsystemansatzes unbedenklich sein. Weiterhin soll er eine kostengünstige Alternative zu anderen Ansätzen darstellen. Die Robustheit bezieht sich vor allem auch auf widrige Bedingungen (z.B. Gegenlicht, Dunkelheit, Reflektionen) sowie die Einsparung von Ressourcen in der Umsetzung. Das selbst gesetzte Ziel: eine beleuchtungsunabhängige Personenerkennung und Tracking mittels KI, ausschließlich auf Grundlage von LiDAR-Sensoren, mit einer Erkennungsleistung von mindestens 90%. Carsten Fischer, Geschäftsführer der Stührenberg GmbH, freut sich auf das neue Forschungsprojekt: „Auch für unsere Unternehmung ist die Einführung einer KI-Verkehrssteuerung ein erster und großer Schritt. Mit der KI beginnt ein neues und modernes Zeitalter im Bereich der Straßenverkehrstechnik, die in der Zukunft noch viele Änderungen mit sich bringen wird.“
Unterschiede zu bisherigen Ansätzen
Bisherige Ansätze zur optimierten Ansteuerung von Fußgänger-LSA, welche häufig auf der Grundlage video-optischer Sensoren aufgebaut sind, zeigen sich nachteilig bezüglich Nutzbarkeit bei widrigen Beleuchtungsverhältnissen sowie der Akzeptanz aufgrund des von außen nicht erkennbaren Datenschutzes. Aktuelle KI-Verfahren sind in ihrer Erkennungsqualität häufig verzerrt, da für das Training hauptsächlich Bilder aus dem westlichen Kulturkreis verwendet werden. Dadurch kommt es z. T. zur ungewollten Diskriminierung von People of Color, welche aufgrund ihrer Hautfarbe vom KI-Algorithmus nicht wahrgenommen werden. Die angestrebte Lösung soll weitgehend unabhängig von Beleuchtungseinflüssen, DSGVO-konform by Design, als eingebettetes System einfach in bestehende LSA nachrüstbar sowie diskriminierungsfrei sein.
Nächste Schritte
Zunächst werden die Forschungspartner verschiedene Sensortests auf dem Gelände des Fraunhofer IOSB-INA bei verschiedenen ggfs. simulierten Beleuchtungsbedingungen zur Bestimmung der Erkennungsleistung durchführen. In der Umsetzungsphase werden das Fraunhofer-Institut und die Stührenberg GmbH an ausgewählten Fußgängerampeln in Lemgo und Bielefeld Daten mit LiDAR-Sensoren aufzeichnen und auf dieser Grundlage eine KI-basierte Vorhersage der Überquerungsabsicht von Personen entwickeln. Gleichzeitig wird die Integrierbarkeit in vorhandene Ampelanlagen untersucht werden. Im Rahmen der Evaluation soll die Eignung zur intelligenten Steuerung an den genannten Standorten überprüft und die Robustheit gegenüber verschiedenen Lichtverhältnissen untersucht werden. Projektleiter vom Fraunhofer IOSB-INA, Dr. Dennis Sprute freut sich auf die Zusammenarbeit: „Mit Stührenberg haben wir abermals einen erfahrenen und kompetenten Partner an unserer Seite – und mit Lemgo und Bielefeld fortschrittliche und aufgeschlossene Austragungsorte. Besonders freuen wir uns, dass das Vorhaben auch von Straßen.NRW unterstützt wird. Viel bessere Rahmenbedingungen für ein solches Projekt kann man sich kaum wünschen.“ Direktor des Fraunhofer IOSB-INA und Projektinitiator, Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite, unterstreicht das Nutzenpotenzial der Technologie: „Mit diesen ‚mitdenkenden‘ Ampeln können wir einen wichtigen Beitrag zu Steigerung der Sicherheit von Fußgängern und des Verkehrsflusses leisten.“
Über den mFUND des BMVI:
Im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND fördert das BMVI seit 2016 datenbasierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die digitale und vernetzte Mobilität 4.0. Die Projektförderung wird ergänzt durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung und durch die Bereitstellung von offenen Daten auf dem Portal mCLOUD. Weitere Informationen finden Sie unter www.mfund.de.
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