Volkswagen Abgasskandal: Dieselgate 2.0 nimmt Fahrt auf
Der Volkswagen-Konzern manipulierte nicht nur bei den Dieselmotoren des Typs EA189, die sich seit nunmehr rund 5 Jahren in der öffentlichen Diskussion befinden. Auch bei dem Nachfolgemotor EA288 sehen Gerichte die Volkswagen AG immer häufiger in der Haftung. „Beim EA288 drehen sich die Prozesse vor allem um eine als Fahrkurvenerkennung oder auch Akustikfunktion bezeichnete Technik, mittels derer erneut der Testzyklus der Prüfbehörden erkannt wird. Das daneben in aller Regel installierte sog. Thermofenster spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle“, berichten die seit vielen Jahren erfolgreich gegen VW prozessierenden Rechtsanwälte der Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner aus Nürnberg.
Die Rechtsprechung war beim EA288 bislang eher zurückhaltend. Dies könnte sich nun deutlich ändern. Denn immer mehr Gerichte folgen dem substantiierten Vortrag der Kläger in diesen Verfahren. „Uns vorliegende interne Unterlagen der Volkswagen AG belegen, dass das KBA bereits 2015 und 2016 die Fahrkurvenerkennung missbilligte und deren Entfernung forderte“, berichtet Rechtsanwalt Dr. Hoffmann aus seinen Prozessakten. Volkswagen steht daher unter Druck. Anhand dieser Unterlagen lässt sich nämlich darstellen, dass einerseits erneut eine Technik eingesetzt wurde, die den Prüfzyklus erkannte und andererseits, dass das KBA diese Technik augenscheinlich nicht als zulässig akzeptierte.
Dabei sind sowohl Fahrzeuge mit NOx-Speicherkatalysator (NSK) als auch Modelle mit SCR-Technik (AdBlue) betroffen. Bei NOx-Speicherkat Fahrzeugen hatte bereits das OLG Naumburg mit Urteil vom 09.04.2021, 8 U 68/20, die Volkswagen AG zu Schadensersatz verurteilt. Das OLG Naumburg stellte dabei fest, dass VW die Erwerber solcher Fahrzeuge getäuscht habe. Aktueller folgte auch das LG Münster mit Urteil vom 29.07.2021, 11 O 12/21, dieser Ansicht. Auch das LG Hamburg verurteilte Volkswagen am 13.08.2021, 305 O 268/20, in einem solchen „NSK-Fall“.
Aber auch Fahrzeuge mit der bislang als „sicher“ geltenden SCR-Technik, also wenn die Abgase mit AdBlue gereinigt werden, sind betroffen. Das Landgericht Hamburg, 305 O 266/20, sprach am 02.07.2021 einem Käufer eines VW T6 Schadensersatz in Höhe von 44.575,76 € zu. Das LG Hamburg stellte auch in diesem Fall fest, dass VW potentielle Erwerber getäuscht habe, weil auch hier eine die Betriebserlaubnis gefährdende und unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt der Fahrkurvenerkennung zum Einsatz kam. „Das Gericht stellte ausdrücklich klar, dass der Kläger seiner Pflicht zum substantiierten Vortrag nachgekommen war, wohingegen VW nicht ausreichend bestritten hatte“, merkt Rechtsanwalt Göpfert an.
Diese Urteile zeigen, dass es für Volkswagen auch beim EA288 zunehmend enger wird. Das OLG Düsseldorf, I-17 U 365/20, hat jüngst in einem Beweisbeschluss das KBA um Aufklärung und Erläuterung zu den NOx-Speicherkat Fahrzeugen gebeten. Das OLG Naumburg hat in seinem aktuellen Hinweisbeschluss vom 19.07.2021, 8 U 11/21, festgehalten, dass es davon ausgehe, dass die auch bei den SCR Modellen zum Einsatz gebrachte Fahrkurvenerkennung als unzulässige Abschalteinrichtung zu werten sei. Das OLG Naumburg ging sogar einen Schritt weiter. Es hielt nämlich bereits fest, dass auch keine Ausnahmetatbestände in Frage kämen, so dass Volkswagen nunmehr unter enormen Druck steht.
Besitzer von Dieselfahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Euro 6 Motoren der Baujahre ab 2015 sollten ihre Schadensersatzansprüche umgehend prüfen lassen. Die Ansprüche wegen dieser Manipulationen sind grundsätzlich weder verjährt noch schadet ein Kauf des Kfz nach 2015. Gleichwohl müssen Betroffene nunmehr handeln. Nachdem bereits 2018 erste Informationen hierzu zu Tage traten, könnten Gerichte dies als Beginn für die Verjährungsfrist ansetzen. Danach drohen Ansprüche bereits Ende 2021 zu verjähren. Autobesitzer sollten die Sache daher nicht mehr auf die lange Bank schieben, sondern sich umgehend fachkundigen Rechtsrat einholen.
Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte sind ausschließlich auf dem Gebiet des Verbraucherschutz-, Bank- und Kapitalanlagerechts tätig. Ihr Schwerpunkt liegt seit mehreren Jahren insbesondere im Bereich des sogenannten Abgasskandals. Die fachspezifisch erfahrenen Anwälte vertreten ausnahmslos Verbraucher gegenüber großen Wirtschaftsunternehmen und Banken. Sitz der Kanzlei ist Nürnberg.
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