Bauen & Wohnen

Wie der Klimawandel unser Zuhause beeinträchtigt – und was wir dagegen tun können

Monate nach der Flut, die unter anderem das Ahrtal getroffen hat, sind die Zustände in der Region noch immer verheerend. Forscher warnen, dass solch ein Jahrhunderthochwasserkein einmaliges Ereignis ist, sondern durch den Klimawandel häufiger passieren wird. Wie jeder sein Gebäude vor solchen Naturereignissen besser schützen kann, erklärt im LBS-Interview Prof. Dr. Helmut Grüning, Professor für Wasserversorgung und Entwässerungstechnik an der Fachhochschule Münster.

Prof. Dr. Grüning, wie kommt es überhaupt zu Überflutungssituationen?
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen einem Hochwasser und urbanen Sturzfluten. Im Falle eines Hochwassers schwellen Gewässer durch länger andauernde Niederschläge an. Diese Gewässer fließen dann Richtung urbaner Räume, wo sie mit hoher Geschwindigkeit ankommen und im Extremfall Gebäude und Infrastruktur unterspülen und wegreißen.

Bei lokalen Starkregenereignissen dagegen sind städtische Räume durch relativ kurze und intensive Niederschläge auf befestigten Flächen betroffen. Dadurch entstehen Oberflächenabflüsse, die immer zum tiefsten Punkt fließen und somit Keller oder Tiefgaragen fluten.

Gibt es eine Möglichkeit herauszufinden, ob mein Gebäude potenziell überflutungsgefährdet ist?
Dafür gibt es sogenannte Hochwasser- und Starkregengefahrenkarten, die im Internet abgerufen werden können. Dort wird erkenntlich, an welchen Stellen potenziell überflutungsgefährdete Gebäude stehen, die über lokale Schutzmaßnahmen geschützt werden sollten. Hochwassergefahrenkarten werden von den Behörden für das jeweilige Flusssystem erstellt und ebenfalls im Internet veröffentlicht. Dort können Sie genau sehen, ob Ihr Gebäude durch über die Ufer tretende Gewässer bedroht ist. Starkregengefahrenkarten wiederum werden von den Kommunen erstellt und zeigen, an welchen Stellen das Wasser bei Starkregen im urbanen Raum hinfließt.

Was können die Gemeinden zum Schutz ihrer Siedlungen tun?
Grundsätzlich benötigen wir Flächen, auf denen sich das Gewässer ausbreiten kann. Waldgebiete können viel Wasser speichern. Auch Hochwasserrückhaltebecken können Wasser temporär speichern. Einen absoluten Schutz gibt es aber leider nicht.

Im urbanen Raum sollte der Prozess schon vor der Bauphase beginnen. Muldenlagen sind potenziell
immer überflutungsgefährdet; diese sieht man mit dem bloßen Auge aber oft nicht. Unter Berücksichtigung topographischer Informationssysteme sollte es immer eine Abstimmung mit den jeweiligen Tiefbauämtern geben, die relativ gut einschätzen können, wo sich gefährdete Bereiche befinden. Grundsätzlich sollte eine Gefährdungsbeurteilung bei jedem Neubaugebiet vorgenommen werden, um entweder entsprechende bauliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen, oder ganz einfach auch Gebiete freizulassen.

Im urbanen Raum müssen wir dafür sorgen, dass Niederschlagswasser versickern und verdunsten kann. Dazu zählen Versickerungsanlagen oder Gründächer. Neben dem vielen Wasser sind auch Hitzeperioden in den Städten ein zunehmendes Problem. Hier hilft urbanes Grün durch Beschattung und Verdunstung.

Und was kann ich als Gebäudeeigentümer selbst tun?
Eine Möglichkeit, wie man sich vor Rückstau aus der Kanalisation in das Gebäude schützen muss, sind Rückstauverschlüsse oder Abwasserhebeanlagen. Sollte sich Wasser in der Kanalisation Richtung Gebäude stauen, drückt das Wasser gegen diese Rückstauklappen und verschließt diese sicher. So kann kein Wasser in Kellerräume eindringen. Solche Rückstausicherungen sind für alle Gebäude mit Rohrleitungen unterhalb der Straßenoberfläche verpflichtend und ich empfehle auch jedem sich zu informieren, ob das Gebäude durch solch eine Rückstausicherung abgesichert ist.

Ein zweiter Punkt befasst sich mit dem Schutz gegen Wasser, das über die Oberfläche in das Gebäude eindringt. Wasser dringt durch Kellertüren, Kellerfenster, im schlimmsten Fall sogar durch die Wohnungstür. Sie können Ihr Gebäude beispielsweise durch eine Gartenmauer schützen, oder um die Kellerfenster kleine Mäuerchen ziehen, sodass das Risiko einer Überflutung durch Öffnungen im Gebäude reduziert werden kann. Zudem können Sie druckdichte Kellerfenster und -türen installieren lassen. Sie können auch Kellerlichtschächte, die Sie nicht unbedingt brauchen, verschließen lassen; im einfachsten Fall können diese zugemauert werden. In überflutungsgefährdeten Regionen sollten Sie von ausgebauten Kellergeschossen und das Aufbewahren von Wertgegenständen im Keller generell absehen.

Wie muss ich mich verhalten, wenn bereits Wasser eingedrungen ist?
In Überflutungssituationen auf keinen Fall in den Keller gehen! Es besteht die Gefahr, dass Sie einen Stromschlag bekommen, weil die Stromverteilung häufig unten im Keller angeordnet ist. Weiterhin kann sich ein Kellerraum sehr schnell mit Wasser füllen. Schon wenn Ihnen das Wasser nur bis zum Knie steht, bekommen Sie die Kellertür nicht mehr auf! Der Wasserdruck ist dann bereit so hoch, dass die Tür blockiert. Hier passiert es immer wieder, dass Menschen ertrinken.

Wenn durch eine Überflutung Wasser in Ihr Gebäude gelangt ist, sollten Sie sich grundsätzlich auch vor Keimen schützen. Durch Rückstau in der Kanalisation oder durch Oberflächenabflüsse kann das Wasser durchaus belastet sein. Schützen Sie sich in jedem Fall durch das Tragen von Gummistiefeln, Gummihandschuhen und auch einer Mund-Nase-Bedeckung.

Wie kann ich mein Gebäude gegen Schäden durch Hochwasser versichern?
Eine Universalversicherung gegen Naturkatastrophen gibt es nicht. In der klassischen Hausratversicherung sind Sie gegen diese Naturphänomene nicht versichert. Grundsätzlich empfehle ich eine Elementarschadenversicherung, die aufkommt, wenn es zu einer Überflutungssituation oder einer Hochwassersituation gekommen ist.

Ein Video mit anschaulichen Erklärungen von Prof. Grüning gibt es im Youtube-Kanal der LBS West.

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