Ampel steht auf klimapolitischem Aufbruch, die Bewährungsprobe steht aber noch aus
Berlin (24. Nov. 2021). Silvie Kreibiehl, Vorstandsvorsitzende der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, kommentiert: „Der Koalitionsvertrag formuliert ein Aufbruchssignal für den Klimaschutz: Das 1,5 Grad-Limit und der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes sollen die Messlatte sein.“ Positiv hervorzuheben sind aus Sicht von Germanwatch besonders folgende Punkte: Bis 2030 soll der Anteil Erneuerbarer Energien im Strommix auf 80 Prozent verdoppelt werden und der Kohleausstieg durch Marktinstrumente gelingen. Anfang der 2030er Jahre sollen in Deutschland nur noch CO2-neutrale Autos verkauft werden. Die von der EU-Kommission vorgelegten Pläne für die Umsetzung des European Green Deal sollen unterstützt und das deutsche Klimaschutzgesetz erhalten werden. Die deutsche Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU soll für Klima- und Biodiversitätsschutz angepasst werden. Die Klimaaußenpolitik soll gestärkt werden. Und bis Ende 2022 soll das Sofortprogramm Klimaschutz im Gesetzesblatt stehen.
Erfreulich ist ein – allerdings noch etwas verklausuliertes – Bekenntnis zum Erdgasausstieg. Betriebsgenehmigungen für fossil befeuerte Kraftwerke und Infrastruktur sollen 2045 entschädigungsfrei auslaufen. Wenn der Zubau für Erneuerbare Energien gelingt, könnte dies sogar schon 2035 der Fall sein.
„Schon das Sofortprogramm wird zeigen, ob sich hier die unterschiedlichen ordnungspolitischen Vorstellungen der Parteien ausbremsen oder ob sich die wesentlichen Instrumente zur Umsetzung dieser Ziele – Ordnungsrecht, CO2-Preis und finanzielle Anreize – sinnvoll ergänzen können,“ gibt Kreibiehl zu bedenken. „Bei Ordnungsrecht, CO2-Preis und Subventionen liegt nicht genug für einen stringenten Instrumentenmix auf dem Tisch. Der Lackmustest für den klimapolitischen Aufbruch besteht aus drei Teilen: Wird ein Sofortprogramm, das Deutschland vom massiven Reißen der Klimaziele auf Zielerreichung umpolt, tatsächlich bis Ende 2022 im Gesetzesblatt verankert? Gelingt der Schnellstart für den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien? Und wird Deutschland beim Klimagipfel Ende 2022 eine Strategie zum Erreichen des deutschen Beitrags zum 1,5 Grad-Limit vorlegen?“ Dazu gehörten nachgebesserte Ziele der EU, die sie 2023-25 einreichen müsse, und das Übernehmen von mehr internationaler Verantwortung, vor allem durch ambitionierte Klimaschutzpartnerschaften.
Kreibiehl weiter: „Der klimapolitische Aufbruch kann aber nur gelingen, wenn der Koalitionsvertrag Beginn eines gemeinsamen sozial-ökologisch-digitalen Reformprojekts ist, anstatt dass ideologische Kämpfe um jeden Reformschritt das Handeln der Regierung blockieren. Vieles, was im Koalitionsvertrag vage angedeutet wird, muss nun von mutigen Ministern und Ministerinnen mit Blick auf das klimawissenschaftlich Notwendige ausgestaltet und umgesetzt werden: Wie wird der ´´Klimacheck„ eines jeden Gesetzes ausgestaltet? Was heißt bei der internationalen Klimafinanzierung, dass Deutschland ´´seine internationalen Verpflichtungen erfüllt„? Wird der neue Verkehrsminister das Rückgrat haben, bei der angekündigten Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans die Infrastrukturplanung mit den von der Koalition gemeinsam getragenen Klimazielen in Einklang zu bringen? Wird die deutsche G7-Präsidentschaft genutzt, um international den Klimaschutz, die Klimafinanzierung und die Unterstützung der heute schon existenziell betroffenen Menschen voranzubringen? Wird der neue deutsche Strategieplan zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft zur Bindung der Tierzahlen an die Fläche umzusetzen, ohne die die Klimaziele nicht erreichbar sein werden? Klar ist: Ohne den Druck großer, engagierter Teile der Gesellschaft wird das Aufbruchssignal nicht zum notwendigen Aufbruch führen.“
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