Forschung und Entwicklung

Antikörperbildung nach Impfung mit unterschiedlichen mRNA-Impfstoffen und nach COVID-19-Infektion

Ein Forschungsteam des Paul-Ehrlich-Instituts hat die gebildeten Antikörper nach Impfung mit dem aktuell in Deutschland überwiegend eingesetzten COVID-19-Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer, dem inzwischen aus dem Zulassungsprozess zurückgezogenen Impfstoffkandidaten CVnCoV (CureVac) und nach COVID-19-Infektion verglichen. Spezifische Antikörperspiegel, Neutralisierungskapazität und Bindungsfähigkeit der Antikörper unterschieden sich erheblich zwischen Personen nach Impfung mit Comirnaty und nach COVID-19-Infektion auf der einen Seite und von mit CVnCoV geimpften Personen auf der anderen Seite, was die unterschiedliche Wirksamkeit miterklären kann.

Die mRNA-Impfstoffe bestehen aus Boten-RNA (mRNA, messenger RNA), die von Lipidmolekülen umhüllt ist. Die mRNA enthält die genetische Information für den Bauplan des SARS-CoV-2-Oberflächenproteins (Spikeproteins). In einigen Körperzellen wird diese genetische Information in Spike-Protein übersetzt und führt zur Immunreaktion und zum Immunschutz gegen COVID-19. Der mRNA-Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer und der COVID-19-Impfstoffkandidat CVnCoV des Unternehmens CureVac kodieren als Antigen zwar jeweils für ein stabilisiertes Spike-Protein von SARS-CoV-2, unterscheiden sich jedoch in Bezug auf die Art der mRNA. Während es sich bei der mRNA in Comirnaty um durch Methylierung modifizierte Nukleotide (Bausteine der RNA) handelt, ist die mRNA von CVnCoV nicht modifiziert. Ein weiterer Unterschied ist die verabreichte mRNA-Menge der beiden Impfstoffe. In einer Impfstoffdosis von Comirnaty sind 30 µg mRNA enthalten, bei CVnCoV enthält eine Dosis 12 µg mRNA.

Ein Forschungsverbund unter Leitung von Prof. Eberhard Hildt, Leiter der Abteilung Virologie des Paul-Ehrlich-Instituts, und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitätsklinik Aachen, des Robert Koch-Instituts und der Main-Kinzig-Kliniken gingen der Frage nach, wie sich die Bildung schützender Antikörper gegen COVID-19 nach Impfung mit Comirnaty und verschiedenen Dosierungen von CVnCoV sowie nach COVID-19-Infektion (Rekonvaleszente) unterscheidet. Hierzu untersuchten sie die Blutseren (zellfreie Blutflüssigkeit ohne Gerinnungsfaktoren) von mit Comirnaty geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitswesens, Blutseren von Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Phase-I-Studie des COVID-19-Impfstoffkandidaten von Curevac, die mit 2, 4, 6, 8 oder 12 μg CVnCoV geimpft worden waren, sowie Blutseren von im Genesungsprozess befindlichen Personen (Rekonvaleszentenseren), das von Krankenhauspatientinnen und -patienten stammte. Die Blutseren wurden mit ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay), einem enzymgekoppeltem immunologischen Nachweisverfahren, Lebendvirus-Neutralisationstests, Oberflächenplasmonenresonanz surface plasmon resonance spectroscopy, SPR) und Peptidarrays analysiert.

Die meisten Blutseren nach Impfung mit Comirnaty sowie von in Personen im Genesungsprozess wiesen im Vergleich zu denen von mit CVnCoV geimpften Personen einen höheren Titer an Spike-Rezeptorbindungsdomäne (RBD)-spezifischen Antikörpern und neutralisierenden Antikörpern auf. Neutralisierende Antikörper binden meist direkt an die RBD und verhindern so das Eindringen des Virus in die menschliche Zelle.

Bei allen analysierten Blutseren wurde eine Verringerung der bindenden und neutralisierenden Antikörper für die Beta-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 (Virusvariante, die zuerst in Südafrika nachgewiesen wurde) festgestellt, was eine etwas geringere Wirksamkeit annehmen lässt. SPR-Analysen ergaben darüber hinaus, dass die Blutseren nach CVnCoV-Impfung einen geringeren Anteil an langsam dissoziierenden Antikörpern aufwiesen. Dies bedeutet, dass die CVnCoV-Blutseren die Interaktion zwischen dem Spike-Protein des Virus und dem ACE2-Rezeptor, einer Eintrittspforte des Virus in Körperzellen, weniger gut behindern können. Zwar stammten die meisten der Seren nach Impfung mit CVnCoV von Personen, die mit niedrigeren Dosen geimpft wurden als der schließlich in der Phase-3-Studie gewählten Dosis von 12 μg RNA. Die veröffentlichten Daten aus der Phase I-Studie deuten jedoch darauf hin, dass die Dosis nur einen geringen Einfluss auf den Titer von Spike-spezifischem Antikörpern oder auf die Neutralisierungskapazität nach der zweiten Impfung hat.

Das Forschungsteam untersuchte auch die Bedeutung einiger wichtiger Virusmutationen (K417N, E484K, N501Y). Hier zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen Rekonvaleszentenseren und Seren, die durch den Impfstoff ausgelöst wurden: Insbesondere bei der N501Y-Mutation, die sich in den Virusvarianten Alpha, Beta und Gamma findet, fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine deutliche Abnahme der Bindung der Antikörper in den Blutseren der beiden Impfstoffe.

Obwohl die Wirksamkeit eines RNA-Impfstoffs von mehr Parametern als den serologischen abhängt, könnten der niedrigere Antikörpertiter nach Impfung mit CVnCoV, die geringere neutralisierende Aktivität sowie die niedrige Affinität zu einer geringeren Wirksamkeit des Impfstoffs CVnCoV beitragen.

Die aktuelle Studie charakterisiert die SARS-CoV-2-Spike-RBD-spezifische humorale Immunantwort, also den Teil der Immunantwort, der durch nichtzelluläre Bestandteile des Immunsystems vermittelt wird, die durch zwei verschiedene mRNA-Impfstoffe und durch Rekonvaleszentenseren ausgelöst wird. Die Analyse solcher Unterschiede und der Einfluss von Virusvarianten liefert wichtige Erkenntnisse mit Hinblick auf mögliche Anpassungen von Impfstoffen an neue Virusvarianten.

Hintergrund – mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 in Europa

In der Europäischen Union sind aktuell zwei mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 zugelassen: Comirnaty von BioNTech/Pfizer sowie Spikevax von Moderna. Die Daten eines dritten mRNA-Impfstoffkandidaten, CVnCoV des Unternehmens CureVac, waren wie die beiden anderen mRNA-Impfstoffe im Rahmen eines Rolling-Review-Verfahrens vom Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) geprüft worden. Im Oktober 2021 hat das Unternehmen CureVac den Antrag auf Prüfung (Rolling Review) zurückgezogen. Der Impfstoffkandidat hatte in der zulassungsrelevanten Studiephase-2b/3- eine Wirksamkeit von 48 Prozent gezeigt, eine Erkrankung an COVID-19 jeglichen Schweregrads zu verhindern. Auch wenn das Auftreten neuer Virusvarianten während der klinischen Prüfung die Wirksamkeit beeinflusst haben könnte, wies dies auf eine geringere Wirksamkeit im Vergleich zu den zugelassenen mRNA-Impfstoffen hin.

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