Damit der Schuldenberg nicht über den Kopf wächst
Schuldnerberatung schlägt Alarm
Für alle, die bereits vor der Pandemie in einer finanziellen Notlage waren, wird es künftig noch schwerer, denn knappe finanzielle Ressourcen verschärfen sich deutlich, wie eine Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) im ersten Halbjahr 2021 zeigt: So hat sich die Anzahl der Anfragen nach einer Schuldnerberatung bei rund zwei Dritteln der 460 Beratungsstellen erhöht. Vor allem bei Selbstständigen und Menschen in Kurzarbeit war die Nachfrage hoch. Inhaltlich ging es bei den Beratungen vor allem um Pfändungen von Corona-Hilfen (rund 35 Prozent) und um Miet- und Energieschulden (knapp 30 Prozent).
Hilfe finden
Wer in finanzielle Schieflage gerät, sollte sich nach Auskunft der ARAG Experten möglichst frühzeitig Hilfe bei amtlich anerkannten Stellen suchen: Denn je eher eine seriöse Beratung stattfindet, desto mehr Wege gibt es, aus den Schulden herauszukommen. Dazu stehen in Deutschland rund 1.400 Schuldnerberatungsstellen zur Verfügung, die in Verbänden organisiert sind oder sich unter der Trägerschaft von Kommunen, Verbraucherzentralen oder Wohlfahrtsverbänden befinden. Die Beratung ist in der Regel kostenlos. Aufgrund der hohen Nachfrage finden Beratungen auch per Telefon, Video-Anruf, E-Mail oder über Online-Plattformen statt.
Bis zum Jahresende will die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAGSB) ein Online-Verzeichnis aller Schuldenberatungsstellen zur Verfügung stellen. Bis dahin finden Betroffene hier eine Auflistung der Landesarbeitsgemeinschaften nach Bundesländern.
Verschuldet oder überschuldet?
Grundsätzlich unterscheidet die Schuldnerberatung zwischen Ver- und Überschuldung. Bei der Verschuldung haben Betroffene zwar Schulden, können aber die diversen Zahlungsverpflichtungen, wie beispielsweise die Rate für Auto, Kühlschrank und Co. regelmäßig bedienen. Bei der Überschuldung hingegen sind die Schuldner auch längerfristig nicht mehr in der Lage, vom Einkommen oder sonstigem Vermögen die Raten zu zahlen. Wer wissen möchte, ob er bereits überschuldet ist, kann sich per Online-Quiz testen.
Die Erstberatung
Wer sich optimal auf eine Erstberatung vorbereiten möchte, muss nach Auskunft der ARAG Experten einige Vorarbeit leisten. Dazu gehört, sich einen echten Überblick über Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen; also alle Briefe zu öffnen, Rechnungen zu sammeln, Online-Rechnungen auszudrucken und alle regelmäßigen Verbindlichkeiten aufzulisten, die monatlich, quartalsweise und jährlich zu bedienen sind. Auch Mahnungen, Bußgeldbescheide oder z. B. Unterhaltstitel gehören dazu. Die Unterlagen sollte man möglichst übersichtlich in einem Ordner abheften und zur Erstberatung mitnehmen. Wer Probleme beim Aufräumen und Sortieren von Unterlagen hat, kann auch dabei Unterstützung von der Schuldnerberatung bekommen.
Schuldner werden entlastet
Um Schuldner zu entlasten und ihnen zu helfen, schneller aus der Schuldensituation herauszukommen, wurden einige neue Gesetze erlassen. Bereits seit Oktober 2020 gilt die Verkürzung der Restschuldbefreiung. Danach kann das Insolvenzverfahren auf drei Jahre verkürzt werden und es ist nicht mehr nötig, eine Mindestbefriedigungsquote der Gläubiger (35 Prozent der Forderungen) zu erfüllen oder die Verfahrenskosten von etwa 2.000 Euro zu begleichen. Unverhältnismäßige Inkassokosten sind seit Oktober 2021 tabu, dazu wurden unter anderem die Gebührensätze für bestimmte Forderungen ermäßigt.
Darüber hinaus sind ab Dezember mehr Ansparmöglichkeiten auf dem Pfändungsschutzkonto möglich. Mit dem sogenannten P-Konto können Schuldner während einer Kontopfändung über den unpfändbaren Teil ihrer Einkünfte verfügen; das sind laut ARAG Experten seit Juli diesen Jahres 1.259,99 Euro pro Monat. Statt alle zwei Jahre erfolgt die Anpassung der Pfändungsfreigrenzen künftig jährlich.
Tipps, um Schulden zu vermeiden
Um gar nicht erst in die Schuldenfalle zu tappen, haben die ARAG Experten einige Tipps. Der erste Schritt, um einen Überblick über Einnahmen und Ausgaben zu behalten, ist das gute alte Haushaltsbuch. Ob als herkömmliches Heftchen oder als App – hier werden von der Miete über Ausgaben für Lebensmittel und Kinobesuche bis hin zu Energiekosten oder Mitgliedsbeiträge alle Kosten erfasst. Gleichzeitig werden alle Einnahmen notiert, angefangen vom Lohn bis hin zu Einnahmen beispielsweise durch Zinsen, Vermietungen oder auch Verkäufe auf Online-Portalen.
Auch beim Einkaufen lässt sich Geld sparen: Mit einem Einkaufszettel verhindert man den spontanen Griff zu Produkten, die man eher aus der Laune oder dem Appetit heraus einkauft. Apropos Appetit: Nie hungrig in den Supermarkt gehen, auch dabei kauft man in der Regel mehr als geplant. Ein weiterer Trick beim Einkaufen: Mit Bargeld statt mit Karte zahlen.
Die ARAG Experten raten, immer zuerst die Fixkosten wie etwa Miete und Nebenkosten zu zahlen. Konsumkäufe wie z. B. Pulli, Hose, Schuhe & Co. sind meist entbehrlich, wenn man einen ehrlichen Blick in den Kleiderschrank wirft. Auch Rechnungen, die ins Haus flattern, sollten nach Möglichkeit sofort bzw. innerhalb der Zahlungsfrist beglichen werden, um unnötige Mahngebühren zu verhindern.
Wer auf Raten kauft, sollte vorher genau durchrechnen, ob die Raten auch in finanziell angespannten Monaten – wie beispielsweise am Jahresanfang, wenn viele Jahresbeiträge fällig werden – und aus eigener Tasche bezahlt werden können.
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