Die Inflation steigt – die Bauzinsen auch?
"Es gibt verschiedene Faktoren, die dafürsprechen, dass die Zinsen ihren Boden erreicht haben und demnächst wieder steigen werden. Einer der langfristigen, globalen Faktoren ist die Entwicklung der Erwerbsbevölkerung. Weltweit hat der Anteil der 15- bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. Da diese Altersgruppe deutlich mehr spart als die Jungen oder Alten, gab es eine Sparschwemme auf den internationalen Kapitalmärkten, die die Zinsen weltweit gedrückt hat. Da mit der Alterung der Gesellschaften der Anteil der Erwerbsbevölkerung an der Gesamtbevölkerung zukünftig sinken wird, dürfte dieser Druck nachlassen und die Zinsen im Trend sogar wieder steigen", erklärt Wollmershäuser.
Neben den langfristigen Faktoren spielte in den letzten Jahren aber auch die Geldpolitik der EZB eine entscheidende Rolle. Mit ihrer Nullzinspolitik und ihren Anleihekäufen versuchte sie die Konjunktur am Laufen zu halten und die niedrige Inflationsrate in Richtung ihres Zielwertes zu bewegen. Aber auch hier ist eine Änderung in Sicht. Die Deflationsgefahren, mit denen die EZB über Jahre hinweg ihren geldpolitischen Kurs rechtfertigen konnte, sind verschwunden und zunehmende Inflationssorgen haben ihren Platz eingenommen. Andere Notenbanken haben bereits eine geldpolitische Kehrtwende eingeleitet, die EZB wird diesem Kurs früher oder später folgen. Bis wir allerdings wieder mit einer weitgehend normalen Geldpolitik rechnen können, dürften noch einige Jahre ins Land ziehen.
Was bedeutet dies nun für die Zinsentwicklung in Deutschland? Bis zum kommenden Jahrzehnt dürften die langfristigen Kapitalmarktzinsen allmählich wieder auf knapp unter 3 Prozent steigen. Dabei hat Prof. Dr. Wollmershäuser angenommen, dass die Inflation mittelfristig bei 2 Prozent liegen wird. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die OECD bei ihren langfristigen Zinsprojektionen (Abb.). Die Bauzinsen (10 Jahre Zinsbindung) sollten diesem Trend folgen und daher von aktuell etwa 1 bis 1,5 Prozent auf rund 4 Prozent steigen. Bei dieser Prognose unterstellt Wollmershäuser, dass der Abstand der Bauzinsen zu den Kapitalmarktzinsen mit gleicher 10-jähriger Laufzeit im langjährigen Mittel weiterhin etwa 1,5 Prozentpunkte beträgt.
Natürlich sind solche Vorhersagen mit Unsicherheit behaftet. Kurzfristig stellt die derzeitige Inflationsentwicklung das größte Risiko dar. "Je höher die Inflation steigt und je mehr sie sich verfestigt, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB dem Preisanstieg entgegenwirkt und früher als erwartet aus der ultraexpansiven Geldpolitik aussteigt", so Wollmershäuser. Zwar geht der ifo-Konjunktur-Chef für 2022 noch davon aus, dass sich die Preisentwicklung wieder bei 2 Prozent einpendelt. Ausschließen möchte er aber eine fortgeführte Preis-Dynamik nicht: "Kommt es zu einer Lohn-Preis-Spirale, wird die EZB wahrscheinlich früher und energischer reagieren müssen als aktuell erwartet."
Das wiederum könne dann auch Auswirkungen auf die Bauzinsen haben Der Konferenzvorsitzende der Landesbausparkassen, Jörg Münning, plädiert in diesem Zusammenhang für ein rechtzeitiges Umdenken und Umsteuern bei der EZB. "Wir sollten der aktuellen Preisentwicklung entgegenwirken, bevor sie uns entgleitet. Zwar verfügen wir in Deutschland mit Bausparen und Forwarddarlehen über geeignete Möglichkeiten, die aktuell extrem günstigen Bauzinsen zu sichern. Dennoch würde eine steigende Inflation – auch bei den Baupreisen – die finanziellen Möglichkeiten von Immobilienerwerbern deutlich einschränken. Das wäre fatal: Denn Wohnraum – insbesondere Wohneigentum – wird in Deutschland dringend benötigt", ist Münning überzeugt.
Die Aussagen von Prof. Dr. Wollmershäuser finden Sie in diesem "ach! mit Dach!"-Video: https://youtu.be/eBo78UlBn7w
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