Energie aus der Luft atmen
Gießen, 15. November 2021 – Hochfliegende Weltraumpläne und diverse privatwirtschaftlich finanzierte Projekte sind derzeit in aller Munde. Im Fokus der Öffentlichkeit stehen hier vor allem ambitionierte Vorhaben wie der Ausbau der Satellitenflotte des Netzwerks Starlink durch den Weltraumkonzern SpaceX von Elon Musk oder die privatwirtschaftliche Raumstation „Orbital Reef“ als ISS-Alternative, deren Realisierung unter anderem durch Blue Origin, dem Raumfahrtkonzern von Jeff Bezos, vorangetrieben wird. Sie alle zielen auf Höhen von 500 bis 600 Kilometer im sogenannten Low Earth Orbit (LEO). Nicht weniger relevant und von ebenso hohem wissenschaftlichen und auch wirtschaftlichen Interesse sind jedoch sehr niedrige Höhen im Bereich zwischen 160 und 250 Kilometer (Very Low Earth Orbit – VLEO). Diese stehen im Zentrum des internationalen Horizont 2020-Projekts Air-breathing Electric Thruster – AETHER.
Der begrenzende Faktor für die Dauer von Weltraummissionen hängt häufig mit der Gesamtmasse des an Bord verfügbaren Treibstoffs zusammen. Wenn ein neuer Antrieb in der Lage wäre, die oberen Schichten der Atmosphäre als Treibstoff zu nutzen, würde dies ein breites Spektrum an neuen Szenarien für Planetenmissionen ermöglichen. Sehr niedrige Erdumlaufbahnen zwischen 160 und 250 Kilometer sind für die Erdbeobachtung und für Telekommunikationsanwendungen ohne Zeitverzögerung äußerst interessant, stellen jedoch große Herausforderungen für Raumfahrzeuge dar, da der Luftwiderstand in diesen Höhen so groß ist, dass er ständig durch positiven Schub ausgeglichen werden muss. Dies bedeutet, dass das Raumfahrzeug ständig sein Antriebssystem einschalten muss, was wiederum eine Menge Treibstoff an Bord erfordert. Sobald der Treibstoff aufgebraucht ist, wird die Umlaufbahn binnen weniger Tage verlassen.
AETHER will die Atmosphäre nutzen, indem es die Moleküle auffängt und beschleunigt, um dem Luftwiderstand entgegenzuwirken, so dass eine VLEO-Mission ohne Tank an Bord Monate, wenn nicht Jahre dauern kann. Im Rahmen des EU-finanzierten AETHER-Projekts wird das Design der eingesetzten elektrischen Triebwerke bis zu einem für den Flug repräsentativen Stadium weiterentwickelt, wobei eine ausreichende und zuverlässige Netto-Schubleistung für die angestrebten Zielanwendungen experimentell demonstriert werden kann. Dies wird durch die Optimierung der verschiedenen Komponenten des Triebwerks, die sorgfältige Auswahl von Materialien und geeignete Diagnosewerkzeuge auf der Grundlage von Designüberlegungen auf Systemebene erreicht.
AETHER wird von einem internationalen Projektkonsortium aus sechs Ländern betrieben: Sitael (Italien), von Karman Institute for Fluid Dynamics (Belgien), University of Surrey (Großbritannien), RHP-Technology (Österreich), Dedalos (Griechenland), Astos Solutions (Deutschland) und TransMIT (Deutschland). Bei den sieben Mitgliedern des Konsortiums handelt es sich um eine ausgewogene Mischung von Einrichtungen (eine Forschungseinrichtung, ein Großunternehmen, vier KMU und eine gemeinnützige Organisation), die so konzipiert wurde, dass das für die erfolgreiche Verwirklichung aller Projektziele erforderliche Wissen und Fachwissen maximiert wird. Der TransMIT-Projektbereich für Ionenquellen in der Materialbearbeitung (IQM) unter der Leitung von Dipl.-Ing.Maria Smirnova und Dipl.-Ing. Aloha Mingo widmen sich in dem Teilprojekt insbesondere der Entwicklung und Herstellung der Charge Separation Acceleration Stage für den Demonstrator.
Maßgebliches Ziel von AETHER ist es, die sogenannte Ram-EP-Technologie für eine künftige In-Orbit-Demonstrationsmission vorzubereiten und Europa an die Spitze des noch weitgehend unerschlossenen Bereichs des luftatmenden Elektroantriebs zu bringen. Der erfolgreiche Abschluss des AETHER-Projekts wird das europäische Portfolio an elektrischen Antrieben mit dem weltweit ersten luftatmenden EP-Triebwerk erweitern und potenziell einen Paradigmenwechsel bei VLEO-, LEO- und Planetenmissionen bewirken. Das Anwendungsspektrum reicht dabei von der wissenschaftlichen Grundlagenforschung über den Telekommunikationsbereich oder Einsätzen für das globale Navigationssatellitensystem (GNSS) bis hin zur allgemeinen Erdbeobachtung wie beispielsweise der vor dem Hintergrund des Klimawandels zunehmend an Bedeutung gewinnenden Katastrophenüberwachung und -vorsorge.
Weitere Informationen zum “Horizont 2020”-Projekt AETHER unter: https://aether-h2020.eu/
Zu den Perspektiven innovativer elektrischer Antriebssysteme im europäischen Raumfahrtsektor und der Arbeit sowie branchenbezogenen Karrieremöglichkeiten in internationalen Projekten organisiert das EU-geförderte Projekt GIESEPP MP in Zusammenarbeit mit AETHER und Switch to Space aktuell ein Webinar mit Vertretern der führenden Raumfahrtorganisationen der Welt und Europas. Das Webinar ist kostenfrei und richtet sich insbesondere an Studenten und junge Fachkräfte. Es sind keine Vorkenntnisse oder Erfahrungen auf dem Gebiet der elektrischen Antriebstechnik erforderlich. Das Webinar „Electric Space Propulsion & new career opportunities in the space sector in Europe“ findet am 17. November 2021 von 15 bis 17 Uhr statt.
Mehr Informationen und Registrierung unter: https://gieseppmp.eu/electric-propulsion-new-career-opportunities-in-the-space-sector-in-europe/
Die TransMIT GmbH erschließt und vermarktet im Schnittfeld von Wissenschaft und Wirtschaft seit 1996 mit rund 160 Angestellten das Innovations-Potenzial zahlreicher Wissenschaftler aus mehreren Forschungseinrichtungen in und außerhalb Hessens. Direkt aus den drei Gesellschafterhochschulen der TransMIT GmbH (Justus-Liebig-Universität Gießen, Technische Hochschule Mittelhessen und Philipps-Universität Marburg) bieten mehr als 160 TransMIT-Zentren unter professioneller wissenschaftlicher Leitung innovative Produkte, Technologien, Dienstleistungen sowie Weiterbildungsveranstaltungen aus nahezu allen Fachrichtungen an. Der Geschäftsbereich Patentverwertung identifiziert und bewertet im Kundenauftrag Produktideen und Forschungsergebnisse und bietet diese international für Lizenzierung oder Kauf an. Das betreute Portfolio umfasst dabei alle Technologiefelder deutscher Hochschulen. Ergänzt wird dieses Angebot durch Leistungen für das komplette Innovationsmanagement von der Idee bis zum marktreifen Produkt im Geschäftsbereich Managed Innovation Services (MIS), insbesondere Fördermittelberatung und Projektmanagement für kleine und mittelständische Unternehmen. Darüber hinaus initiiert und betreut das Geschäftssegment Kooperationsnetzwerke & Neue Märkte Netzwerke zwischen KMU, die sich proaktiv weiterentwickeln wollen. Die TransMIT GmbH hat bei mehreren Rankings im Auftrag verschiedener Bundesministerien jeweils den 1. Platz unter den 21 größeren Technologietransfer-Unternehmen in Deutschland erreicht und ist autorisierter Partner des BMWi-Programms "go-Inno" sowie der Innovationsberatung des BAFA. Referenzprojekte sind u. a. das Museum "mathematikum", das Clustermanagement für die Medizinwirtschaft "timm" und die BMWi-Projekte "SIGNO KMU-Patentaktion" und "-Erfinderfachauskunft" sowie "WIPANO Unternehmen". Aktuell ist die TransMIT GmbH federführender Partner der EU-Initiative KETBIO (Key Enabling Technologies in Biotechnology) und gehört zum Projektkonsortium des europäischen Programms zur Förderung der Biotechnologie als einer von sechs bedeutenden Schlüsseltechnologien (KETs) des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont 2020 (https://www.ketbio.eu/).
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