Kommunikation

Henrik Tesch: Der Koalitionsvertrag bleibt weit hinter den Erwartungen zurück

Die Skeptiker scheinen Recht zu behalten: von der neuen Bundesregierung wird kein wirklicher Digitalisierungsschub ausgehen. Das hatten in CIVEY-Umfragen für das Buch „Deutschland digitales Deaster“ (Autoren Hartwig von Saß, Henrik Tesch) sowieso nur 39,7 % der Befragten erwartet.

Der Koalitionsvertrag ist ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen, getrieben von den partikularen Interessen der drei beteiligten Parteien. Jede von ihnen hat Ihre Buzzwords untergebracht: die Liberalen „Freiheit“, die SPD „soziale Teilhabe“ und die Grünen als Leuchttürme ein „digitales Portal für Umweltdaten“ sowie ein „zentrales Archiv für Kartierungs- und Artendaten“. Ohne Frage sind dies wichtige Themen. ABER: Keine Rede ist von einem echten Masterplan für die seit Jahrzehnten überfällige Digitalisierung unseres Landes. Keine Rede ist von politischer Führung.

Ja, viele Menschen haben „für langes Schlangestehen im Bürgeramt“ kein Verständnis mehr. Die wirklichen Handlungserfordernisse im öffentlichen Bereich haben jedoch ganz andere Dimensionen. Technische Ausstattung und leistungsfähige, breitbandige Infrastrukturen sind ein Teil davon. Wir brauchen aber vor allem eine durchgehende Digitalisierung aller Verwaltungsvorgänge. Ende-zu-Ende. In den Büros hinter dem Bürgeramt schlummern die größten digitalen Potenziale.

Der öffentliche Sektor in Deutschland steuert auf einen dramatischen Fachkräftemangel zu. Bis 2030 wird dort mehr als jeder dritte Beschäftigte in Rente gehen. Da es den Behörden zugleich an Nachwuchs mangelt, entsteht eine Personallücke von mehr als 730.000 Beschäftigten. Konsequente und durchgehende Digitalisierung, weitgehende Prozessautomatisierung und die Nutzung künstlicher Intelligenz könnten dazu beitragen, die Arbeitsfähigkeit der Verwaltungen zu sichern. Das würde dann auch zu einer signifikant höheren Zufriedenheit der Mitarbeiter, Bürger und Unternehmen führen. Könnte, sollte, würde…

Es stellt sich auch die Frage, woran wir den Fortschritt bei der Digitalisierung messen. Was bedeutet Erfolg? Darauf gibt es zumindest heute keine Antworten.

Verwaltungsdigitalisierung ist viel mehr als Bürgerdienste online anzubieten – der Koalitionsvertrag bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.

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