LongCovid: Der Versorgungsbedarf ist groß und zeitkritisch
Behandler/innen stehen vor neuen Herausforderungen
Die Multiorgan-Krankheit Corona kann kognitive Einschränkungen, nachhaltige Erschöpfung, Schlafstörungen oder Ängste auslösen. Hinzu kommen die Auswirkungen von Kontaktbeschränkungen im Lockdown und besondere Belastungen durch z. B. Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust. Diese komplexe Situation stellt Behandler/innen im Kontakt mit psychisch Erkrankten vor neue Herausforderungen. In drei Vorträgen à 20 Minuten berichteten die Fachreferenten/innen über ihre Erfahrungen mit der Behandlungssituation sowie aktuelle diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Zwischen den Vorträgen spiegelten TED-Fragen an die Teilnehmenden die Situation im Versorgungssektor wider. So gaben 60 Prozent der Befragten an, bereits Patienten/innen mit LongCovid behandelt zu haben.
Psychosomatische Reha muss sich auf Wellen der Pandemie einrichten
Wie hoch der Bedarf einer angepassten Versorgung ist, veranschaulichte Marco Friedrich Schmeding, Chefarzt Psychosomatik in der Dr. Becker Klinik Norddeich an einem Fallbeispiel aus der Rehabilitation. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, unter dessen wissenschaftlicher Leitung die Veranstaltung stand, berichtete von einer 45-jährigen Patientin, die sich im Frühjahr 2021 mit COVID 19 infiziert hatte. Hatte die sozial gefestigte Patientin ihre somatischen wie auch psychischen Vorerkrankungen bisher gut im Griff, warf sie die Infektion zurück. Marco Schmeding erläutert: „Die psychische Verschlechterung korrelierte klar mit den körperlichen Symptomen: Je schlechter die körperliche Verfassung war, umso mehr nahm auch das psychische Leiden zu. Daher stand eine multimodale Behandlung im Vordergrund.“ Mittels Atemtherapie, Kardiotraining und Psychotherapie konnte die Patientin ihren Zustand wieder entscheidend verbessern. „Es ist wichtig, dass wir uns im ambulanten wie auch stationären Bereich auf Wellen der Pandemie mit verschiedenen Versorgungsbedürfnissen einrichten“, appelliert Marco Schmeding an die Zuhörer/innen. Dabei seien insbesondere Rehakliniken mit ihren modularen Behandlungsbausteinen gut aufgestellt, um LongCovid-Betroffenen zu helfen.
S1-Leitlinie unter Behandler/innen bekannter machen
Auch Frau Prof. Dr. med. Eva M. J. Peters, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, betonte in ihrem Vortrag, dass sich eine LongCovid-Therapie immer an den Symptomen zu orientieren habe. So sei nicht nur eine etwaige Luftnot zu behandeln, sondern immer auch die damit einhergehende Angst. Orientierung z. B. für Hausärzte und -ärztinnen bezüglich Diagnostik und Versorgung von LongCovid-Patienten/innen biete die S1-Leitlinie „LongCovid / PostCovid“. Hier seien für alle Indikationen der aktuelle Wissensstand für Akteure aus dem Gesundheitswesen zusammengetragen. Prof. Peters selbst hat an der S1-Leitlinie mitgearbeitet und Empfehlungen zu Diagnostik und klinischer Versorgung bei psychischen Belastungen und Erkrankungen nach SARS-CoV-2 Infektion gegeben. Dass die Leitlinie noch bekannter werden muss, zeigte das Ergebnis der zweiten TED Umfrage: 70 Prozent der Teilnehmenden kannten das Paper noch nicht.
Gruppentherapie als Behandlungsbaustein bei LongCovid
Das Potenzial eines ambulanten, psychotherapeutischen Gruppenangebotes für Post/Long-COVID-Betroffene zeigte die Psychologische Psychotherapeutin Marion Sehr im letzten Vortrag auf. Wie jede andere Erkrankung erschüttere auch LongCovid das Sicherheitsgefühl der Betroffenen. Mehr als andere Patient/innen sähen sie sich aber mit weiteren Belastungsfaktoren wie fehlende Behandlungspfade und ungenügender Aufklärung unter Behandler/innen, Vorgesetzten, Kolleg/innen und Angehörigen konfrontiert. Austausch, Verständnis und gegenseitige Unterstützung im gruppentherapeutischen Setting würde von den Betroffenen daher als sehr hilfreich und stärkend erlebt werden. Psychologische Psychotherapeuten/innen könnten mit ihrem Methodenwissen einen wesentlichen Beitrag zur Krankheitsbewältigung dieser Patientengruppe in der ambulanten Versorgung beitragen. Das Potenzial spezifischer gruppentherapeutischer Angebote sowohl in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung als auch als Nachsorgeangebot einer stationären Rehabilitation sei noch nicht ausgeschöpft und sollte als Behandlungsbaustein weiter gedacht werden. Frau Sehr betonte ebenfalls die Notwendigkeit breiter Aufklärung über das Krankheitsbild in allen Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen.
Eine große Aufgabe für die Gesellschaft
Zum Schluss der Veranstaltung beantworteten die Experten/innen Fragen aus dem Online-Auditorium. Einig waren sich die Referenten/innen, dass es an Anlaufstellen für Patienten/innen mit psychischen Beschwerden nach einer COVID 19-Infektion fehle. Diese seien notwendig, um differenzierte Diagnosen zu stellen und so in eine passende Therapie zu führen. Der Faktor Zeit spiele hier eine wichtige Rolle, um Chronifizierung zu vermeiden. Die Betroffenen fielen ansonsten langfristig aus der Teilhabe heraus, was zu einem großen, gesamtgesellschaftlichen Problem führen werde. Die Pandemie und ihre Folgen für die seelische Gesundheit seien demnach eine große Aufgabe für die Gesellschaft und deren medizinische Versorgungsstrukturen.
Die Dr. Becker Klinikgruppe ist ein inhabergeführtes mittelständisches Familienunternehmen mit Hauptsitz in Köln. Deutschlandweit betreibt die Klinikgruppe acht Rehabilitationseinrichtungen mit den Indikationen Orthopädie, Neurologie, Kardiologie und Psychosomatik sowie drei ambulante Therapiezentren. Mehr Informationen unter: www.dbkg.de
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