Bildung & Karriere

Nur jeder zweite Beschäftigte sieht das eigene Unternehmen für die neue Arbeitswelt gerüstet

Nach anderthalb Jahren Pandemie vermissen viele Arbeitnehmer:innen von ihrem Unternehmen noch immer einen klaren Plan für die Zukunft. Die Zufriedenheit mit dem Homeoffice bleibt auf hohem Niveau, doch es zeigen sich auch negative Folgen des flexiblen Arbeitens. Frauen beklagen häufiger als Männer eine Verschlechterung der beruflichen Situation.

Nach Ansicht ihrer Beschäftigten verfügen noch immer zu wenige Unternehmen in Deutschland über eine erkennbare Strategie für die neue Arbeitswelt. Wie eine repräsentative Ipsos-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung ermittelte, sind mit 52 Prozent nur rund die Hälfte der Arbeitnehmer:innen der Auffassung, dass ihr Unternehmen eine klare Position zur Gestaltung der künftigen Arbeitsprozesse habe. Der Wert stimmt umso bedenklicher, da sich seit der vorangegangenen Befragung im Dezember 2020 keine Veränderungen zeigen. Damals hatten ebenfalls nur 50 Prozent ihrem Unternehmen attestiert, einen Plan für die Zukunft zu besitzen. „Offenbar sind sich viele Unternehmen auch nach anderthalb Jahren Pandemie noch immer nicht darüber im Klaren, wie das Arbeiten unter den flexiblen und digitalisierten Bedingungen erfolgen soll. Diese Unentschlossenheit verunsichert einen großen Teil der Belegschaft und kann das Fundament der Unternehmenskultur erschüttern“, sagt Jörg Habich, Experte für Führungsfragen der Bertelsmann Stiftung.

Ungeachtet der Zukunftsskepsis deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sich die Arbeitnehmer:innen mit der „neuen Normalität“ längst arrangiert haben. Jeweils 70 Prozent der Befragten geben an, dass sich die Beziehung zu Kolleg:innen und zur Führungskraft sowie die Wahrnehmung der Unternehmenskultur seit Ausbruch der Corona-Krise nicht verändert hätten. Generell treten dabei keine großen Unterschiede zwischen den Beschäftigten vor Ort und denen im Homeoffice auf – doch im Detail gibt es auffällige Abweichungen. So empfinden Mitarbeiter:innen im Homeoffice die Situation in den Bereichen Work-Life-Balance, Wohlbefinden, Motivation, Arbeitsbelastung und Produktivität nach wie vor etwas positiver als die Kolleg:innen, die weiterhin am Arbeitsplatz beschäftigt sind. Zugleich fällt es den Beschäftigten im Homeoffice schwerer, die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz zu pflegen sowie den Kontakt zu anderen Teams aufrechtzuerhalten. Insgesamt ist die Zufriedenheit mit der Tätigkeit im Homeoffice seit Ende 2020 von 80 auf 88 Prozent angestiegen.

Veränderte Arbeitsbedingungen bringen Nachteile für Frauen mit sich

In den Umfragedaten zeichnen sich allerdings auch die negativen Auswirkungen ab, die mit der flexiblen Arbeitswelt einhergehen. So fällt es insgesamt knapp jedem Zweiten schwer, nach der Arbeit abzuschalten sowie Beruf und Privatleben zu trennen. Vor allem jüngere Arbeitnehmer:innen unter 35 Jahren berichten verstärkt von höherem Leistungsdruck und einer Verschlechterung der Work-Life-Balance. „Die Unternehmen sind gefordert, auf diese wachsende Entgrenzung zu reagieren. Sie können ihre Beschäftigten beispielsweise durch Informations- und Coachingangebote unterstützen. Außerdem ist es sehr wichtig, dass die Führungskräfte diese Probleme wahrnehmen und gemeinsam mit den Mitarbeitenden nach Lösungen suchen“, erklärt Ingrid Feinstein, Director für Employee Research bei der Ipsos GmbH.

Wie die Befragung zeigt, bringt der Wandel der Arbeitsbedingungen insbesondere für Frauen Schwierigkeiten mit sich. Sie geben öfter als Männer an, dass sich Arbeitsbelastung, Wohlbefinden und Produktivität verschlechtert hätten. Zudem äußern sie häufiger Zweifel, ob die Gleichbehandlung in ihrem Unternehmen weiter vorangetrieben wird. Dieses Thema ist ihnen bei der Wahl des Arbeitgebers wichtiger als Männern, während die Aspekte Weiterbildung und Karriere für sie eine geringere Rolle spielen. Bereits Ende 2020 hatte eine Befragung der Bertelsmann Stiftung ergeben, dass Frauen in der Corona-Situation in die traditionelle Aufgabenteilung zurückzufallen drohen. Die Kombination aus höherer Belastung sowie dem Zurückstellen der beruflichen Ambitionen sei für Frauen ein großes Hindernis auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung, warnen die Expert:innen der Bertelsmann Stiftung.

„Wettbewerbsvorteil im Kampf um Talente“

Trotz der Defizite und Anpassungsschwierigkeiten haben sich die Arbeitnehmer:innen im Großen und Ganzen an die neuen Rahmenbedingungen gewöhnt. „Die Unternehmen können die neu gewonnene Flexibilität nicht zurücknehmen. Daher müssen sie sich endlich konsequent mit der Frage beschäftigen, wie zukunftsfähige Modelle der Zusammenarbeit in ihrer jeweiligen Organisation gestaltet sein müssen und wie sie umzusetzen sind“, rät Jörg Habich. Aus Sicht des Experten sind dabei weniger die Technik und die Prozesse auschlaggebend für den Erfolg, sondern vielmehr die unternehmenskulturellen und strategischen Weichenstellungen. „Die intelligente Einbettung flexibler Arbeitszeiten und Büroraumkonzepte in die Unternehmenskultur stellt einen zunehmenden Wettbewerbsvorteil im Kampf um Talente dar. Hier wird auch das Homeoffice noch viel zu selten als strategische Option, zum Beispiel für das Personalmarketing, betrachtet“, sagt Habich. Daher sollten sich Personalabteilungen viel stärker in die Transformation einbringen und Ideen entwickeln, wo und vor allem wie der soziale Austausch der Beschäftigten künftig stattfindet. Von zentraler Bedeutung sei es auch, Führungskräfte gezielt für die veränderten Aufgaben in einer mobilen und digitalen Arbeitswelt sowie für ihre wichtiger werdende Rolle als Moderator:innen zu befähigen.

Zusatzinformationen
Für die Studie hat das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Ipsos im Juni 2021 insgesamt 1.250 Arbeitnehmer:innen zwischen 18 und 65 Jahren aus unterschiedlichen Branchen befragt. 48 Prozent der Befragten waren männlich, der Altersdurchschnitt lag bei 49 Jahren. 18 Prozent haben gemäß eigenen Angaben eine Führungsverantwortung inne. 22 Prozent sind in Teilzeit beschäftigt. 38 Prozent gaben an, dass sie zumindest teilweise im Home-Office arbeiten. Die Verteilungen können als repräsentativ für die Unternehmenslandschaft in Deutschland angesehen werden.

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